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Schlichten statt richten

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Manfred Arnold<br />

ist Vorsitzender Richter am LAG Baden-<br />

Württemberg und Herausgeber eines<br />

Kommentars zum Urlaubsrecht.<br />

Arbeitnehmer immer voll zur Verfügung<br />

stehen. Daraus ergibt sich aber<br />

auch die Möglichkeit, dass aufgrund<br />

einer ausdrücklichen Vereinbarung der<br />

übergesetzliche Urlaub bei unterjährigem<br />

Austritt gekürzt oder gequotet<br />

werden darf. Eine solche Vereinbarung<br />

könnte lauten: Im Jahr des Ein- oder<br />

Austritts erhält der Arbeitnehmer für<br />

jeden vollen Monat des Bestehens des<br />

Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel seines<br />

Urlaubsanspruchs. Er erhält jedoch in<br />

jedem Fall den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch.<br />

Darüber hinaus besteht<br />

nach § 6 BUrlG auch die Möglichkeit,<br />

im Jahr des Eintritts den Urlaub um den<br />

beim Vorarbeitgeber gewährten oder<br />

abgegoltenen Urlaub zu kürzen. In der<br />

Praxis wird diese Vorschrift oftmals<br />

aber ignoriert, weil wir wie selbstverständlich<br />

von einer allgemeinen Zwölftelungsregelung<br />

ausgehen.<br />

personalmagazin: Apropos Abweichung:<br />

Viele Unternehmen sehen aufgrund<br />

spezieller tarifvertraglicher Regelungen<br />

keinen Grund in das BUrlG zu schauen.<br />

Arnold: Da ist schon die Grundannahme<br />

problematisch: Auch bei Geltung eines<br />

Tarifvertrags gilt die Rechtsprechung<br />

zum BUrlG fast ausnahmslos, weil auch<br />

Tarifverträge für den gesetzlichen Mindesturlaub<br />

nicht vom BUrlG abweichen<br />

dürfen. Das wurde zuletzt deutlich bei<br />

der Entscheidung des BAG zum Nichtverfall<br />

von Urlaubsansprüchen bei lang<br />

andauernder Krankheit. Im Übrigen<br />

gilt auch für Tarifverträge der Grundsatz:<br />

Wird nicht zwischen gesetzlichem<br />

und übergesetzlichem Urlaubsanspruch<br />

deutlich unterschieden, gelten die<br />

Regelungen des BUrlG für den ganzen<br />

Urlaubsanspruch. Ob sich die Mitarbeiter<br />

einer Personalabteilung allerdings<br />

darüber freuen, jetzt auch noch<br />

zwischen dem gesetzlichen und dem<br />

übergesetzlichen Urlaub unterscheiden<br />

zu müssen, ist eine andere Frage.<br />

personalmagazin: Gibt es auch andere<br />

Gesetze, in denen ebenso bei Geltung<br />

eines Tarifvertrags das Urlaubsrecht<br />

eine zwingende Rolle spielt?<br />

Arnold: Ja, einige wichtige sogar. Am<br />

bekanntesten ist der Zusatzurlaub für<br />

schwerbehinderte Menschen nach §<br />

125 Sozialgesetzbuch IX. Aber auch das<br />

Mutterschutzgesetz und das Bundeselterngeld-<br />

und Elternzeitgesetz wie<br />

auch das Arbeitsplatzschutzgesetz<br />

enthalten urlaubsrechtliche Sonderregelungen.<br />

Deshalb haben wir in unserem<br />

Kommentar auch diese Gesetze<br />

in die Kommentierung umfassend mit<br />

aufgenommen.<br />

personalmagazin: Mit der Entscheidung<br />

„Schulz-Hoff“ hat ein bis dahin unumstößliches<br />

Dogma ein Ende gefunden,<br />

nämlich der Verfall von Urlaubsansprüchen,<br />

die bei Langzeiterkrankungen<br />

jetzt noch jahrelang gefordert werden<br />

können. Wie sind die in diesem Zusammenhang<br />

für die Praxis wichtigsten<br />

Fragen nach der Dauer der Rückwirkung<br />

und bei einer rückwirkenden<br />

Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente<br />

zu beantworten?<br />

Tillmanns: Die Dauer der Rückwirkung<br />

hat das BAG jüngst entschieden. Sie<br />

reicht sogar bis 1996. Allerdings ist<br />

hier das letzte Wort noch nicht gesprochen.<br />

Das LAG Hamm hat dem EuGH<br />

nochmals die Frage vorgelegt, ob in<br />

unbegrenzter Höhe Urlaubsansprüche<br />

aufl aufen können. Das sehen übrigens<br />

auch Arbeitnehmervertreter mit<br />

gemischten Gefühlen, denn durch die<br />

Anhäufung von Urlaubsansprüchen<br />

überlegt so mancher Arbeitgeber, ob er<br />

Langzeitkranken zur Vermeidung dieser<br />

wirtschaftlichen Belastungen nicht<br />

doch besser zeitig kündigt, bei denen er<br />

ansonsten zugewartet hätte.<br />

Hinsichtlich der Problematik einer<br />

Erwerbsunfähigkeitsrente stellt sich vor<br />

allem das Problem der befristeten Rente.<br />

Diese führt regelmäßig zum Ruhen<br />

des Arbeitsverhältnisses. Damit stellt<br />

sich die Frage, ob auch in dieser Zeit<br />

ein Urlaubsanspruch entsteht und ob es<br />

sich um Urlaubsansprüche handelt, die<br />

wegen Krankheit nicht verfallen. Hier<br />

liegen dem BAG mehrere unterschiedliche<br />

Entscheidungen von Landesarbeitsge<strong>richten</strong><br />

vor. Mit einer Klärung<br />

kann in absehbarer Zeit gerechnet<br />

werden.<br />

personalmagazin: Wenn Sie einen Wunsch<br />

frei hätten: An welcher Stelle sollte der<br />

Gesetzgeber das BUrlG anpassen?<br />

Arnold: Das Gesetz geht immer noch davon<br />

aus, dass der Urlaub grundsätzlich<br />

zusammenhängend genommen werden<br />

muss. Das entspricht in Zeiten von<br />

Billigfl iegern nicht mehr der Realität.<br />

Allerdings sollte es bei einem zusammenhängenden<br />

Mindesturlaub von<br />

zwei Wochen bleiben. Noch besser wäre<br />

ein einheitliches Arbeitsvertragsgesetz.<br />

Tillmanns: Der Gesetzgeber sollte das<br />

Problem des Urlaubsanspruchs bei<br />

Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit<br />

regeln und es nicht wieder einmal den<br />

Ge<strong>richten</strong> überlassen. Außerdem sollte<br />

es möglich werden, die Urlaubsansprüche<br />

auch alternativ auf Stundenbasis<br />

gemessen an der Jahresarbeitszeit zu<br />

berechnen.<br />

Das Interview führte Thomas Muschiol.<br />

RECHT<br />

URLAUBSRECHT<br />

02 / 11 personalmagazin<br />

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