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heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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OTTO WERNER<br />

Die Sebastiansbruderschaft in Hechingen<br />

Von den Seuchenpatronen des Mittelalters (Christopherus,<br />

Rochus 1, Sebastian) erhebt sich besonders der hl. Sebastian<br />

und sein Kult im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit<br />

zu großer Volkstümlichkeit. Sebastian wurde wohl wegen<br />

seiner Todes- oder Darstellungsart, den Pfeilen, zum Pestpatron.<br />

Die Pest selbst wurde gewöhnlich durch Pfeile angedeutet,<br />

die vom Himmel geschleudert werden 2.<br />

Satzungsurkunde<br />

Am Sonntag nach dem Dreikönigstag des Jahres 1513 kamen<br />

der Pfarrer von Hechingen. Meister (= Magister) Hans<br />

Vögelein. Bürgermeister Claus Held(en) und der andere<br />

Pfleger der Bruderschaft zu Graf Franz Wolfgang von Zollern<br />

und zeigten ihm an, daß sie zusammen mit anderen eine<br />

Bruderschaft zum Lob des allmächtigen Gottes, der himmlischen<br />

Königin und reinen Mutter Maria und des ganzen<br />

himmlischen Heeres, besonders aber zur Ehre des heiligen<br />

Himmelsfürsten und Märtyrers Sebastian gegründet hätten.<br />

Sie baten ihn, eine Urkunde über ihre Satzung auszustellen<br />

und zu siegeln. Die Artikel der Satzung sollten für alle<br />

Mitglieder der Bruderschaft verbindlich und rechtsgültig<br />

sein.<br />

Die einzelnen Artikel der Satzung<br />

Die einzelnen Artikel der Satzung besagen: Der Pfarrer oder<br />

ein anderer Priester verkündete alljährlich am Sonntag vor<br />

Sebastian zuerst in der Pfarrkirche St. Luzen und hernach in<br />

der Kapelle zu Unserer Lieben Frau die Bruderschaft, d. h. er<br />

kündete für den 20. Januar den Bruderschaftstag an.<br />

Am Sebastianstag selbst, am 20.Januar also, wurden die<br />

Namen aller lebenden wie toten Brüder und Schwestern der<br />

Bruderschaft in der Kapelle Unserer Lieben Frau verlesen.<br />

Außerdem begingen die Mitglieder den Jahrtag für alle<br />

Brüder und Schwestern und die Wohltäter, ob sie noch am<br />

Leben oder aus dieser Zeit geschieden waren, mit einem<br />

gesungenen Seelenamt und einem Amt zum Gedächtnis des<br />

hl. Sebastian. Diese beiden Amter feierte die Bruderschaft mit<br />

allen Chorherren des Stifts ebenfalls in der Kapelle zu<br />

Unserer Lieben Frau. Dabei trugen die Frauen brennende<br />

Kerzen, die von den Pflegern oder Kerzenmeistern beschafft<br />

worden waren. Den beiden Ämtern sollten alle Mitglieder,<br />

aber auch, wer neu aufgenommen werden wollte, in bruderschaftlicher<br />

Liebe beiwohnen und zu opffer geen. Jeder<br />

Chorherr las anschließend noch eine hl. Messe an einem von<br />

ihm ausgewählten Altar. Andere Priester aus der Umgebung,<br />

die der Bruderschaft angehörten, lasen zum Trost der Lebenden<br />

und Toten der Bruderschaft ebenfalls eine Messe in der<br />

Kapelle zu Unserer Lieben Frau in Hechingen oder in ihrer<br />

Kirche.<br />

An allen Fronfasten (das war mittwochs, freitags und samstags<br />

nach Aschermittwoch, Pfingsten, Fest Kreuzerhöhung<br />

und Fest hl. Lucia beteten die Brüder und<br />

Schwestern 15 Vaterunser, 15 Ave Maria und ein Glaubensbekenntnis<br />

zum Lobe und zur Ehre der Leiden des Herrn und<br />

als Hilfe und zum Trost der lebenden und toten Mitglieder.<br />

Die Priester jedoch, die Mitglieder der Bruderschaft waren,<br />

lasen an den Fronfasten hl. Messen. Mittwochs an den vier<br />

Fronfasten sang ein Priester, den die Pfleger dazu auswählten<br />

oder darum baten, zum Gedächtnis der Brüder und Schwestern,<br />

die der Bruderschaft Gutes getan (- z. B. eine Stiftung<br />

vermacht hatten -) ein Seelenamt. Zur Teilnahme an diesen<br />

Jahrzeiten waren die Mitglieder nicht verpflichtet.<br />

18<br />

Starb ein Bruder oder eine Schwester, so war dies den<br />

Pflegern in Hechingen zu melden. Diese veranlaßten, daß mit<br />

allen Glocken zwei Zeichen gegeben wurden. Zwei Priester<br />

hielten in der Kapelle Unserer Lieben Frau Vigil und lasen<br />

tags darauf die Messe; die Teilnahme daran war für die<br />

Mitglieder nicht verpflichtend.<br />

Kommen wir nun zur Organisation der Bruderschaft, denn<br />

diese war durchaus nicht eine bloß lose Vereinigung, sondern<br />

festgefügt.<br />

Am Jahrtag mußten die Pfleger vor allen Brüdern Rechnung<br />

legen und die Einnahmen und Ausgaben nachweisen. Dann<br />

wählten die Anwesenden zwei neue Pfleger, denen die bisherigen<br />

das Bargeld und die Ausstände zu übergeben hatten.<br />

Die Überschüsse wurden zum Nutzen der Bruderschaft<br />

angelegt. Die Pfleger oder Kerzenmeister sollten der Bruderschaft<br />

frumen vnnd nutzen schaffen und schaden (von ihr)<br />

wennden.<br />

Beim Eintritt in die Bruderschaft und jedes Jahr am Bruderschaftstag<br />

war von jedem Mitglied ein Beitrag (ain Behemisch)<br />

zu entrichten, um die Bruderschaft in ihrem Bestand<br />

zu sichern. Ehefrauen von Mitgliedern waren beitragsfrei.<br />

Von den jährlichen Beitragszahlungen befreite die einmalige<br />

Zahlung in Höhe eines Guldens (Böhmisch). Der Leibfall<br />

beim Tod eines Bruders und einer Schwester betrug drei<br />

Schilling Kreuzer.<br />

Wer am Bruderschaftstag wegen zu weiter Entfernung oder<br />

aus anderen Gründen nicht teilnehmen konnte, sollte dies den<br />

Pflegern melden und seinen Beitrag zahlen, als wäre er<br />

anwesend. Er sollte auch von sich aus an einer Meßfeier<br />

teilnehmen.<br />

Konnte jemand am Jahrtag seinen Beitrag nicht entrichten, so<br />

hatte er die Pfleger um Aufschub und um einen neuen Termin<br />

zu bitten. Die Beitragszahlung mußte aber vor dem neuen<br />

Bruderschaftstag erfolgen, sonst verfiel man der Strafe.<br />

Ebenso verfiel der Strafe von einem Schilling Heller, wer<br />

nicht zum Jahrtag erschien und dies den Pflegern nicht<br />

meldete oder um keinen späteren Zahlungstermin nachsuchte.<br />

Falls ein Bruder oder eine Schwester so weit fortzog, daß er<br />

die jährliche Abgabe nicht abliefern konnte, sollte er bzw. sie<br />

ihn mit einem halben Gulden ablösen; damit war man von<br />

ferneren Beitragszahlungen befreit. Den Leibfall mußte man<br />

aber entrichten.<br />

Die Beiträge und Strafen konnten von den Pflegern noch<br />

geistlichem und weltlichem Recht eingefordert werden. Wer<br />

drei Jahre lang seinen Beitrag (und die Strafe) nicht bezahlte,<br />

wurde am Bruderschaftstag von den Pflegern öffentlich<br />

bekanntgegeben und ausgeschlossen. Die verfallenen Beiträge<br />

und Strafen wurden aber eingetrieben.<br />

Die Statuten waren von Bischof Hugo von Hohenlandenberg<br />

genehmigt 3.<br />

Anlaß zur Gründung und zur Erneuerung<br />

Anlaß zur Gründung wie zur Erneuerung der Sebastiansbruderschaft<br />

in Hechingen waren Zeiten einer Pestepidemie.<br />

Eine solche Pestzeit darf vor dem Jahr 1513 angenommen<br />

werden 4.<br />

In den Pestjahren 1610 und 1611, in denen auch der neue<br />

Hechinger Pfarrer Magister Paulus Breinlin gleich zu Anfang

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