heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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zwecken dienen. Halten wir diesen allgemeinen Zweck des<br />
Turnvereins fest, so wird es von jedem wohlmeinenden<br />
Familienvater, von jeder Gemeinde, ja vom Staate selbst<br />
unterstützt und befördert werden.«<br />
Dieser Artikel wurde, wenn auch unbeabsichtigt, zum Nachruf<br />
auf die demokratische Sigmaringer Turngemeinde. Denn<br />
dem Verein gelang es nicht mehr, sich zu regenerieren.<br />
Nachdem nämlich Hohenzollern 1850 preußisch geworden<br />
war, löste die Preußische Regierung Sigmaringen noch im<br />
selben Jahr die Turngemeinde wegen »staatsgefährdender<br />
Umtriebe« auf. Die Vereinsfahne, die schon im Sommer bei<br />
einer Veranstaltung in Bingen nur knapp der staatlichen<br />
Konfiskation dadurch entgangen war, daß man sie beim<br />
Binger Engelwirt verstecken konnte, wurde auch diesmal<br />
gerettet: Der Vereins Vorsitzende, Malermeister Lütz, brachte<br />
sie unter dem Dachfirst seines Hauses in Sigmaringen in<br />
Sicherheit und hängte sie später als »Rouleau« getarnt an ein<br />
Fenster seiner Werkstatt.<br />
Im Jahr 1862 kam es jedoch zur Wiedergründung, die man<br />
vorsichtshalber freilich als Neugründung bezeichnete und<br />
deshalb auch die Jahreszahl 1848 auf der Vereinsfahne in 1862<br />
abänderte. Der Einladung zu einer Vorbesprechung über die<br />
Wiedergründung folgten 56 Männer, so daß die »Turngemeinde<br />
Sigmaringen« sich am 6. Juli 1862 wieder offiziell<br />
konstituieren konnte. Vorsitzender wurde der Oberamtsdiurnist<br />
Georg Stehle.<br />
Zwischen der Gründung der Turngemeinde Sigmaringen und<br />
dem Turnerbund von 1988 liegen nicht nur 140 Jahre,<br />
sondern auch grundlegend verschiedene Auffassungen von<br />
den Aufgaben des Vereins. Entstanden unter spezifischen<br />
politischen Vorzeichen, zeichneten sich die Anfänge der<br />
Turngemeinde durch eine Verquickung von sachbezogenen<br />
und politischen Zielen aus, die heutigen Vereinen ganz<br />
generell fremd geworden sind.<br />
Anmerkungen<br />
' »Der Erzähler« Nr.52, 30.Juni 1848, S.220.<br />
2 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 55, 11. Juli 1848, Beilage S.234.<br />
HANS PETER MÜLLER<br />
Der Fürstliche Kameralhof in Dettensee<br />
Das Jahr 1843 markiert sicherlich einen bedeutsamen Einschnitt<br />
in der langen und wechselhaften Geschichte des<br />
Dorfes Dettensee, denn damals fand ein Stück feudaler<br />
Vergangenheit sein endgültiges Ende. In zwei Kaufverträgen<br />
trat der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen die noch übriggebliebenen<br />
Schloßgebäude samt den dazugehörigen Gütern<br />
mit Ausnahme der Waldungen an die Gemeinde bzw. Bürgerschaft<br />
ab, was er sich mit 86000 Gulden vergelten ließ.<br />
Dettensee war erst durch den Reichsdeputationshauptschluß<br />
von 1803 als Bestandteil der dem Stift Muri gehörigen<br />
Herrschaft Glatt an Hohenzollern gekommen. Als am 3. September<br />
1803 in Glatt die Huldigung für den neuen Herrn<br />
stattfand, waren bei diesem feierlichen Akt 46 Bürger und 16<br />
ledige Burschen von Dettensee anwesend. Neben den diver-<br />
44<br />
3 Bericht des Oberamts Sigmaringen über die hier bestehenden<br />
politischen Vereine vom 17. Oktober 1848 (Staatsarchiv Sigmaringen,<br />
Geheime Konferenz Hohenzollern-Sigmaringen, Neuverzeichnete<br />
Akten II 6809).<br />
4 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 30, 13. April 1849, S. 120.<br />
5 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 71, 5. September 1848,<br />
S. 214-215.<br />
6 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 75, 19. September 1848, S.234.<br />
7 »Der Volksfreund aus Hohenzollern« Nr. 60, 19. September<br />
1848, S. 326.<br />
8 Gemeint ist vermutlich das Heckerlied der Studenten: »Wenn die<br />
Roten fragen, lebt der Hecker noch, sollt ihr ihnen sagen, ja, er lebet<br />
noch. Er hängt an keinem Baume, er hängt an keinem Strick,<br />
sondern an dem Traume der roten Republik.«<br />
9 Französischer Staatsmann, dessen ablehnende Haltung gegenüber<br />
einer Wahlreform zur Februarrevolution 1848 führte.<br />
10 Der französische sogenannte Bürgerkönig, der sich vom liberalen<br />
zum absolutistischen und reaktionären Herrscher wandelte und<br />
bei der Februarrevolution 1848 abdankte und floh.<br />
11 Eberhard Gönner: Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen<br />
Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen (Arbeiten<br />
zur Landeskunde Hohenzollerns 2) 1952, S. 134—135.<br />
12 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 58, 21. Juli 1848, S.247.<br />
13 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 83, 13. Oktober 1848, S.268.<br />
14 Bericht des Oberamts Sigmaringen über die hier bestehenden<br />
politischen Vereine vom 17. Oktober 1848 (Staatsarchiv Sigmaringen,<br />
Geheime Konferenz Hohenzollern-Sigmaringen, Neuverzeichnete<br />
Akten II 6809).<br />
15 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 88, 31. Oktober 1848, S.290.<br />
16 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 17, 27. Februar 1849, S. 68, und<br />
Nr. 18, 2. März 1849, S. 72.<br />
17 Gönner (wie Anmerkung 11) S. 160.<br />
18 »Der Sigmaringer Erzähler« Nr. 20, 9. März 1849, S. 80, und<br />
Nr. 30, 13. April 1849, S. 120.<br />
19 »Der Hochwächter. Organ der Demokratie« Nr. 23, 19. März<br />
1850, S. 91.<br />
Literatur:<br />
Eberhard Gönner: Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen<br />
Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen (Arbeiten zur<br />
Landeskunde Hohenzollerns 2) 1952.<br />
Gerhard Kramer: Geschichte des Turnerbundes 1848 e.V. Sigmaringen<br />
(maschinenschriftliches Manuskript) 1988.<br />
sen obrigkeitlichen und grundherrschaftlichen Rechten fiel<br />
dem Fürsten v.a. der beträchtliche Herrschaftsbesitz zu, der<br />
aus dem Schloß und den dazugehörigen Feldern und Waldungen<br />
bestand. Nach der »Statistischen Übersicht des Fürstenthums<br />
Hohenzollern-Sigmaringen« von 1836 betrug der<br />
herrschaftliche Eigenbesitz in Dettensee nicht weniger als 473<br />
Morgen, was mehr als 40 Prozent der nur 1109 Morgen<br />
großen Markung ausmachte. Auch wenn davon über die<br />
Hälfte auf Waldungen entfiel, so war doch ein bedeutender<br />
Teil der Anbaufläche der Nutzung durch die Bevölkerung<br />
entzogen, die zudem noch Frondienste für das Schloß leisten<br />
mußte.<br />
Wie Pfarrer Johler in seiner 1824 veröffentlichten hohenzollerischen<br />
Landeskunde schreibt, wurde das Dettenseer