heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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zurück, so daß sie im Frühjahr 1849 praktisch keine Bedeutung<br />
mehr hatten. Mit ihnen verlor auch der Sigmaringer<br />
Vaterländische Verein seine beherrschende Rolle. Nicht<br />
erstaunlich ist, daß auch die Turner wegen ihrer dezidiert<br />
demokratisch-republikanischen Haltung mancherlei Anfeindungen<br />
bis hin zu staatlicher Verfolgung ausgesetzt waren.<br />
Beispielsweise wurden im Juli die Teilnehmer an der Fahnenweihe<br />
des Buchauer Turnvereins von bayerischen Soldaten<br />
mit Waffen angegriffen und dabei auch einige Turner aus<br />
Sigmaringen verwundet 12. Sofort nach der militärischen<br />
Besetzung im Oktober 1848 wurden verschiedene Demokraten<br />
und darunter auch der Sigmaringer Turner Gauggel<br />
verhaftet 13. Gleichzeitig mußte die bis dahin auf dem Turnplatz<br />
aufgestellte »blutrote« Fahne des Vereins, wie der<br />
Sigmaringer Oberamtmann sie bezeichnete, entfernt werden<br />
14. Als Turnwart Parmenio Fatio im Oktober nach Amerika<br />
abreiste, wurden in der Öffentlichkeit politische Beweggründe<br />
und eine bevorstehende Verhaftung wegen republikanischer<br />
Umtriebe vermutet 15. Zudem wurde er verleumdet,<br />
unbezahlte Schulden hinterlassen und die Turnvereinskasse<br />
veruntreut zu haben. Über weitere Vorfälle berichtete die<br />
Zeitung »Der Erzähler« im Februar 1849 in unüberhörbar<br />
sarkastischem Ton 16: »17 Turner ziehen zu einer Hochzeit,<br />
da die Braut eine Turnschwester ist; die Turner sind mit<br />
Hirschfängern bewaffnet, und einige sogenannte konstitutionelle<br />
Vereinigungsmänner, welche diese jungen Leute längst<br />
für Mörder, Kommunisten und derlei halten, bitten einen<br />
Landjäger, ja die Polizeibehörde von diesem revolutionären<br />
aufreizenden Treiben in Kenntnis zu setzen. Dies geschieht.<br />
Die Behörde aber schüttelt den Kopf, denn sie hat das<br />
Volksbewaffnungsgesetz in der Hand, wo es heißt: ...Das<br />
Recht, Waffen zu tragen, ist anerkannt und unterliegt nur<br />
gesetzlichen Beschränkungen, und: ... Ebenso ist verboten,<br />
Schießwaffen in Wirtshäusern mitzuführen. Bekanntlich sind<br />
aber Hirschfänger keine Schießwaffen. Jetzt war guter Rat<br />
teuer. Da fällt ihr auf einmal §29 der Grundrechte ein,<br />
welcher lautet: Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich<br />
und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubnis<br />
bedarf es nicht. Frage: Ist der Besuch einer Hochzeit der einer<br />
Versammlung? Jawohl, also das Bürgermeisteramt beauftragt,<br />
den Turnern zu verbieten, im Tanzsaale Waffen zu<br />
tragen. Der Befehl trifft die Turner, aber keine Waffen im<br />
Tanzsaale, denn diese waren zwar nicht wegen §29 der<br />
Grundrechte, dagegen aus Anstandsrücksichten abgelegt<br />
worden, was sofort der Polizei angezeigt wird, die sich auf<br />
dem Absatz dreht und hinter dem Ohr kratzt.« Zwei Soldaten,<br />
die sich auf Urlaub befanden und in Turnerkleidung an<br />
derselben Hochzeit teilnahmen, wurden wegen ihrer Turnjacken<br />
von Offizieren beschimpft und mit 2 Tagen militärischem<br />
Arrest belegt.<br />
Im Mai 1849 wurde Deutschland noch einmal von einer<br />
allgemeinen Begeisterung für die nationale Einheit und die<br />
Durchsetzung der von der Nationalversammlung beschlossenen<br />
Reichsverfassung ergriffen. Hierbei lebte auch die Sigmaringer<br />
Revolutionsbegeisterung erneut auf, allerdings zum<br />
letzten Mal. Zum Aufstand kam es hier jedoch nicht. Bezeichnend<br />
war die Haltung der Sigmaringer Turner 17. Von einem<br />
Reichstagsabgeordneten namens Schmitt aus Löwenberg aufgerufen,<br />
sich bewaffnet an der badischen Erhebung zu beteiligen,<br />
sagten nur 7 Turner spontan zu; alle übrigen baten um<br />
Bedenkzeit. Vollends verebbte die Sigmaringer Revolution,<br />
nachdem preußische Truppen den badischen Aufstand niedergeschlagen<br />
hatten. Ihr endgültiges Ende aber fand sie, als<br />
Anfang August 1849 preußisches Militär auch Hohenzollern<br />
besetzte, um den Anschluß der beiden Fürstentümer an<br />
Preußen vorzubereiten.<br />
Mit dem Niedergang der Revolution schwand auch die<br />
anfänglich große Anziehungskraft der Turngemeinde Sigma-<br />
ringen dahin. Zwar schloß sich ihr der zu Beginn des Jahres<br />
1849 in Bingen gegründete Turnverein vorübergehend an.<br />
Dagegen konnte sie nicht verhindern, daß sich am 5. März<br />
1849 ein zweiter Turnverein unter dem Namen »Neue Turngemeinde<br />
Sigmaringen« als Konkurrenzverein konstituierte<br />
18. Diese betonte zwar, keiner politischen Richtung<br />
anzugehören und deshalb jedermann offenzustehen, tatsächlich<br />
aber hing sie den konstitutionell-monarchischen Vorstellungen<br />
an. Die jüngere Turngemeinde führte die Vereinsfarben<br />
Rot und Blau, die ältere Turngemeinde die Farben Rot<br />
und Gelb. Fortan nannte man den demokratischen Turnverein<br />
die »Roten«, den konstitutionellen die »Blauen«.<br />
Die Gründe für den Verfall der Sigmaringer Turngemeinde<br />
analysierte die demokratische Zeitung »Der Hochwächter«,<br />
Nachfolgeblatt des »Erzählers«, in einem umfänglicheren<br />
Artikel vom März 1850 folgendermaßen 19: »Der im Jahr 1848<br />
dahier gegründete Turnverein erweckte durch die anfängliche<br />
große Teilnahme junger und bejahrterer Männer die schönsten<br />
Hoffnungen auf ein kräftiges Gedeihen des diesseitigen<br />
Turnwesens. Nach einem Verlaufe von zwei Jahren ist an die<br />
Stelle dieser anfänglichen allgemeinen Teilnahme eine gänzliche<br />
Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit getreten, in<br />
Folge dessen der Verein auf ein kleines Häuflein Getreuer<br />
heruntergesunken ist. Der Grund des Verfalls des hiesigen<br />
Turnwesens liegt unseres Erachtens teils in den innern, teils in<br />
den äußern Verhältnissen des Vereins. Einmal war der Verein<br />
ein Kind politisch aufgeregter Zeiten, und die notwendige<br />
Folge war, daß er in Zeiten politischer Abgespanntheit und<br />
Erschlaffung an seiner anfänglichen Kraft verlor. So geschah<br />
es auch wirklich. Die Ungunst der öffentlichen Verhältnisse<br />
Deutschlands und die lange, ununterbrochene Besetzung des<br />
Landes durch fremde Truppen waren hauptsächlich die Ursachen<br />
der Schwächung des Vereins. Dazu kamen noch die in<br />
dem Verein selber entstandenen Zwistigkeiten und Uneinigkeiten,<br />
welche in Folge der an die Spitze des Vereins gestellten<br />
demokratischen Tendenz hervorgerufen wurden. Die Turnerei<br />
ist ein Teil der Volkserziehung, und darum soll sie auch die<br />
Bildung der Jugend für ihre spätere bürgerliche und öffentliche<br />
Stellung in sich schließen. Allein dessen ungeachtet halten<br />
wir es für einen Mißgriff, wenn man die Turnvereine zu<br />
politischen Parteivereinen macht. Den schlagendsten Beweis<br />
hierfür liefert die mit unserem Verein gemachte Erfahrung.<br />
Wollen wir die diesseitige Turnerei neu aufblühen sehen, so<br />
müssen wir zu dem wahren Zweck derselben zurückkehren.<br />
Dieser aber besteht in der Heranbildung geistig und leiblich<br />
kräftiger Männer, welche neben Entwicklung und Kräftigung<br />
körperlicher Anlagen einen wackern deutschpatriotischen<br />
Sinn und Reinheit der Sitten zu erstreben und zu verbreiten<br />
bemüht sein sollen. Wir sind also weit entfernt davon, daß wir<br />
die Besprechungen und Meinungsäußerungen über bürgerliche<br />
und öffentliche Angelegenheiten aus dem Kreise der<br />
Jünglinge von 18 und mehr Jahren verbannt wissen wollen.<br />
Bürgersinn und Vaterlandsliebe sind die Tugenden, welche<br />
nach unserer Ansicht durch die Turnvereine gepflanzt und<br />
verbreitet werden sollen. Stellen wir den politischen Zweck<br />
der Turngemeinde so allgemein hin, so werden wir durch<br />
keine Polizeimaßregeln in unserm Streben gehindert werden;<br />
desgleichen wird jedermann die Teilnahme an den Turnvereinen<br />
möglich gemacht sein. Wir dürfen auch nicht befürchten,<br />
daß wir deswegen weniger Turner von demokratischer<br />
Gesinnung haben werden; indem die Jugend Deutschlands<br />
von diesem Prinzipe bereits vollkommen durchdrungen ist,<br />
wenn sie auch bisweilen aus was immer für Gründen gehindert<br />
ist, ihre Ansichten offen zu bekennen. Lassen wir also<br />
davon ab, die Turnvereine zu politischen Parteivereinen zu<br />
stempeln, weil wir es ohne Gefahr für das demokratische<br />
Prinzip tun können. Der Turnverein soll zum Teil der<br />
Volkserziehung und darum nicht zunächst politischen Partei-<br />
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