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heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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WOLFGANG HERMANN<br />

Reinhart von Neuneck Ein adeliges »Dienerleben« der deutschen Renaissance - Schluß<br />

Am 16. April brach der Abt von Tecking nach Ulm auf, um<br />

am Rat des Bundes, in den er als erwählter Prälat gehörte,<br />

teilzunehmen 120. Seinen Amtleuten schärfte er ein, »...wo<br />

dise reuter mer körnen mit sollichem häufen und begerten<br />

nachtsöld, solten sys mit gutem beschaid und gutlich abweysen,<br />

sonder (= besonders weil) daß sy vor genug hetten thon,<br />

so vil pferd und leut so lang umsunst speysen, die weil sy doch<br />

all von gemaynen pund iren sold hetten...« 121. Reinhart von<br />

Neuneck betrachtete das Kloster weiterhin als eine Art<br />

Stützpunkt, von dem aus er Strafzüge ins Land unternahm.<br />

Man muß das aus der nachfolgenden Notiz Knebels entnehmen,<br />

der so fortfährt: »... Also onlang danach (16. April) kam<br />

Neinegker mit seinem häufen vir daß closter, begeret aber<br />

nachtsolt, suchten also ursach wider daß gozshauß, wurd im<br />

nach befelch des abbts geantwurt...« 122. Reinhart erhielt zur<br />

Antwort, daß er und seine adeligen Offiziere aufgenommen<br />

werden könnten, das andere Volk könnten sie nicht mit dem<br />

Nötigen versehen. Der Ritter drohte daraufhin dem Prior<br />

und dem Konvent mit den Worten: »So will ich bald kumen,<br />

daß ir noch ungerner secht und muest mich einlassen, und will<br />

auf sollichs vir mich und die meinen mein und ir err bewart<br />

haben, schaut auf!« 123. Der Convent benachrichtigte den<br />

Abt, der die übrigen Räte auf der Tagung informierte. Die<br />

Mönche selbst erlangten von der Stadt Donauwörth die<br />

Zusage, sie in ihren Schutz aufzunehmen. Am 5. Mai entfloh<br />

während der Nacht ein großer Teil des Convents, und ein<br />

kleiner Teil war mit den Mutigsten zur Beobachtung zurückgelassen<br />

worden. Ob Reinhart ins Kloster jetzt eindrang, ist<br />

nicht bekannt, denn die Schilderung des Chronisten bezeichnet<br />

erst wieder den 23. Mai 1525 als den Tag, an dem Reinhart<br />

von Neuneck erneut vor dem Kloster lag.<br />

Auf die Nachricht von der Niederlage der Bauern, bei Ostheim<br />

am 8. Mai gedachten die Conventualen, von Donauwörth<br />

zurückzukehren, da die Lage nun ruhig wäre. Sie<br />

wählten der Sicherheit halber den 21. Mai für ihren Heimzug<br />

aus. Just zwei Tage danach stand Reinhart von Neuneck<br />

wieder vor den Toren. Diesmal hätte er 160 Reiter und 600<br />

Fußknechte besessen. Mit sich führte er Geschütz und Leitern,<br />

was darauf schließen ließ, daß Reinhart bereit war, seine<br />

frühere Drohung wahrzumachen. Er verlangte also am<br />

23. Mai die Öffnung des Klosters für seine Leute, was ihm<br />

nach einiger Zeit und Verhandlungen gewährt wurde.<br />

Danach wollte der Neunecker »sy sichern an leib und gut,<br />

und wo ains heilers wert wurd genomen, so solt es widerlegt<br />

werden...« und dem Convent seine Achtung erweisen,<br />

»... daß er selb vor bapst, konig, pund und aller erberkait wol<br />

verantwurten (künde)« 124.<br />

Man zog also in Freuden durchs Klostertor ein. Die Fußknechte<br />

Reinharts taten jedoch nichts eiliger, als die Weinfässer<br />

zu leeren, so daß der Chronist weiter feststellen mußte:<br />

»...den wein mit kübeln herauß genomen, in allen dingen,<br />

wie die seu (= Säue) gelebt« 125. Der Streit, der daraufhin mit<br />

dem Konvent entstand, enthüllte die Meinung des Kriegers<br />

Reinhart ganz deutlich. Anstatt das Vorgehen seines Fußvolks<br />

zu ahnden, machte er dem Kloster Vorwürfe. Man hätte<br />

ihn und die Leute Anfang des Monats nicht aufgenommen,<br />

jetzt jedoch hätten er und die Söldner weit mehr zur Verköstigung<br />

nötig. Als Hauptmann verlangte er weiterhin, daß der<br />

Verhandlungsführer des Klosters als »Abt« sowie die Amtsleute<br />

des Klosters »ihm da, anstatt seiner fürstlichen gnaden<br />

schweren, alle gehorsam, wie bey herzog Jorgen (Georg von<br />

Bayern-Landshut, 11504) seilig wär gewest...« 126. Man<br />

begeht wohl keinen Fehler zu sagen, daß Reinhart damit seine<br />

Kompetenzen überschritt, indem er mit der verlangten Eidesleistung<br />

landeshoheitliche Fragen berührte. Denkbar wäre<br />

24<br />

auch, daß Reinhart meinte, auf diese Weise seinen bayerischneuburgischen<br />

Herren einen Dienst zu tun.<br />

Da sich der Abt immer noch in Ulm befand, lastete auf dem<br />

Prior und dem Convent eine große Verantwortung. Würde<br />

sich das Kloster den Forderungen Reinharts nicht beugen, so<br />

zöge jener aus den Mauern des Klosters, um anschließend<br />

dessen Vorwerk zu besetzen. Reinhart gestattete dem Convent<br />

eine knappe Beratungszeit, und die Mönche schickten<br />

dann nach Ulm zum Abt, der sofort die Angelegenheit dem<br />

Schwäbischen Bund zutrug. Inzwischen nahm der Kaisheimer<br />

Prior das Ultimatum an. Reinhart meinte sogar, sein<br />

Vorhaben verantworten zu können: »...so waiß ich sollichs<br />

verantwurten vor dem bapst, wie wol vor Zeiten, so hette<br />

ainer müssen den bann furchten, der euch, ir die gaistlich<br />

haißend, uberfallen hett, aber iz ists ain anders, item auch vor<br />

kaiserlicher mayestat, auch vor den stönden des punts und<br />

aller erbarkayt...« 127.<br />

Die im Bund versammelten Fürsten ließen den Abt dann<br />

sagen, daß Reinhart von Neuneck ohne ihren Auftrag solchermaßen<br />

gegen das Kloster gehandelt hätte. Der Ritter, der<br />

danach vor die Fürsten gerufen wurde, ward den Worten<br />

Knebels nach »schlechtlich verantwurt« 128. Das Ergebnis der<br />

Unterhandlung war, daß die Fürsten Reinharts Handlungen<br />

wegen der Zeiten des Kriegs akzeptierten, das Kloster jedoch<br />

von dem Eid und der Dienstbarkeif lösten, die ihm der<br />

Neunecker aufgezwungen hatte 129.<br />

Kann man Reinharts militärisches Verhalten erklären? Es<br />

scheint, daß er zunächst mit unzulänglicher Kraft den Bauern<br />

gegenüber gestanden hatte, wenn man die vom Chronisten<br />

Kessler überlieferte Anzahl an Streitern im Bauernhaufen des<br />

Ries annimmt. Daher wäre der (unerklärte?) Waffenstillstand<br />

des Neuneckers mit den Bauern vor Kaisheim verständlich.<br />

Von den Klöstern hielt Reinhart nicht viel, und ihr Reichtum<br />

galt ihm unverdient. Den Schwur, den er abverlangte, sollte<br />

dazu dienen, die Versorgung seiner Reiterei und seines<br />

Fußvolks zu garantieren. Es war eine Maßnahme, die er vor<br />

Ort ohne Absprache mit den Herren getroffen hatte. Ein<br />

Vorgehen, das diese auch im voraus nicht gebilligt hätten<br />

— kurz, Reinharts militärische Logik war nicht mit dem<br />

politischen Denken der Bundesfürsten in Einklang zu<br />

bringen.<br />

Ein Beispiel für die zeitweilige Abwesenheit Reinharts vom<br />

Kampfplatz vor dem Kloster Kaisheim war die nur kurze Zeit<br />

dauernde Befreiungsaktion des Stiftes Ellwangen.<br />

Der Haufe von Ellwangen und Dinkelsbühl sollte endlich<br />

niedergeworfen werden (siehe oben), und Reinhart von<br />

Neuneck erhielt am 15. Mai den Auftrag, das Unternehmen<br />

zu leiten. Mit einer Reiterschar von etwa 300 Reisigen und<br />

einer gleichen Anzahl Fußvolk erreichte er die schwach<br />

besetzte Stadt Ellwangen 13°. Dort war der Neunecker seinem<br />

Bericht an den Schwäbischen Bund vom 18. Mai zufolge auf<br />

400 Bauern und 80 Kriegsknechte gestoßen. Diese hatten in<br />

den vorausgegangenen Gefechten von Ostheim und Böblingen<br />

den Mut verloren 131. Um die Stadtbesatzung Ellwangens<br />

herauszulocken, ließ Reinhart drei Dörfer in Brand stekken<br />

132. Bürger und Bauern eilten daraufhin aus der Stadt,<br />

gerieten aber ins Feuer der anrückenden bündischen Reisigen.<br />

Es gelang den Aufständischen die Stadt wieder zu<br />

erreichen. Der Stadtvogt Eberhard von Gemmingen war<br />

bereit, mit diesem über die Ubergabe Ellwangens zu unterhandeln.<br />

Die Übergabe der Stadt wurde bewilligt und der<br />

Bürgerschaft, den Bauern und Kriegsknechten die Erhaltung<br />

von Leib und Leben zugesichert. Unter den gefangenen<br />

Bauernräten und Geistlichen befanden sich auch der Chor-

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