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heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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en, nicht aus der Ruhe und auch nicht vom Biertisch<br />

wegzubringen.<br />

Der Bärenwirt, bei dem die Tischlesrücker stets zusammenkamen<br />

und der selbst im stillen über die alberne Geisterseherei<br />

lachte, wollte keinen Streit aufkommen lassen, blinzelte<br />

dem Katzamanges heimlich zu und fragte dann den schwarzen<br />

Kasper, ob jetzt in seinem Hause Ruhe eingekehrt sei.<br />

Der Gefragte verneinte, es sei nachts immer noch so unruhig<br />

auf der Bühne. Er und seine Frau würden hin und wieder<br />

durch ein polterndes Geräusch aus dem Schlafe geschreckt,<br />

das oben im Haus von der Schütte auszugehen scheine und<br />

sich anhöre, als ob jemand Kegel umwerfe. Das Rollen der<br />

Kugel wäre ganz deutlich zu hören. Man hätte herausgebracht,<br />

daß der verstorbene frühere Besitzer des Hauses im<br />

Leben ein leidenschaftlicher Kegler gewesen sei. Einmal wäre<br />

Streit unter den Kegelbrüdern entstanden, und da hätte ihm<br />

sein Gegner eine Kegelkugel an den Kopf geworfen. Die<br />

Folge sei ein Schädelbruch gewesen, der später den Tod<br />

herbeigeführt habe. Jetzt müsse er »goistweis« gehen, zur<br />

Strafe für seine Leidenschaft.<br />

Katzamanges blies große Dampfwolken aus seiner Porzellanpfeife,<br />

kniff nach seiner Weise das linke Auge ein und<br />

meinte dann trocken: »Ih glaub ällaweil dees sind Katza, dia<br />

Siacha keglet ällemol bei Naacht, wenns uff Weihnächte<br />

zuagoht. Wer wött suscht keglet hau?«<br />

Aber da kam er bös an. Baatle sagte ihm unverfroren seine<br />

Meinung ins Gesicht, es war kein Wörtlein Französisch<br />

darunter, nämlich, daß er ihn, den Katzamanges, für einen<br />

ausgesprochenen Esel und Schafskopf halte und daß man<br />

nicht den mindesten Wert auf seine Gesellschaft lege. Im<br />

übrigen scheine er als »Rälling« (Kater) sehr genau zu wissen,<br />

wann die Katzen Kegelabend hätten, es wäre Zeit für ihn, sich<br />

dorthin zu verfügen. Damit spielte er auf etwas anderes an.<br />

Seine Freunde quittierten mit schallendem Gelächter und<br />

geräuschvoller Zustimmung, so daß Katzamanges endgültig<br />

zugedeckt wurde. Diesem schien das nun doch zu starker<br />

Tabak zu sein, er trank sein Glas aus, holte seine Pelzkappe<br />

vom Nagel, wechselte noch einen vielsagenden Blick mit dem<br />

verschmitzten Bärenwirt und ward nicht mehr gesehen.<br />

Allgemeines Aufatmen der Tischlesrücker; man war angenehm<br />

überrascht, daß der Rälling so schnell das Feld geräumt<br />

hatte, solches war man von ihm sonst nicht gewöhnt. Jetzt<br />

konnte man ungestört und unberufen ans Werk gehen.<br />

Der Wirt wurde aufgefordert, die Requisiten der Geisterherbeischaffung,<br />

nämlich ein kleines wackeliges Tischlein sowie<br />

ein Zifferblatt mit leicht beweglichem Zeiger, aus dem<br />

Nebenzimmer zu holen. Dann mußten die Fensterläden<br />

geschlossen werden. Die zwölfte Stunde war unterdessen<br />

näher gerückt. Zitterenes machte sich fertig zum Geisterbeschwören.<br />

Seine Anhänger mußten sich um das runde Tischlein<br />

setzen und die Hände an den Rand der Platte legen. Der<br />

Wirt schraubte während dieser Vorbereitungen das Licht<br />

herunter und sagte dann, er wolle nicht dabei sein, er nicht, es<br />

rege ihn immer so auf. Er wolle unterdessen in den Stall gehen<br />

und nachsehen, was die Kuh mache, die schon seit einigen<br />

Tagen das Kalb bringen solle. »Hoffentlich ist's kein Ochs«,<br />

rief ihm Baatle nach. Vom nahen Kirchturm schlug die Uhr<br />

zwölf. Der Geisterbeschwörer Zitterenes gab die letzten<br />

Instruktionen. Krampfhaft spannten sich die Finger um den<br />

Plattenrand, fingen an zu zucken, ruckweise bewegte sich das<br />

Tischlein, der Zeiger auf dem Zifferblatt bekam plötzlich<br />

Leben, glitt gespenstisch von einer Ziffer zur anderen, übersprang<br />

zum zweiten Mal die 9, und als er wieder in deren<br />

Nähe kam, fuhren die Hände wie elektrisiert zurück. Der<br />

Zeiger hielt auf der 9.<br />

Auf sprang Zitterenes, stellte sich in die Mitte der Stube,<br />

machte mit den Händen beschwörende Zeichen und rief mit<br />

dünner, kläglicher Stimme, indes die anderen schweißgebadet<br />

der kommenden Dinge harrten: »Geist des Hunnenkönigs,<br />

ich banne Dich! Weile!« Boinerkarle fing an, das Knieschlottern<br />

zu bekommen und mit den Zähnen zu klappern. Und<br />

wirklich, es geschah das Unerhörte, das auch den kältesten<br />

Teilnehmern das Mark in den Knochen gefrieren ließ: Der<br />

Geist meldete sich.<br />

Engel und Boten Gottes steht uns bei! Von irgendwoher, es<br />

war schwer zu lokalisieren, vermutlich aber aus der Gegend<br />

des im Finsteren liegenden Herrenzimmers kam eine hohle<br />

Grabesstimme, heiser, wie aus weiter Ferne: »Wer bannt<br />

mich?« Zitterenes rief, indem er sich an der Mittelsäule<br />

festhielt: »Ich beschwöre dich, sage mir, wo du begraben<br />

liegst!« Die Stimme gurgelte: »Auf dem Dachsberg zwischen<br />

Wilsingen und Juchzenhausen!« Zitterenes: »Woraus deine<br />

Särge?« Die Stimme: »Aus Gold der erste, aus Silber der<br />

zweite, aus Kupfer der dritte. Laß mich!« Es folgte ein tiefer,<br />

mark- und beindurchdringender Seufzer, dann war alles<br />

totenstill. Sichtlich erleichtert rief Zitterenes: »Ich verbanne<br />

dich! Schwinde, Schwinde! Schwinde!« Dann fuchtelte er mit<br />

den Armen nach allen Himmelsrichtungen, die Augen rollend<br />

wie ein echter Hexenmeister. Seine Freunde aber saßen<br />

da, wie es im Liede heißt, mit schlotternden Knien und<br />

totenblaß. Keiner wagte sich zu rühren. Wie angeleimt saßen<br />

sie an ihrem Wackeltischchen.<br />

Da fuhren sie plötzlich zusammen, aufschreckend, die Türe<br />

hatte sich geöffnet. Bald löste sich der Zauber, denn herein<br />

trat der Bärenwirt. »So ist es schau feetig?« fragt er obenhin<br />

und schraubte das Licht höher, »hott-se eabbes verzoigt?«<br />

Baatle erwiderte: »Herrgott nei, man sotts et glauba, aber der<br />

Zitterenes versteht sich uff d'Goist, seall ist schau feetig.« Der<br />

lange Kasper aber meinte: »Jetzt brauchet mir nix maih<br />

z'schaffet mir sind alle reiche Kerle.« Der Bärenwirt tat sehr<br />

erstaunt: »Ja saget ist der Goist komma?« Zitterenes klärte<br />

ihn auf, alles sei eingetroffen wie erwartet. Auf dem Dachsberg<br />

liege der Hunnenkönig begraben, da beiße keine Maus<br />

den Faden ab. Das Gold liege gleichsam haufenweise auf der<br />

Straße, sie brauchten es nur aufzuheben. Aber er dürfe ja um<br />

Gottes willen nichts verlauten lassen, er bekomme auch<br />

seinen Teil davon. Morgen nacht zwischen zwölf und eins<br />

gingen sie hinaus auf den Dachsberg, um den Grabhügel auf<br />

der Kuppe aufzuräumen.<br />

Der Bärenwirt tat maßlos erstaunt. Aber so etwas habe er<br />

denn doch nicht für möglich gehalten. Sie seien aber Malefizkerle.<br />

Boinerkarle, der sich von dem ausgestandenen Schrekken<br />

wieder einigermaßen erholt hatte, warf dann ein, ob man<br />

das Graben nicht ebensogut bei Tag machen könnte. Zitterenes<br />

winkte aber ab und Baatle gab auf seine grobklotzige Art<br />

die Belehrung, das müsse ganz heimlich und in der Stille<br />

geschehen, sie müßten sonst die Schätze abgeben; in Sigmaringen<br />

seien sie sowieso den Schatzgräbern nicht hold. Das<br />

hätte, meinte Baatle, dem Boinerkarle der Unverstand sogar<br />

eingeben müssen, geschweige denn der Verstand. Er werde<br />

wohl Angst haben, dann könne er ja zu hause bleiben bei<br />

seinem Bäbale.<br />

Boinerkarle sagte, Angst habe er, wie er glaube, keine.<br />

Es wurde dann beschlossen, jeder solle morgen nacht mit<br />

Hacke und Schaufel bewaffnet zur bestimmten Stunde am<br />

Dachsberg antreten.<br />

Pfannajockel mahnte zum Aufbruch:<br />

»Ausere Weiber haud heut au wieder lange Zähn kriagt. Die<br />

mei wead au anfanga schlofa. Suscht geits wieder a Dunderweatter.<br />

Noch ist der Deufel laus und et bloß der Hunnakönig.«<br />

Die Tischlesrücker verdrückten sich, teilweise profitlich die<br />

Hände reibend, und der Bärenwirt rief ihnen noch nach, sie<br />

sollten nur keine Angst haben, dann werde alles gut gehen.<br />

Dann drehte er schmunzelnd das Licht aus.<br />

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