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heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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schwierig zu beurteilen, da zumeist nur parteiische Berichte<br />

über seine Tätigkeit vorliegen. Es ist auffällig, daß gerade für<br />

die Jahre 1660 bis 1681 die Kapitelprotokolle fehlen-schon<br />

um 1740 wurde deren Verlust beklagt -, wichtige Jahre für die<br />

Entwicklung von Beuron.<br />

Er stellte zunächst die für die Wirtschaftsführung des Stiftes<br />

wichtigen Gebäude wieder her. In Beuron ließ er die Mühle<br />

erneuern, das Gasthaus, die Pfisterei, das Senn- und Schafhaus<br />

neu bauen. Sechs neue Zehntscheunen gab er für 1500 fl<br />

in Worndorf, Buchheim, Leibertingen, Bubsheim, Bärenthal<br />

und Mengen in Auftrag. Insgesamt investierte er mehr als<br />

7000 fl in Wirtschaftsgebäude, Pfarrhäuser und Kirchen in<br />

seiner Amtszeit. Dennoch kennzeichnete Sigismund selbst im<br />

Jahr 1681 gegenüber dem Abt von Kreuzlingen den Zustand<br />

des Stifts mit den Worten, Beuron gleiche mehr einer verlassenen<br />

Glashütte als einem Stift regulierter Chorherren.<br />

Auch für ihn erwiesen sich die hohen Kapitalschulden als<br />

unüberwindbares Problem. Vor allem der Bischof von Konstanz,<br />

bei dem das Stift 2000 fl Schulden hatte, und der Abt<br />

von Kreuzlingen erwiesen sich als harte Gläubiger, die auf<br />

Rückzahlung der Kapitalien bestanden. Auf deren Drängen<br />

hin verkaufte Propst Sigismund schließlich alle zur Schaffnerei<br />

Freiburg i.Br. gehörenden Besitzungen, Rechte und Einkünfte<br />

an den fürstenbergischen Rat Dr. Fischer, bei dem<br />

Beuron ebenfalls hoch verschuldet war. Er zahlte dem Stift<br />

8256 fl in bar, verzichtete auf zahlreiche Forderungen und gab<br />

die ihm verpfändeten Höfe in Thalheim und Leibertingen<br />

zurück. Ein Teil des Konvents warf dem Propst vor, er habe<br />

die Schaffnerei unter Wert verkauft. Darüber kam es zu einem<br />

unüberbrückbaren Zerwürfnis innerhalb des Konvents, das<br />

schließlich zur Absetzung des Propstes führte.<br />

Sein 1682 gewählter Nachfolger Propst, ab 1687 Abt Georg<br />

Kurz (t 18. Mai 1704) setzte sein Werk fort. Er war ein<br />

geschickter Wirtschafter, der stark unternehmerisch eingestellt<br />

war. So schloß er z.B. 1701 einen Vertrag mit dem<br />

Oberamt Nellenburg, um für das neue Eisenwerk in Bärenthal<br />

50000 Stämme im Wert von 5000 fl zu liefern, oder<br />

verkaufte Liegenschaften zu hohen Preisen. Er entschuldete<br />

das Stift, forderte entfremdete Rechte zurück. Schließlich<br />

hatte er die Abtei so weit saniert, daß er ab 1694 die Konventsund<br />

Wirtschaftsgebäude von Grund auf neu bauen konnte.<br />

Daher wurde er wegen seines geistlichen wie hervorragenden<br />

weltlichen Wirkens als zweiter Gründer, als »alter quasi<br />

fundator« bezeichnet.<br />

Ungelöste Fragen:<br />

Vogtei- und Herrschaftszugehörigkeit, Visitationen<br />

Neben den wirtschaftlichen Fragen beschäftigten den Konvent<br />

auch verfassungsrechtliche Fragen, da die rechtliche<br />

Stellung des Stiftes immer wieder Anlaß zu Streitigkeiten gab.<br />

Das Stift selbst und ein Teil der Besitzungen im Donautal<br />

lagen in der Herrschaft Mühlheim, die nördlich der Donau<br />

gelegenen teilweise in der Grafschaft Hohenberg. Die<br />

Schutzfunktionen über den Streubesitz nahmen die jeweiligen<br />

Territorialherren wahr. Das Erzhaus Österreich hatte<br />

1452 zwar die Hochvogtei über das Stift an sich gezogen, die<br />

Ausübung jedoch den Herren von Enzberg als Inhabern der<br />

Herrschaft Mühlheim übertragen. Nach langen Streitigkeiten<br />

hatte der Konvent 1615 schließlich die niedere Gerichtsbarkeit<br />

über das Gebiet im Donautal den Enzbergern abringen<br />

können.<br />

Nach 1650 vertraten die Pröpste und Äbte keine einheitliche<br />

Linie. Propst Sigismund nahm immer wieder das Erzhaus<br />

Österreich als Schutzherrn in Anspruch. Er begründete dies<br />

damit, daß der Gründer Peregrin ein Herzog aus Innsbruck<br />

gewesen sei. Die Beamten der vorderösterreichischen Regierungs-<br />

und Verwaltungsstellen gingen darauf ein. Nach dem<br />

Tode des Propstes wollten daher Vertreter der vorderösterreichischen<br />

Regierung unter Berufung auf die österreichische<br />

Vogtei der Wahl des Nachfolgers beiwohnen. Dies ging dem<br />

Konvent zu weit, er sperrte sie aus. Nach einigen Protesten<br />

seitens der vorderösterreichischen Beamten verlief die Sache<br />

im Sande. In den folgenden Jahren entspannten sich die<br />

Beziehungen zu Vorderösterreich. Bei der nächsten Wahl im<br />

Jahr 1704 wurden keine Ansprüche auf Teilnahme an der<br />

Wahl erhoben. In diesen Jahrzehnten entstand eine Tradition,<br />

daß eine erste Gründung Beurons um 900 auf dem linken<br />

Donauufer, also im hohenbergischen Territorium, erfolgt sei.<br />

Zur Untermauerung eines politischen und verfassungsrechtlichen<br />

Anspruchs - Befreiung von der Territorialherrschaft<br />

der Freiherren von Enzberg - entwickelte der Konvent eine<br />

historische Fiktion.<br />

1721 vollzog der Konvent wieder eine Wende und bestritt die<br />

vorderösterreichische Herrschaft über die Abtei Beuron.<br />

Schließlich beanspruchte die Abtei, nachdem sie die ritterschaftliche<br />

Herrschaft Bärenthal mit Ensisheim 1751 gekauft<br />

hatte, die Reichsstandschaft.<br />

Ähnlich zäh verteidigte Beuron seine geistlichen Rechte.<br />

Nach dem 30jährigen Krieg betrachtete die bischöfliche<br />

Kurie in Konstanz das Stift Beuron als eine ihr unmittelbar<br />

unterstehende Einrichtung und machte wie früher ein Visitationsrecht<br />

geltend. Einmal beruhten diese Rechte auf der<br />

Ordensverfassung, nach der die Pröpste oder Äbte dem<br />

Bischof einen Treueid zu leisten hatten. Weiterhin standen<br />

dem Bischof als Ordinarius Eingriffsrechte zu. Da aber auch<br />

der Abt von Kreuzlingen als Visitator eingesetzt war, entstanden<br />

seit den 80er Jahren heftige Auseinandersetzungen über<br />

die Visitation. Beuron bestritt den bischöflichen Beamten<br />

wiederholt das Recht zur Visitation und trug den Fall schließlich<br />

dem päpstlichen Nuntius in Luzern vor.<br />

Wir sehen, wie im Zuge der materiellen Erstarkung Beurons<br />

der neue Konvent eine neue historische Identität suchte und<br />

entwickelte und eine unabhängige Stellung anstrebte. Ende<br />

des 18. Jahrhunderts wird diese mit einer in sich geschlossenen<br />

»neuen« Geschichte Beurons begründet und durchgesetzt.<br />

Das geistliche Leben<br />

Die beiden überlebenden Konventualen gingen sofort daran,<br />

einen neuen Konvent aufzubauen. Sie suchten junge Leute,<br />

die auf Kosten des Stiftes in Konstanz die Schule besuchten<br />

und dort studierten, die dann in Beuron die Profeß ablegten.<br />

Im Dezember 1650 erkundigte sich Propst Johann beim Vater<br />

des Andreas Schwenck über dessen Studienerfolge. Der<br />

Lehrer in Konstanz, Professor P.Johannes Pollner, hatte<br />

festgestellt, daß Andreas zum Studieren wenig tauglich sei.<br />

Der Propst teilte darauf dem Vater mit, daß Beuron wenig<br />

geholfen sei, wenn sein Sohn in dieser Verfassung in den<br />

Konvent eintrete, er müsse sich unbedingt bessern. Anfang<br />

1656 studierte Andreas immer noch auf Kosten des Stifts in<br />

Konstanz, am 29. April 1656 legte er seine Profeß ab. Der<br />

Propst war damals in der schwierigen Lage, auch weniger<br />

geeignete Männer aufnehmen zu müssen. Als ein Kandidat<br />

jedoch äußerte, er wolle lieber Konverse, d.h. Arbeitsbruder,<br />

werden, stellte der Propst fest, daß das Stift keine Konversen<br />

sondern Priester brauche.<br />

Das Leben der Chorherren war sehr einfach und bescheiden.<br />

Als Johann Uricher 1654 Profeß ablegte, mußten seine Eltern<br />

folgende Ausstattung an Kleidung und Wäsche stellen: eine<br />

neue Hose, einen schwarzen Rock und einen schwarzen<br />

Mantel aus Tuch, drei Struppen (Band, Schleife, Strümpfe?),<br />

zwei Hemden, ein Ober- und Unterbett, ein Kissen und zwei<br />

Bettücher.<br />

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