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heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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unseren Tagen weit entfernt geblieben. Sie hatten oft nicht<br />

einmal die Achtung gegen sie, welche ihnen als Menschen<br />

gebührt, und entschuldigten gern jede Mißhandlung, Beeinträchtigung<br />

eines Juden, weil sie ja nur einem Juden widerfahren<br />

sey; schon dem Herzen der zarten Jugend ward eine<br />

Geringschätzung dieses Volkes, ja ein gewißer Abscheu vor<br />

demselben eingepflanzt, vermöge welchem man sich gegen<br />

einen Israeliten manches in Wort und That erlaubte, was man<br />

gegen einen andern Menschen nie gewagt hätte. Wenn man<br />

noch den entehrenden Leibzoll, in Erwähnung bringt welchen<br />

man von ihnen in vielen Ländern forderte, und wodurch<br />

sie in eine Klasse mit dem unvernünftigen Vieh gesetzt<br />

wurden, so kann man gewiß dieses Betragen für keine<br />

Einladung ansehen, welche die Juden zur Annahme des<br />

Christenthums bewogen hätten, ja vielmehr den Juden alle<br />

Lust benahm, Christen zu werden 17. - Nein, von einem Haß<br />

gegen die Juden kann nicht die Rede sein.<br />

Der Bericht von Stadtpfarrer Severin Fuchs<br />

Am 28. Juni 1827 berichtete Stadtpfarrer 18 Severin Fuchs den<br />

wahren Hergang der Sache an das Generalvikariat nach<br />

Konstanz.<br />

Die Sache verhält sich so: Ein großer Theil der Klostergebäude<br />

sammt dem anliegenden Garten ist verpachtet. Der<br />

Pächter hat das Recht, ein Wirthshaus zu halten. Daher<br />

geschieht es, daß zu verschiedenen Zeiten viele Leute dahin<br />

kommen, und sich so betragen, wie es in gemeinen Wirthshäusern<br />

gewöhnlich ist. Auch wird vielleicht dieses Klosterwirthshaus<br />

darum gern besucht, weil die größern Gebäulichkeiten<br />

und der Garten manche erwünschten Schlupfwinkel<br />

und verborgenen Orte darbieten. An den Sabbaten kommen<br />

nun gewöhnlich auch viele Juden in dieses Wirthshaus. So<br />

war es am Vorabend vor Pfingsten als an den jüdischen<br />

Sabbat, an welchem sich eine große Menge Juden da einfand.<br />

Und dieser Vorabend, nicht der Pfingsttag selbst, war es, an<br />

welchem Nachmittags sich der fragliche Vorfall folgendermaßen<br />

ereignete:<br />

Die Juden zerstreuten sich in den Klostergängen und in dem<br />

Garten, und überließen sich der lärmendsten Lustbarkeit. Es<br />

kamen auch ein Paar Pfeifer, welche sogleich einen Tanz<br />

veranlaßten: ohne Wissen und Bewilligung der Polizey.<br />

Pfingsten ist eine Zeit, wo dahier viele Christen wieder zur<br />

Kommunion gehen, von denen die meisten am Vorabende<br />

ihre Beicht verrichten. Da man weiß, daß ein Geistlicher in<br />

St. Luzien wohnt, so kommen gewöhnlich auch einige in<br />

diese Kirche, um zu beichten, was eben am Pfingstsamstage<br />

der Fall war. Der Lärm in den Klostergebäuden und im<br />

Garten, welcher die Kirche umgibt, war nun so groß, daß in<br />

der Kirche keine hl. Verrichtung vorgenommen werden<br />

konnte; obschon kein einziger Jude in der Kirche sich befand.<br />

Der Kapitelvikar Koler, der da war, entließ also die Beichtleute,<br />

und beschied sie auf den Pfingsttag in der Frühe, was<br />

sich die Leute auch gern gefallen ließen. H. Koler begab sich<br />

am nämlichen Samstage noch einige Male vom Kloster aus auf<br />

die Emporkirche 19, um zu sehen, ob nicht noch andere<br />

Beichtleute gekommen seyen, und um ihnen den nämlichen<br />

Bescheid, wie den vorigen zu geben. Einmal sah er auch drey<br />

oder vier Paar Juden in der Kirche, welche die Bilder und<br />

Gemälde besichtigten, und ihre vielleicht unanständigen<br />

Bemerkungen dazu machten. Er hieß sie hinausgehen, was sie<br />

auch sogleich ohne Widerrede thaten. Dieß letzte ist alles, was<br />

von den Juden in der Kirche geschah.... Später am nämlichen<br />

Tage kamen noch ein Paar alte Personen, um zu beichten.<br />

H. Koler wollte diese nicht auch fortschicken; er nahm sie in<br />

die Sakristey, um da ihre Beicht anzuhören. Allein der Lärm<br />

hinderte ihn auch hier; zudem fand er noch die Sakristey von<br />

den Juden verunreinigt. Das empörte ihn. Er verließ die Leute<br />

und die Sakristey, begab sich im Kloster unter ein Fenster,<br />

und rief von da den Juden in den Garten hinab, wo ein großer<br />

Theil derselben versammelt war, zu um ihnen Ordnung und<br />

Ruhe zu gebieten, indem er ihnen vorstellte, daß er durch sie<br />

in seinen Amtsverrichtungen gänzlich gestört werde. Hier<br />

war es nun, wo die Juden seiner spotteten, und ihm wirklich<br />

mit den häßlichsten unwürdigsten Schimpfworten begegneten.<br />

H. Koler brachte sogleich seine Klage bey mir an, und ich<br />

traf die Einleitung, daß die Sache zur Kenntniß der Obrigkeit<br />

gelangte. Diese hat den Vorfall genau untersucht. Die Juden<br />

sind zur verdienten Strafe gezogen, und Herrn Koler ist<br />

gebührende Genugthuung geleistet worden. Dieß ist die<br />

ganze Geschichte.<br />

unterthänigst gehorsamster<br />

Fuchs Stadtpfarrer 20.<br />

Die verdiente Strafe<br />

Schon aus dem Brief von Joseph Glatz wird deutlich, daß die<br />

beteiligten Juden wegen des Vorfalls von der Polizei vorläufig<br />

festgenommen, abgeführt und in der Ratsstube (vermutlich<br />

zum Verhör) festgehalten wurden 21. Stadtpfarrer Severin<br />

Fuchs berichtet dann an Wessenberg, daß er - nachdem ihn<br />

Kapitelskaplan Kohler von dem Vorfall informiert hatte - die<br />

Obrigkeit verständigte, und diese den Vorfall genau untersucht<br />

habe und die Juden zur verdienten Strafe gezogen<br />

worden seien. Kaplan Kohler gegenüber mußten sie sich<br />

entschuldigen 22.<br />

Die Befürchtung des Joseph Glatz, die Angelegenheit werde<br />

unter den Teppich gekehrt, traf also nicht zu.<br />

Schließung der St. Luzenkirche und anderweitige Verwendung?<br />

In St. Luzen befand sich neben der Kirche und dem Kloster<br />

ein Bräuhaus 23 und ein Stall und eine Remise 24. Der Klosterbesitz<br />

war bei der Säkularisation (1803) dem Fürsten von<br />

Hohenzollern-Hechingen zugesprochen worden. Nach den<br />

Ausführungen von Stadtpfarrer Severin Fuchs war 1827 ein<br />

großer Teil der Klostergebäude mit dem zugehörigen Garten<br />

verpachtet. Der Pächter hatte das Recht, ein Wirthshaus zu<br />

halten. In dem nicht verpachteten Teil des Klosters lebte<br />

Laienbruder Isaak Schmidt 25, der ja bis zu seinem Tode am<br />

23. Oktober 1857 als Mesner in St. Luzen diente, und dort<br />

wohnte auch Kapitelskaplan Paul Kohler 25.<br />

Was die St. Luzenkirche betrifft, so erfahren wir aus dem<br />

Schriftwechsel zwischen Generalvikar Wessenberg und dem<br />

Hechinger Stadtpfarrer Severin Fuchs, daß vormittags kein<br />

Hauptgottesdienst, sondern nur eine Frühmesse und Homilie<br />

27 stattfand. Nachmittägliche Funktionen sollten dort nicht<br />

mehr durchgeführt werden, weil an den Beichttagen in der<br />

Pfarrkirche Platz und Gelegenheit genug sei.<br />

Ein nahe des Eingangs angebrachtes Gitter, das die ganze<br />

Breite der St. Luzenkirche einnahm, verhinderte das Umhergehen.<br />

Es war nur während der Gottesdienstzeiten geöffnet<br />

28.<br />

Den von Joseph Glatz vorgeschlagenen Gedanken einer<br />

Schließung der Kirche, den Wessenberg bereits in seinem<br />

ersten Brief aufgegriffen hatte, da er der Meinung war,<br />

St. Luzen wäre der pfarrlichen Gottesdienstordnung eher<br />

hinderlich als förderlich und deshalb zu erwägen gab, ob<br />

nicht ein schicklicher Anlaß zu ergreifen wäre, um auf (die)<br />

Schließung dieser Nebenkirche anzutragen, diesen Vorschlag<br />

lehnte Stadtpfarrer Fuchs für itzt (1827) ab. Er hob hervor,<br />

daß vor allem die Bewohner der Unterstadt eine große<br />

Anhänglichkeit an diese Kirche hätten. Dabei wies er auf<br />

einen Umstand hin, der dazu wesentlich beitrug: An den<br />

ehemaligen Klosterfesten als Antonii, Portiuncula, Franciszi<br />

21

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