21.05.2015 Aufrufe

NOAM CHOMSKY, NEUE WELTORDNUNGEN

Der soeben umrissene konventionelle Interpretationsrahmen hat den Interessen derjenigen, welche die Zügel fest in der Hand halten, recht gut gedient. Mit seiner Hilfe ließen sich höchst wirksame Mechanismen zur »Kontrolle der Bevölkerung« entwickeln. Dieser Begriff stammt aus dem Arsenal der Experten für counterinsurgency, worunter die Bekämpfung von Aufständen, Rebellionen und Partisanengruppen zu verstehen ist. Die Kontrolle der einheimischen Bevölkerung gehört zu den vorrangigen Aufgaben jedes Staats, der von bestimmten Sektoren der Gesellschaft beherrscht wird und deren Interessen er folglich wahrnimmt. Das gilt für jeden »real existierenden Staat«. Im Hinblick auf innerstaatliche Freiheit und Demokratie unterschieden sich die beiden Supermächte der Ära des Kalten Kriegs sehr deutlich voneinander, doch war das Problem der Bevölkerungskontrolle ihren jeweiligen Machtstrukturen inhärent. In der Sowjetunion oblag diese Aufgabe dem von Lenin und Trotzki gleich nach der Machtübernahme der Bolschewiki im Oktober 1917 eingerichteten militärischbürokratischen Netzwerk, das alle sozialistischen und rätedemokratischen Ansätze schnell und nachhaltig zerstörte. In den Vereinigten Staaten nahm sich der aus Industrie-, Finanz- und Handelsmächten bestehende Sektor der Sache an, ein hochkonzentriertes, ineinander verwobenes, klassenbewußtes Ensemble von Organisationen, das bei der Planung und Durchführung seiner Ziele zunehmend transnational verfuhr.

Der soeben umrissene konventionelle Interpretationsrahmen hat den Interessen derjenigen, welche die
Zügel fest in der Hand halten, recht gut gedient. Mit seiner Hilfe ließen sich höchst wirksame
Mechanismen zur »Kontrolle der Bevölkerung« entwickeln. Dieser Begriff stammt aus dem Arsenal
der Experten für counterinsurgency, worunter die Bekämpfung von Aufständen, Rebellionen und
Partisanengruppen zu verstehen ist. Die Kontrolle der einheimischen Bevölkerung gehört zu den
vorrangigen Aufgaben jedes Staats, der von bestimmten Sektoren der Gesellschaft beherrscht wird und
deren Interessen er folglich wahrnimmt. Das gilt für jeden »real existierenden Staat«. Im Hinblick auf
innerstaatliche Freiheit und Demokratie unterschieden sich die beiden Supermächte der Ära des Kalten
Kriegs sehr deutlich voneinander, doch war das Problem der Bevölkerungskontrolle ihren jeweiligen
Machtstrukturen inhärent. In der Sowjetunion oblag diese Aufgabe dem von Lenin und Trotzki gleich
nach der Machtübernahme der Bolschewiki im Oktober 1917 eingerichteten militärischbürokratischen
Netzwerk, das alle sozialistischen und rätedemokratischen Ansätze schnell und nachhaltig zerstörte. In
den Vereinigten Staaten nahm sich der aus Industrie-, Finanz- und Handelsmächten bestehende Sektor
der Sache an, ein hochkonzentriertes, ineinander verwobenes, klassenbewußtes Ensemble von
Organisationen, das bei der Planung und Durchführung seiner Ziele zunehmend transnational verfuhr.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

232 Report on the Americas (NACLA), XXVI.4, Feb. 1993.<br />

233 Peter Phillips, Challenge, Jan.-Feb. 1992.<br />

234 Eine an Einsichten reiche Darstellung dieser Entwicklungen bietet Rajani Kanth, Political Economy and Laissez-Faire<br />

(Rowman and Littlefield, 1986). Kerner David Noble, Progress without People (Charles Kerr, 1993), sowie ders., Forces of<br />

Production (Knopf, 1983).<br />

235 Karl Polanyi, The Great Transformation (EA 1944; Beacon, 1957; dt. Die große Transformation, Suhrkamp, 1978), S. 78ff.<br />

236 Vgl. Third World Resurgence, Nr. 44, 1994.<br />

Editorische Nachbemerkung<br />

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte Fassung des 1994 erschienenen Buches<br />

World Orders Old and New. Komplett weggelassen wurde das dritte Kapitel, das sich ausschließlich<br />

mit dem Nahostkonflikt beschäftigt und in anderem Zusammenhang mit weiteren Materialien<br />

publiziert werden soll. Gelegentliche Kürzungen in den beiden anderen Kapiteln dienen vor allem der<br />

Vermeidung von Textredundanzen oder betreffen allzu zeitgebundene Zusammenhänge wie etwa<br />

Statistiken zur Wirtschaftsentwicklung in den ehemals sozialistischen Staaten nach 1989, deren Zahlen<br />

mittlerweile überholt sind. Ebenso wurde darauf geachtet, Überschneidungen mit Themen in bereits<br />

erschienen Bänden so weitgehend wie möglich zu vermeiden. Die Grundthesen des Buchs, die das<br />

konventionelle Bild von den Ursprüngen, Ursachen und Verlaufsformen des Kalten Kriegs kräftig<br />

revidieren, bleiben davon natürlich unberührt. Mit George Bush ist immer der Senior gemeint, dessen<br />

Amtszeit die Jahre 1988 bis 1992 umfaßte.<br />

Michael Haupt<br />

August 2004<br />

106

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!