21.05.2015 Aufrufe

NOAM CHOMSKY, NEUE WELTORDNUNGEN

Der soeben umrissene konventionelle Interpretationsrahmen hat den Interessen derjenigen, welche die Zügel fest in der Hand halten, recht gut gedient. Mit seiner Hilfe ließen sich höchst wirksame Mechanismen zur »Kontrolle der Bevölkerung« entwickeln. Dieser Begriff stammt aus dem Arsenal der Experten für counterinsurgency, worunter die Bekämpfung von Aufständen, Rebellionen und Partisanengruppen zu verstehen ist. Die Kontrolle der einheimischen Bevölkerung gehört zu den vorrangigen Aufgaben jedes Staats, der von bestimmten Sektoren der Gesellschaft beherrscht wird und deren Interessen er folglich wahrnimmt. Das gilt für jeden »real existierenden Staat«. Im Hinblick auf innerstaatliche Freiheit und Demokratie unterschieden sich die beiden Supermächte der Ära des Kalten Kriegs sehr deutlich voneinander, doch war das Problem der Bevölkerungskontrolle ihren jeweiligen Machtstrukturen inhärent. In der Sowjetunion oblag diese Aufgabe dem von Lenin und Trotzki gleich nach der Machtübernahme der Bolschewiki im Oktober 1917 eingerichteten militärischbürokratischen Netzwerk, das alle sozialistischen und rätedemokratischen Ansätze schnell und nachhaltig zerstörte. In den Vereinigten Staaten nahm sich der aus Industrie-, Finanz- und Handelsmächten bestehende Sektor der Sache an, ein hochkonzentriertes, ineinander verwobenes, klassenbewußtes Ensemble von Organisationen, das bei der Planung und Durchführung seiner Ziele zunehmend transnational verfuhr.

Der soeben umrissene konventionelle Interpretationsrahmen hat den Interessen derjenigen, welche die
Zügel fest in der Hand halten, recht gut gedient. Mit seiner Hilfe ließen sich höchst wirksame
Mechanismen zur »Kontrolle der Bevölkerung« entwickeln. Dieser Begriff stammt aus dem Arsenal
der Experten für counterinsurgency, worunter die Bekämpfung von Aufständen, Rebellionen und
Partisanengruppen zu verstehen ist. Die Kontrolle der einheimischen Bevölkerung gehört zu den
vorrangigen Aufgaben jedes Staats, der von bestimmten Sektoren der Gesellschaft beherrscht wird und
deren Interessen er folglich wahrnimmt. Das gilt für jeden »real existierenden Staat«. Im Hinblick auf
innerstaatliche Freiheit und Demokratie unterschieden sich die beiden Supermächte der Ära des Kalten
Kriegs sehr deutlich voneinander, doch war das Problem der Bevölkerungskontrolle ihren jeweiligen
Machtstrukturen inhärent. In der Sowjetunion oblag diese Aufgabe dem von Lenin und Trotzki gleich
nach der Machtübernahme der Bolschewiki im Oktober 1917 eingerichteten militärischbürokratischen
Netzwerk, das alle sozialistischen und rätedemokratischen Ansätze schnell und nachhaltig zerstörte. In
den Vereinigten Staaten nahm sich der aus Industrie-, Finanz- und Handelsmächten bestehende Sektor
der Sache an, ein hochkonzentriertes, ineinander verwobenes, klassenbewußtes Ensemble von
Organisationen, das bei der Planung und Durchführung seiner Ziele zunehmend transnational verfuhr.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

VORWORT<br />

Das Buch beruht auf drei Vorlesungen, die im Mai 1993 an der Amerikanischen Universität in Kairo<br />

gehalten wurden. Das Material wurde beträchtlich erweitert und aktualisiert, auch um die Anregungen<br />

aufzunehmen, die ich bei den Seminaren, Zusammenkünften und äußerst erhellenden persönlichen<br />

Gesprächen anläßlich meines viel zu kurzen Aufenthalts empfing. Vielen alten und neuen Freunden<br />

möchte ich für ihre Hilfsbereitschaft und sorgfältigen Kommentare danken. Namentlich erwähnen will<br />

ich hier nur Dr. Nelly Hanna, deren Gastfreundschaft und unermüdliche Unterstützung den Aufenthalt<br />

für mich und meine Frau zu einem unvergeßlichen Erlebnis machten und mir darüber hinaus das alte<br />

und neue Ägypten auf einzigartige Weise nahebrachten.<br />

Danken möchte ich auch vielen anderen Freunden überall auf der Welt, die zu den informellen<br />

Netzwerken gehören, welche sich über die Jahre entwickelt haben. In diesen Netzwerken werden,<br />

zusammen mit Kommentaren und Analysen, Presseberichte, Dokumente, Monographien und andere<br />

Materialien ausgetauscht, die über die gewöhnlichen Kanäle nicht erhältlich sind. Außerhalb der<br />

etablierten Institutionen, denen man kritisch gegenübersteht, zu arbeiten, verursacht Kosten und<br />

Ärgernisse, verschafft einem aber auch die freudig wahrgenommene Gelegenheit zu Kontakten mit<br />

anderen, die eine ähnliche Geisteshaltung aufweisen, ähnliche Interessen und Themen verfolgen. Viele<br />

von ihnen arbeiten unter höchst schwierigen Bedingungen, unter Begleitumständen also, die häufig<br />

mit Dissidenz und geistiger Unabhängigkeit einhergehen. Auch in diesem Buch habe ich, wie schon so<br />

oft zuvor, auf Materialien zurückgreifen können, die mir auf andere Weise nicht zugänglich gewesen<br />

wären. Gerne würde ich Namen nennen, aber diejenigen, denen ich so viel Hilfestellung verdanke,<br />

wissen ohnehin bescheid, und andere würden das Wesen und die Bedeutung eines solchen Austauschs<br />

zwischen Menschen, die sich kaum jemals persönlich getroffen, aber Mittel und Wege einer<br />

konstruktiven Zusammenarbeit jenseits institutioneller Schranken gefunden haben, nur schwer zu<br />

würdigen wissen.<br />

5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!