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Heft - ith

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Elke<br />

Bippus<br />

Jörg<br />

Huber<br />

Roberto<br />

Nigro<br />

7<br />

Vorwort<br />

Philipp Stoellger fragt nach Sinn und Sinnlichkeit<br />

von Theorie, die ihr theoretisches Reinheitsgebot,<br />

ihre reine Rationalität verliert, wenn sie es mit ästhetischen<br />

Phänomenen zu tun bekommt. Dementsprechend<br />

agiert eine ästhetische Theorie in ihrer Verbindung<br />

zu Diskursivem und Nicht-Diskursivem oder,<br />

wenn sie dem dualen System von Anschauung und<br />

Begriff folgt, auf den «Grenzen der unreinen Vernunft».<br />

Stoellger inszeniert in verschiedenen Kapiteln<br />

das Wettrennen von Hase und Igel, das die ästhetischen<br />

Phänomene mit der Theorie spielen, um<br />

zunächst eine Differenz zwischen Theorie und ästhetischer<br />

Theorie zu ziehen und die ästhetische Theorie<br />

in ihrer Vielgestaltigkeit zu bestimmen und um<br />

schliesslich auch die Theorie mit ihrer ästhetischen<br />

Dimension zu konfrontieren, die sich damit einstellt,<br />

dass «Sinn ursprünglich und unausweichlich sinnlicher<br />

Sinn ist.» In einer Antwort auf Emmanuel Alloas<br />

Beitrag führt Stoellger die differentielle Verschränkung<br />

von Theorie und ästhetischem Phänomen fort,<br />

indem er — das Spiel von Hase und Igel aufnehmend<br />

— eine doppelte Ungleichzeitigkeit von Bild und Blick<br />

problematisiert, die beide jeweils früher als der / das<br />

andere da und die zugleich dem anderen gegenüber<br />

verspätet sind.<br />

In Anlehnung an Jean-Luc Nancys entwickelte<br />

Reflexionen über das Kinodispositiv<br />

entfaltet Peter Szendy eine Analyse<br />

über das Kino als Bahnung des Blicks, als<br />

Blickbahn, als Kinematik des Sehens, die,<br />

was sie durchmisst, im Zuge dieses Durchmessens<br />

anordnet und strukturiert. Der<br />

filmische Blick verschafft sich Zugang,<br />

dringt ein, öffnet und durchdringt. Aufgrund<br />

dieses endoskopischen Merkmals ist<br />

das Kino mehr als die Erfindung einer<br />

überzähligen Kunst; es ist der «Keim eines<br />

Schemas der Erfahrung», der Keim einer<br />

Bewegung, die nicht bereits etablierte und<br />

verteilte Orte durchmisst, da sie diese<br />

zuallererst konstituiert. Die Blickbahn<br />

wird in das übersetzt, was man das Archi-<br />

Roadmovie nennen müsste. Das Roadmovie<br />

ist nicht nur ein kinematographisches<br />

Genre unter anderen, sondern jenes Genre,<br />

in dem es um das Kino an sich geht. Es<br />

handelt sich um ein Register des permanenten<br />

Bahnens. Es ist also die gesamte<br />

Geschichte des Kinos, die man ausgehend<br />

vom Schema der Blickbahn neu zu<br />

betrachten beginnen will. Dieser Frage<br />

nach der Bahnung des Blicks, nach der<br />

Blickbahn fügt Szendy auch die Frage<br />

nach der Hörbahn hinzu. Er fragt sich, wie<br />

es sich also verhält mit dem, was er das<br />

Archi-Roadmovie nennt, mit der audiovisuellen<br />

Montage, mit der zusammenhängenden<br />

Bewegung der Fortbewegung auf<br />

der Strasse und der verstärkten Phonographie?<br />

Muss man neben der Blickbahn an<br />

das denken, was man Hörbahn, eine parallele<br />

Tonbahnung, nennen müsste?<br />

In ihrem Aufsatz fragt sich Pascale Criton, auf welche<br />

Weise der Bereich der Musik von Gilles Deleuze<br />

und Félix Guattari bemüht wird. Welche Beziehungen<br />

weben sie zwischen dem Klanglichen und ihrer Konzeption<br />

von Territorium und Mannigfaltigkeiten? Im<br />

Lauf der 70er Jahre wenden sich Deleuze und Guattari<br />

einer neuen Beziehung zwischen dem Ausdruck<br />

und den Dispositiven des Denkens zu. Ihr Standpunkt<br />

entsteht mit dem Projekt einer semiotischen<br />

Heterogenese. Auf dieser ethischen, transversalen<br />

und transkategorialen Achse der Heterogenese, die<br />

also über das Milieu erfolgt und nicht in diesen oder<br />

jenen Bereich fällt, sondern mit einem prozesshaften<br />

Vektor zu tun hat, stellt sich die unpersönliche Herausforderung<br />

der Deterritorialisierung — der Musik<br />

wie anderen Künsten — nicht weniger als für alle<br />

Bereiche der Individuation. Die Potentialität der<br />

Musik betrifft ihre Fähigkeit, individuelle und kollektive<br />

Subjektivitäten zu produzieren, freie Äusserungen<br />

und Zeichenpraxen zu bilden. Deleuze und Guattari<br />

verorten die Musik in ihrem Bezug zur Welt. Ihre<br />

Analyse führt dazu, eine intensive Heterogenese<br />

inmitten einer wachsenden Komplexifizierung der<br />

räumlichen und zeitlichen Modalitäten sowie ihrer<br />

dazugehörigen Kontrollweisen ins Auge zu fassen.<br />

Um die Freiheit geht es bei Josef Früchtl,<br />

Christoph Menke und Juliana Rebentisch:<br />

die ästhetische einerseits und die<br />

praktische (und politische) andererseits,<br />

die wechselseitig aufeinander bezogen sind<br />

— wenn auch auf widersprüchliche Art, so<br />

die Feststellung. Die Frage ist denn auch,<br />

wie diese Beziehung zu beschreiben ist,<br />

wenn beide Seiten paradox strukturiert<br />

sind. Die praktische Freiheit ist in paradoxer<br />

Weise an die Disziplinierung, d.h. die<br />

soziale Normativität gebunden. Und die<br />

ästhetische Freiheit ist Differenzfigur (und<br />

nicht, so die Ideologie, Erlösungsfigur vom<br />

Sozialen grundsätzlich und damit Versöhnung),<br />

indem sie Freiheit ist, die sich von<br />

sich selbst unterscheidet. Als «Spiel der<br />

Einbildungs-Kraft» (Menke) ist sie Freiheit<br />

von und zugleich Bedingung der praktischen<br />

Freiheit. Sie ist damit der Grund<br />

von praktischer Freiheit, ohne dass sie das<br />

Ganze ist. Sie ist denn auch nicht die primäre<br />

und «wichtigste» Dimension von<br />

Freiheit, sondern eine spezifische, die es<br />

eben in ihrer «Funktion» zu analysieren<br />

gilt. «Freiheit erfahren wir nicht nur im<br />

Medium der ästhetischen Erfahrung, sondern<br />

nicht ohne dieses Medium», so<br />

Früchtl. Die Freiheit vom Sozialen also und<br />

gleichzeitig zum Sozialen (und nicht nur in<br />

ihm). Aus der Perspektive der praktischen<br />

Philosophie ist es denn auch möglich, so<br />

Rebentisch, den diffusen Begriff des Ästhetischen<br />

zu kritisieren: hinsichtlich der<br />

praktischen Freiheit, die der differentiellen<br />

Logik Rechnung trägt. Mimesis ist hier ein<br />

zentraler Begriff, der auch einsichtig<br />

macht, warum hier dem Theater eine zentrale<br />

Bedeutung zukommt.

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