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sondern auch Dinge und Objekte. Wobei damit nicht einfach<br />
die Aufmerksamkeit von der Feststellung von Entitäten<br />
(Subjekten) auf die Produktion von Entitäten verschoben<br />
wird, sondern sich der Blick weg von den Entitäten hin<br />
zu einem nicht abschliessbaren Prozessualen der Subjektvierung<br />
wendet; Prozesse der Bildung von Einzelnen wie<br />
Kollektiven.<br />
4. Frage des Zeit-Raumes<br />
Indem die Subjektivierungen stets in einem Mit-Sein<br />
erfolgen — von Menschen, Tieren, Pflanzen, Dingen,<br />
Objekten, Maschinen, Apparaten … —, stellt sich die Frage<br />
nach der Qualität dieses Mit- als eines Zeit-Raumes: als<br />
Milieu, das du zu Recht als Ökologie bezeichnest, wobei mit<br />
diesem Begriff sehr allgemein die Umwelt gemeint ist und<br />
man könnte ergänzen: der Haushalt. Eine Umwelt, die in<br />
Hinsicht auf die gegenwärtigen technisch-medialen Bedingungen<br />
als relational gefasst werden muss: als ein Kraftfeld<br />
von Bezügen, Vektoren, Intensitäten, Kräften, Energien —<br />
von «Verwicklungen, Verknäuelungen, Begegnungen,<br />
Begegnissen …», wie du sagst. Als ein Geflecht und Geschehen<br />
der Immanenz.<br />
5. Fragen nach den Medien<br />
Und last but not least gilt es dieses Fragen auf das<br />
Problem der Medien auszurichten: auf Fragen etwa, wie<br />
Maschinen und Apparate funktionieren und wirken (Dynamik<br />
der Algor<strong>ith</strong>men); was man mit dem Begriff des Körpers<br />
meint, und wie «Körper» zu denken ist, wenn er nicht<br />
nur den menschlichen Leib betrifft; welche Bedeutung der<br />
Sinnlichkeit zukommt, wenn die alles durchdringenden<br />
Affektionen, die Sensationen, nicht nur auf menschliche<br />
Individuen und interpersonale Kommunikation zu<br />
beschränken sind.<br />
Gegenwart : Ökologie. In der Einrichtung von Lebensverhältnissen<br />
wirken — im Wechselspiel mit diskursiven Prozessen<br />
— affektive Kräfte und Energien der Sinne. Indem<br />
Ästhetik deshalb ein (oder das?) Paradigma ist, mit dem die<br />
Ontologie einer Gegenwart beschrieben und genealogisch<br />
zu entwickeln ist, ist Ästhetik auch als Ästhetik der Existenz<br />
und als Ethik zu verstehen. Es gilt zu beobachten und<br />
«lesen» zu lernen und zu erleben / erfahren, wie dieses<br />
Paradigma des Ästhetischen wirkt und Effekte zeitigt, und<br />
wie sich darin und in welchen Registern, Modalitäten,<br />
Regimes seine Intelligibilität zeigt. Wir suchen und bestimmen<br />
dabei beispielhafte Konstellationen einer Praxis, was<br />
ich oben mit dem Begriff des Dispositivs angezeigt habe.<br />
Mit dem Begriff der Paradigmas gelingt es, das Verhältnis<br />
von Einzelnem und Kollektivem zu beschreiben und das<br />
Analogische der Geschehen zu beleuchten (vgl. dazu Giorgio<br />
Agamben:<br />
«Im Paradigma ist die Intelligibilität nicht vor den Phänomenen<br />
da, vielmehr befindet sie sich sozusagen ‹bei›, oder ‹neben›<br />
(pará) den Phänomenen. Nach der aristotelischen Definition<br />
geht der paradigmatische Gestus nicht von einem Besonderen<br />
zum Ganzen oder von einem Ganzen zum Besonderen, sondern<br />
stets vom Einzelnen zum Einzelnen. Das Phänomen, sobald es<br />
im Medium seiner Erkennbarkeit präsentiert wird, zeigt das<br />
Ensemble, dessen Paradigma es ist. Darin liegt, im Hinblick auf<br />
die Phänomene, aber keine Voraussetzung (keine «Hypothese»);<br />
das Paradigma, als «nicht vorausgesetztes Prinzip», hat<br />
seinen Ort nicht in der Vergangenheit oder in der Gegenwart,<br />
sondern in deren «beispielhafter» Konstellation.» 17<br />
Etwas entsteht und zeigt sich, indem es in der Aussage hervorgebracht<br />
wird: Enunziation, enoncé (Foucault).<br />
Hinsichtlich der Künste ist die Ansicht heute verbreitet,<br />
dass diese im allgemeinen Spiel des Ästhetischen aufgehen<br />
und verschwinden. Ich bin jedoch der Meinung, dass<br />
wir — gerade in Bezug auf das hier Geschilderte —, einen<br />
starken Begriff der Kunst brauchen. Kunst liefert ein Praxisfeld,<br />
auf dem und durch das die allgemeine Ästhetisierung<br />
kritisch zur Beobachtung und zur Reflexion gebracht<br />
werden kann. Und zwar nicht als ein Blick von aussen, sondern<br />
indem die künstlerischen Kräfte und Energien andere<br />
Praxiskontexte durchqueren, unterlaufen, stören und<br />
immer wieder ins Offene führen («Kunst» nicht als romantische<br />
Gegen- oder anthropologische Pathosfigur, sondern<br />
als Verfahren mit und in und als Technik. Dies eine Anmerkung<br />
im Voraus und Reaktion auf deinen nun folgenden<br />
Schluss).<br />
17 – Giorgio Agamben,<br />
Signatura rerum, Frankfurt<br />
a. M. 2009, S. 33.<br />
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