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Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre - Rosa-Luxemburg ...

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16Für die nächste Generation jedoch standen die Dinge schon an<strong>der</strong>s. Die Defizite <strong>der</strong> empirischenRealität waren in relevanten Fragen durchaus nicht kleiner geworden. Das Defizit anDemokratie, aber auch die Rationalitätsdefizite <strong>der</strong> Wirtschaft, die Gängelei und Bevormundung,die ,weißen Flecken‘ bei <strong>der</strong> Reflexion <strong>der</strong> Geschichte nahmen eher zu, auch wenn sichdie Versorgungsprobleme reduziert hatten und die ,Mangelwirtschaft‘ auf vergleichsweise hohemKonsumniveau ihren geregelten Gang zu gehen schien. Die bleibenden und teilweisewachsenden Differenzen von Ideal und Wirklichkeit waren Mitte <strong>der</strong> 70er <strong>Jahre</strong> deutlich fühlbar -insbeson<strong>der</strong>e nach <strong>der</strong> Ausbürgerung von Biermann und dem damit offensichtlich gewordenenBruch <strong>der</strong> <strong>SED</strong> mit großen Teilen <strong>der</strong> kritischen DDR-Intellektuellen - und konnten mit denschlechten Ausgangsbedingungen nicht mehr erklärt werden. An<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> vorangegangenenGeneration konnte die Konsequenz daher auch nicht darin bestehen, eine wissenschaftlichbegründete praktische Strategie für eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirklichkeit in Richtung auf das Idealzu suchen. Daran war die vorige Generation ja bereits (weitgehend) gescheitert. Die eine Konsequenzwar daher eine skeptische Reflexion des vorgefundenen Marxismus-Leninismus und<strong>der</strong> Gesellschaftswissenschaften, die zunächst darin bestand, die Ursprünge des Ideals selbstaufzufinden und festzuhalten, den Wi<strong>der</strong>spruch zur Wirklichkeit nicht zuzudecken o<strong>der</strong> wegzuerklären,son<strong>der</strong>n aufzudecken und auszusprechen. Die Hinwendung zu Philosophie, Kulturwissenschaftenund Literatur war <strong>der</strong> äußere Ausdruck dieser neuen Bewußtseinslage.Sie zeigt sich nicht nur in <strong>der</strong> Entstehung und den Debatten des Peter-Weiss-Kreises, son<strong>der</strong>nals Ausgangspunkt auch an<strong>der</strong>er Entwicklungslinien dieser Reformergeneration. Die Frühwerkevon Karl Marx, die ökonomisch-philosophischen Manuskripte, die „Grundrisse“, die in <strong>der</strong> MEGAgerade erscheinenden Manuskripte von 1861-63, aber auch die Werke unbekannter und teilweiseverpönter Marxisten wie Adler, <strong>Luxemburg</strong>, Rosdolsky, Bucharin, Trotzki, Gramsci undLukács, die marxistische Debatte im Westen und insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Bundesrepublik - z.B.Althussers Annäherungen an die ‚Kapitallogik‘, Haugs ‚Warenästhetik‘ o<strong>der</strong> die Kritische Psychologie- und die Beschäftigung mit <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> KPdSU, <strong>der</strong> frühen Sowjetunion unddem Stalinismus waren für alle Reformer dieser Generation ein bestimmen<strong>der</strong> Ausgangspunkteigenen Denkens. Man hatte zunächst keine und wollte auch keine vorschnelle und vor allemkeine pragmatische Antwort darauf, wie eine dem Ideal entsprechende Gesellschaft aussehensoll. Man war skeptisch gegenüber Konzepten, die ,technokratisch‘ aussehende Instrumentarienund Handlungsstrategien empfahlen. Zunächst war es wichtig, die Differenz selbst im Bewußtseinzu halten. Daher im Peter-Weiss-Kreis auch die Distanz zu Deutungsversuchen, die in<strong>der</strong> „Ästhetik des Wi<strong>der</strong>stands“ ein ,Reparaturkonzept für den Sozialismus‘ o<strong>der</strong> auch einen,Vorläufer <strong>der</strong> Perestroika‘ erkennen wollten - und die eher in die Perspektive <strong>der</strong> vorangegangenenGeneration zu passen scheinen.Ein am Ideal <strong>der</strong> Naturwissenschaft o<strong>der</strong> gar <strong>der</strong> Kybernetik orientiertes Wissenschaftsverständniswich einer Orientierung an eher philosophischen, historischen o<strong>der</strong> ästhetischen Reflexionsformen,die Instrumente eines Denkens werden, das sich gegen eine Auflösung <strong>der</strong> Dif-

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