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Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre - Rosa-Luxemburg ...

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65doch verzichtet. Henrich, <strong>der</strong> über seinen privaten Diskussionszirkel seit längerer Zeit Kontaktezu oppositionellen Kreisen geknüpft hatte, wurde mit seinem (kirchen-)öffentlichen Auftretenund seiner Initiative, die zur Gründung des Neuen Forums führte, zu einem <strong>der</strong> wesentlichenInitiatoren <strong>der</strong> gesellschaftlichen Wendeprozesse des Herbstes 1989. Im Gespräch berichtet er:„Ich bin im Frühsommer und Sommer 1989 durchs Land gezogen und habe etwa 15 Vorträge in großenKirchenräumen vor jeweils 900 bis 1500 Leuten gehalten. Es gab großes Interesse, in Halle beispielsweisemußte man die Fenster aufmachen, damit die Leute auch draußen mithören konnten,auch bei Eppelmann in <strong>der</strong> Berliner Samariterkirche war es sehr voll. Ich habe das Buch und meineKonzeption vorgestellt, konkreter insbeson<strong>der</strong>e zu Fragen von Recht und Rechtsstaat gesprochen, eswurde diskutiert, und ich fand immer größte Zustimmung - es lief sozusagen darauf hinaus: hier habenwir ja einen, <strong>der</strong> Justizminister werden könnte. Das Buch fand also seinerzeit eine Riesenzustimmung“(Gespräch, Zeile 438-445).Jens Reich umreißt die Rolle Henrichs in seinen 1994 veröffentlichten Erinnerungen an dieFormierung <strong>der</strong> Oppositionsgruppen folgen<strong>der</strong>maßen:„Henrichs Vorträge brachten ein neues Moment in die Protestbewegung ein, das von den Bürgerrechtlernmit langer Wi<strong>der</strong>standserfahrung eher als Rückschritt gewertet wurde. Henrich betonte, daß <strong>der</strong>politische Protest sich aus den Schutzzonen <strong>der</strong> Kirche befreien müßte, und daß er sich an den ‚Normalbürgerin mittlerem Alter und mit anerkanntem Beruf‘ wenden wolle. Er opponierte gegen das betontAlternative, Protestkulturelle, Anarchische und Subversive <strong>der</strong> bisherigen Bürgerbewegung, gegendie konspirative Herstellung von Informationszeitschriften (wie den berühmten ‚Grenzfall‘) imSelbstverlag. Er argumentierte, daß solches Verhalten <strong>der</strong> Stasi Zugriffsmöglichkeiten einräume, denSpießbürger verängstigte und in ein Scheinbündnis mit den Bürokraten treibe. Richtig wäre es, einepolitische Bewegung streng im formalen Rahmen <strong>der</strong> DDR-Gesetzlichkeit zu gründen, sie ordnungsgemäßanzumelden und ganz verfassungsgemäß die Teilhabe an <strong>der</strong> politischen Entscheidung einzufor<strong>der</strong>n.... Die Anmeldung eines politischen ‚Vereins‘ wäre <strong>der</strong> geeignete Beitrag zur beginnendenParteitagsdiskussion: auf das legale Verfahren könnte sich auch <strong>der</strong> ängstliche Bürger berufen, unddie Machthaber würden in große Verlegenheit geraten, da sie nicht gut gegen ihre eigenen Gesetzehandeln könnten. ... Es hat sich später herausgestellt, daß die genaue Verfolgung dieses Konzeptsden späteren großen Erfolg des ‚Neuen Forums‘ (vor dem 9. November) ermöglichte.“ 46Henrich gehörte zu den Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufs „Aufbruch 89 - Neues Forum“;dessen zweiter Teil, <strong>der</strong> „den demokratischen Dialog über die Aufgaben des Rechtsstaates,<strong>der</strong> Wirtschaft und <strong>der</strong> Kultur“ for<strong>der</strong>t und die dazu gewählte Form einer „politische(n) Plattformfür die gesamte DDR, die es Menschen aus allen Berufen, Lebenskreisen, Parteien undOrganisationen möglich macht, sich an <strong>der</strong> Diskussion und Bearbeitung lebenswichtiger Gesellschaftsproblemein diesem Land zu beteiligen“ 47 , vorstellt, wurde von ihm formuliert. Henrichwar es gleichfalls, <strong>der</strong> den Abschnitt „Staats- und Rechtswesen“ im „Offenen Problemkatalog“des Neuen Forums vom 1. Oktober erarbeitete und damit - um vieles klarer, als das zu „Wirtschaftund Ökologie“ und zu „Kultur, Bildung, Wissenschaft“ gelang - den Reformfor<strong>der</strong>ungeninhaltliche Bestimmtheit verlieh. Dieser Abschnitt konkretisiert die im „VormundschaftlichenStaat“ allgemein entwickelte Vorstellung eines demokratischen Rechtsstaates und fixiert Eckpunkteeines entsprechenden Umbauprozesses; er lautet:4647J. Reich: „Augen zu und Gas geben“. 1989 - Tagebuch <strong>der</strong> Wende, 1. Folge, in: Die Zeit Nr. 37 vom 9. September1994, S. 6In: Die ersten Texte des Neuen Forum, Berlin 1990, S. 1, 2.

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