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Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre - Rosa-Luxemburg ...

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7<strong>Der</strong> fünfte Fall betrifft einen Arbeitszusammenhang in einem beson<strong>der</strong>s prekären Umfeld. RolfReißig arbeitete an <strong>der</strong> Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK <strong>der</strong> <strong>SED</strong> zu Fragen<strong>der</strong> Systemauseinan<strong>der</strong>setzung und sozialistischen Demokratie. Bekannt wurde er durch das<strong>SED</strong>/SPD-Papier „<strong>Der</strong> Streit <strong>der</strong> Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ von 1987. DieserText war nicht einfach ein geschicktes Manöver <strong>der</strong> <strong>SED</strong>-Führung; er basierte auf dem Versucheiniger Parteiintellektueller, das übliche Raster marxistisch-leninistischen Denkens aufzubrechenund ein neues Verhältnis <strong>der</strong> <strong>SED</strong> zum Westen und speziell zur Sozialdemokratie möglichzu machen.<strong>Der</strong> sechste Fall schließlich ist in gewisser Weise die Umkehrung. <strong>Der</strong> Rechtsanwalt Rolf Henrichaus Frankfurt (O<strong>der</strong>) entschließt sich Anfang <strong>der</strong> 80er <strong>Jahre</strong>, dem Beispiel Bahros zu folgen.Dissidenz ist für ihn das Mittel, die Erstarrung aufzubrechen. Seine Kritik am DDR-Sozialismus mündet in das Buch „<strong>Der</strong> vormundschaftliche Staat“; um politisch wirksam werdenzu können, entschließt er sich zur Veröffentlichung in <strong>der</strong> Bundesrepublik - die damit verbundenenRisiken und Gefährdungen bewußt einkalkulierend. Henrich gehörte später zu den Grün<strong>der</strong>ndes Neuen Forums. Wir behandeln ihn hier als Teil des <strong>Reformdiskurs</strong>es im Umfeld <strong>der</strong><strong>SED</strong>, nicht nur, weil Henrich bis zum Erscheinen seines Buches <strong>SED</strong>-Mitglied war, son<strong>der</strong>n vorallem, weil seine Perspektive <strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Reformer aus dem <strong>SED</strong>-Umfeld ähnelt und weil seinegesellschaftskonzeptionellen Überlegungen zu Ergebnissen führen, die beispielsweise denendes Forschungsprojekts Mo<strong>der</strong>ner Sozialismus recht nahe sind.Diese sechs Fälle sind verschieden. Dennoch sehen wir Gemeinsamkeiten. Ansatzpunkte,Kommunikationsformen, aber auch Deutungs- und Handlungsmuster lassen sich aufeinan<strong>der</strong>beziehen und von denen an<strong>der</strong>er Reformergenerationen (etwa <strong>der</strong> Aufbaugeneration) und an<strong>der</strong>enpolitischen Diskursen bzw. Bewegungen (etwa <strong>der</strong> Bürgerbewegung) unterscheiden.1. Die Kritik am real-existierenden DDR-Sozialismus bezieht sich an<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Aufbaugenerationzunehmend auf die Grundkonstruktionen von Wirtschaft, Politik und Staat. Dabeierfolgt keine antisozialistische Wendung, bleibt Sozialismus die Perspektive, und es wirdversucht, die sozialistische Idee auf einer neuen Basis zu rekonstruieren. Dafür werden in<strong>der</strong> Tendenz und an Breite zunehmend die wissenschaftlichen Theorien über ‚mo<strong>der</strong>ne‘Vergesellschaftungsformen - über Markt- bzw. Kapitalverwertungswirtschaft, parlamentarischeDemokratie, Rechtsstaat, kulturelle Autonomie, unabhängige Öffentlichkeit - auf sozialistischeVerhältnisse projiziert. Hier aber entstehen Differenzen zur vorigen Generation,wenn auch zunächst nur latent. Mo<strong>der</strong>ne Vergesellschaftungsformen erscheinen aus <strong>der</strong>Perspektive <strong>der</strong> vorangegangenen Reformergenerationen mit Sozialismus zumeist grundsätzlichinkompatibel zu sein. <strong>Der</strong> von <strong>der</strong> jüngeren Generation in den 80er <strong>Jahre</strong>n eingeleiteteParadigmenwechsel konnte vor 1989 nicht explizit aufbrechen und nicht als politischerGegensatz zur Aufbaugeneration artikuliert werden. Beide Generationen standen in einemkritischen Verhältnis zur Realität und zur offiziellen Parteilinie, ihre kritischen Potentialestützten sich, trotz <strong>der</strong> entstandenen konzeptionellen Unterschiede, noch gegenseitig. Zu-

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