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Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre - Rosa-Luxemburg ...

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20„Ich war auch geprägt davon, was mit Bahro passiert war, als er in <strong>der</strong> Bundesrepublik sein Buch veröffentlichthatte. An das Buch selbst bin ich zur DDR-Zeit nicht herangekommen, aus dem ‚Buschfunk‘wußte ich aber in etwa, was drin stand. Ein solches Risiko wollte ich nicht eingehen. An<strong>der</strong>erseits wärees durch kleinere lancierte Informationen an die westliche Presse relativ leicht gewesen, auf spektakuläreArt bekannt zu werden. Aber dann wäre man für die Ost-West-Auseinan<strong>der</strong>setzung instrumentalisiertworden und hätte die Wirkungsmöglichkeiten nach innen verloren, auf die man bei einemReformdurchbruch hoffte. Ich jedenfalls hatte das Ziel, einige konzeptionelle Ideen zur Wirtschaftstheorieauf wissenschaftlich soli<strong>der</strong> Grundlage im Rahmen <strong>der</strong> Dissertation B zu entwickeln; es ging mirum eine ‚Offizialisierung‘, die allerdings für dieses große Projekt nicht gelungen ist. Das war über alldie <strong>Jahre</strong> fast eine fixe Idee von mir. Meine kleineren Papiere habe ich dann seit Juni 1988 immerganz offiziell zur Diskussion gestellt. Aus heutiger Sicht hätte man so noch viel mehr tun können. Aberich habe eben erst 1988 die Erfahrung gemacht, daß das geht, und vor allem, daß man auch nennenswerteUnterstützung fand - vorher mußte ich immer wie<strong>der</strong> die Erfahrung machen, daß eigeneAktivitäten nicht nur riskant, son<strong>der</strong>n fast immer erfolglos waren und kaum Unterstützung erhielten.Das war auch eine wesentliche Seite <strong>der</strong> offiziellen Gegenstrategie, mit <strong>der</strong> man Reformen von vornhereinverhin<strong>der</strong>n wollte. Auch in <strong>der</strong> Forschung, die sich berufsmäßig mit alternativen Konzepten befaßt,war dies nur in den wenigen Fällen möglich, in denen zeitweise und in engen Grenzen grünesLicht gegeben wurde, wie z.B. 1963 bis 1965 beim NÖS o<strong>der</strong> bei den familienpolitischen Maßnahmen1975. Die mit dem NÖS begonnenen Reformen wurden aber dann wie<strong>der</strong> zurückgenommen und diezentralisierte Planung wurde auch weiter ausgebaut. Ein bleiben<strong>der</strong> und langfristiger Erfolg war nurdie Mitarbeit an den familienpolitischen Maßnahmen, die mit zu einer starken Zunahme <strong>der</strong> GeburtenEnde <strong>der</strong> 70er <strong>Jahre</strong> beitrugen. Es war außerhalb <strong>der</strong> offiziell eingeräumten Spielräume auch dann,wenn man selbst im Zentrum <strong>der</strong> ökonomischen Forschung tätig war, kaum möglich, alternative Konzeptein Maßnahmen und Gesetze umzusetzen. Das wäre nur nach 1989 möglich gewesen, aberdann hatte sich auch das durch die schnelle Währungsunion erübrigt.“ (Gespräch, Zeile 690-717)Auch für Dieter Walter waren die Reformversuche <strong>der</strong> 60er <strong>Jahre</strong> <strong>der</strong> Ausgangspunkt wissenschaftlichenArbeitens. Dabei spielte die Anwendung ökonomisch-mathematischer Methodeneine wichtige Rolle. In <strong>der</strong> Plankommission befaßte er sich mit mathematisch-statistischen Methoden<strong>der</strong> Prognose und Verflechtungsbilanzierung, später arbeitete er am ZIW <strong>der</strong> Akademie<strong>der</strong> Wissenschaften zur Anwendung mathematisch-statistischer Methoden in <strong>der</strong> Verflechtungsbilanzanalyse.Er berichtet:„Ulbricht hatte in seinen späten <strong>Jahre</strong>n die m.E. im Kern richtige Vorstellung, daß wir längerfristig denkenmüssen, nicht nur von heute auf morgen. Daß das dann völlig utopisch und fast lächerlich zur Losung‚Überholen ohne einzuholen‘ führte, hatte an<strong>der</strong>e Ursachen ... Es entstand aber in diesem Zusammenhangauch die Abteilung Prognose (später Langfristige Planung) in <strong>der</strong> Plankommission. E-gal, wie unrealistisch das war - die Idee gemeinsamer Arbeit von Wissenschaftlern, Volkswirtschaftsplanernund Managern <strong>der</strong> Kombinate und VEB an längerfristigen Prognosen war richtig. Es war offensichtlich,daß prinzipieller über die gesellschaftlichen und ökonomischen Perspektiven <strong>der</strong> DDRnachgedacht werden mußte. Mit dem Wechsel zu Honecker ging es seit 1970/71 in Richtung eineskleinbürgerlichen Konsumsozialismus. Mit <strong>der</strong> Verlagerung konzeptioneller und längerfristiger Wirtschaftsprognosenaus <strong>der</strong> Verantwortung von Partei und Staat in Institute <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaftenwar die Arbeit jedoch bereits zum Scheitern verurteilt. Übrigens: Von führenden Kreisen <strong>der</strong><strong>SED</strong>, insbeson<strong>der</strong>e G. Mittag, war m.E. nicht eine solche ‚Verlagerung‘, son<strong>der</strong>n ein Abbruch eigenständigervolkswirtschaftlicher Analyse und Planung beabsichtigt. Nur ließen sich Initiativen z.B. in <strong>der</strong>Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften wahrscheinlich nicht ganz verhin<strong>der</strong>n.“ (Gespräch, Zeile 167-181)Aus seiner Perspektive stellten sich aber die zentralen und grundsätzlichen Fragen einer sozialistischenWirtschaftsorganisation, auf die sich keine hinreichenden Antworten fanden.„Aber ich hatte auch Denkbarrieren. Selbst solche Leute wie die international anerkannten polnischenÖkonomen und Reformsozialisten Brus und Laski hatten gerade im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Investitionsproblematikim Sozialismus eine bestimmte Barriere, wie in ihrem Buch ‚Von Marx zum Markt‘

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