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Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre - Rosa-Luxemburg ...

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66„<strong>Der</strong> Staat ist um <strong>der</strong> Menschen Willen da! Er darf nicht mehr sein als ein Zusammenschluß von Menschenunter Rechtsgesetzen. Gesetze sollen die allgemeinverbindlichen Formen <strong>der</strong> demokratischenÜbereinkünfte zwischen mündigen Bürgern sein. Rechtens ist, was sich auf dem Boden solcher Gesetzevollzieht. Damit aus dem vormundschaftlichen Staat ein Rechtsstaat werden kann, müssen wireinen Wandel im Rechts- und Staatsleben <strong>der</strong> DDR herbeiführen. Das beinhaltet die Einführung <strong>der</strong>Gewaltenteilung und die wirksame öffentliche Kontrolle aller Schutz- und Sicherheitsorgane durch dieVolksvertretungen. Damit die Menschen diesen Wandel auf demokratischem Wege herbeiführen können,bedarf es zunächst einer Reform des Wahlrechts und <strong>der</strong> uneingeschränkten Gewährleistung <strong>der</strong>Grundrechte. Wir sind uns bewußt, daß <strong>der</strong> demokratische Wandel in <strong>der</strong> DDR sich von unten herentwickeln muß und nicht allein von oben her verordnet werden kann. Auf dem Weg zu diesem Zielunterstützen wir jede Rechtsän<strong>der</strong>ung,- die darauf gerichtet ist, Benachteiligungen für Bürger und Gruppen zu verhin<strong>der</strong>n, die nach denGrundsätzen <strong>der</strong> Verfassung von ihrem Recht <strong>der</strong> Meinungs-, Versammlungs- und VereinigungsfreiheitGebrauch machen,- welche die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Richter, <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> gesellschaftlichen Gerichte und <strong>der</strong>Rechtsanwälte stärken sowie die Einflußnahme <strong>der</strong> politischen Parteien auf die Auswahl und beruflicheBeför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> entsprechenden Personen unterbinden will.Damit oppositionelles Handeln nicht mehr kriminalisiert werden kann, sind kurzfristig die entsprechendenTatbestände des politischen Strafrechts, insbeson<strong>der</strong>e die sogenannten Staatsverbrechen- Hochverrat (96 StGB)- Landesverrat (97 StGB)- Staatsfeindliche Hetze (106 StGB)- Verfassungsfeindlicher Zusammenschluß (107 StGB)- Wi<strong>der</strong>stand gegen staatliche Maßnahmen (212 StGB)- Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit (217 StGB)- Zusammenrottung (217 StGB) zu überarbeiten und neu zu fassen.Damit <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Gesetzlichkeit in <strong>der</strong> Verwaltung <strong>der</strong> DDR gestärkt wird, müssen sämtlicheVerwaltungsakte gerichtlich überprüfbar sein. Anstelle enggefaßter Reiseregelungen for<strong>der</strong>n wir dieuneingeschränkte Freizügigkeit, einschließlich des Rechts für jeden Bürger, die DDR zu verlassen undzurückzukehren.“ 48Im Herbst 1989 gehörte Henrich zu den Aktivisten <strong>der</strong> Bürgerbewegung, die mit ihrem medialvermittelten öffentlichen Auftreten beträchtliche Öffentlichkeitswirkung erzielten. Als Vertreterdes Neuen Forums widmete er sich am „Runden Tisch“ u.a. <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Staatssicherheitund <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> Volkskammerwahlen vom 18. März. Henrich hatte im November 1989seine Anwaltszulassung zurückerhalten; im Frühjahr 1990 zog er sich aus <strong>der</strong> unmittelbar politischenTätigkeit zurück und nahm seine anwaltliche Berufsausübung wie<strong>der</strong> auf. Nach wie vorist Henrich auch wissenschaftlich-publizistisch aktiv, so äußerte er sich u.a. zu Problemen <strong>der</strong>Aufarbeitung <strong>der</strong> DDR-Geschichte und zu Fragen von Gewalt und Krieg nach dem Ende <strong>der</strong>Blockkonfrontation.Auf die Reformdiskussionen in und außerhalb <strong>der</strong> <strong>SED</strong> rückblickend und durchaus in Distanz zur sichseit 1989/90 durchsetzenden Entwicklung, in <strong>der</strong> eine genuin ostdeutsche Konzeptionsbildung auso<strong>der</strong>wirkungslos blieb, stellt Henrich im Gespräch fest: „Das Problem ist ja, daß es zu einem wirklichenDiskurs gar nicht mehr gekommen ist. ... Hätte es 1985 begonnen, wäre ich eben beispielsweisegegen [Michael] Brie angetreten, und es hätte einen längeren Prozeß gegeben, in dem man seine Positionenhätte qualifizieren müssen. Man wäre gezwungen gewesen, genauer zu sagen, wie es mitden volkseigenen Betrieben denn weitergehen soll, wie wir die Kombinate und die mittleren Betriebeumformen, damit sie wettbewerbsfähig werden.“ (Gespräch, Zeile 457-463) An an<strong>der</strong>er Stelle heißt es:„Dadurch, daß dann alles so blitzartig zusammenbrach, gab es keine Möglichkeit, daß hier Konzepteund Personen hinreichend Profil gewinnen konnten. Wäre die Auseinan<strong>der</strong>setzung bereits 1985 los-48Ebenda, S. 6/7.

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