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Der SED-Reformdiskurs der achtziger Jahre - Rosa-Luxemburg ...

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61kann aber auch den Kampf für die Wahrheit und die Gerechtigkeit, die man meint, innerhalb <strong>der</strong> Parteiaufnehmen und auf diese Weise ... [die] allgemeinmenschliche Front in <strong>der</strong> Partei stärken ...“ 42Das Problem <strong>der</strong> Mündigkeit des Individuums ist das Zentralthema des Buches „<strong>Der</strong> vormundschaftlicheStaat“. Henrich befragt den Staatssozialismus nach strukturellen Bedingungen wienach subjektiven Handlungsmustern, die die Selbstbestimmung des Menschen verunmöglichen,und entwickelt umrißhaft eine Vorstellung sinnerfüllter individueller Existenz und menschengemäßergesellschaftlicher Ordnung. Aus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> angesprochenen Momentesollen nur einige <strong>der</strong>jenigen herausgehoben werden, in denen sich sein Nachdenken über gesellschaftlicheStrukturen und Legitimationsformen zusammenfaßt.1. In Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> offiziösen Theorie <strong>der</strong> Gesellschaftsformationen stellt Henrichsein Verständnis <strong>der</strong> Geschichtlichkeit des Sozialismus zur Diskussion. Er nimmt die BahroscheThematisierung <strong>der</strong> asiatischen Produktionsweise auf und radikalisiert sie. Das in <strong>der</strong> Sowjetunionausgeprägte Sozialismusmodell sieht er in <strong>der</strong> Kontinuität <strong>der</strong> durch die Allmacht desStaates charakterisierten spezifisch östlichen Mo<strong>der</strong>nisierungsweise gesellschaftlicher Verhältnisse.Die eigenständige Ausbildung und Entwicklung genuin gesellschaftlicher Akteure in Wirtschaft,Politik und Kultur kam hier nicht zum Zuge, eigentliches Subjekt historischer Verän<strong>der</strong>ungund dessen Triebkraft blieb die zentralisierte Macht. Wie dieses Strukturmuster zum Kerndes kommunistischen Parteiverständnisses geriet und welche Demokratiedefizite sich damitverbinden, demonstriert Henrich anhand einer Textanalyse <strong>der</strong> Organisationsdebatte zwischenLenin und <strong>Luxemburg</strong>. Die in <strong>der</strong> Sowjetunion errichtete ‚Diktatur des Proletariats‘ erweist sichso als Erstreckung <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong> Parteibürokratie auf den gesellschaftlichen Gesamtorganismuszum Zwecke einer mit hartem Zwang durchzusetzenden Industrialisierung - <strong>der</strong>en Kostenmacht Henrich mit dem Verweis auf das GULAG-System und die Massenrepressalien deutlich.Das System des Staatssozialismus wird als ökonomische, industrielle Despotie begriffen,die Zentraltheoreme seiner Ideologie und Gesellschaftswissenschaft - wie die ‚führende Rolle<strong>der</strong> Partei‘ und die ‚welthistorische Mission <strong>der</strong> Arbeiterklasse‘ - als bloße Rechtfertigungsfloskeln<strong>der</strong> politbürokratischen Machtvollkommenheit entlarvt. Die Grundstruktur des Staatssozialismusfaßt Henrich folgen<strong>der</strong>maßen zusammen:„Mit <strong>der</strong> Zentralisierung <strong>der</strong> Eigentümerbefugnisse, <strong>der</strong> Aneignungsmacht hinsichtlich des erzeugtenMehrprodukts und <strong>der</strong> Direktion des ganzen lebendigen Arbeitsvermögens <strong>der</strong> Gesellschaft stellt sichdie ökonomische Despotie - in ihrer Gestalt als bürokratisch organisierter Korpus - als das unbeschränkteSubjekt des Volkseigentums in <strong>der</strong> staatssozialistischen Gesellschaft dar. In <strong>der</strong> Politbürokratieverkörpert sich <strong>der</strong> ordnende Wille, <strong>der</strong> gemeinsame Zweck <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>der</strong> für sich selbständigist und demgegenüber sich die Willkür des Individuum und seiner Kollektive zu bescheidenhat. Die politbürokratische Autorität wird zum entscheidenden Bindeglied, welches den über den einzelnenBetrieb, die Städte und Gemeinden hinweggreifenden Handlungszusammenschluß wahrt. In<strong>der</strong> Subjektivität des General-Sekretärs erscheint die Rechtseinheit auf den Punkt gebracht. Er ist <strong>der</strong>Herr, um es mit Hegel zu sagen, <strong>der</strong> ‚dem Beson<strong>der</strong>n entgegentritt‘.“ 434243Ebenda, S. 317.Ebenda, S. 108.

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