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Ausgewählte Abgrenzungsprobleme bei kriminellen und ...

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1. Einleitung<br />

Kriminelle <strong>und</strong> terroristische Organisationen<br />

«…die Organisation über Frau, Kinder, Vaterland <strong>und</strong> Religion zu<br />

stellen; die Befehle eines Leutnants ohne Zögern zu befolgen, selbst wenn<br />

es sich um Mord handelt; einer Strafverfolgungsbehörde keine Informationen<br />

oder Hilfe zu geben (omertà); die von einem Leutnant festgesetzten<br />

Abgaben zu zahlen, ungeachtet eines bestimmten Zwecks; Aussenstehenden<br />

nichts über die Organisation zu offenbaren; alle Mitglieder ungeachtet<br />

persönlicher Gefühle zu respektieren; die gegenüber einem anderen<br />

Mitglied eingegangenen Schulden zu bezahlen; niemals andere Mitglieder<br />

zu verletzen, zu bestehlen oder über sie abfällige Bemerkungen zu machen;<br />

nicht mit den Frauen, Schwestern oder Töchtern zu verkehren, ausser<br />

mit ehrbaren Absichten. » 1<br />

Mit der Einführung des Organisationstatbestandes „kriminelle Organisation“ (Art. 260ter<br />

StGB) versprach sich der Gesetzgeber ein „zentrales Element einer erfolgsversprechenden<br />

Gesamtstrategie gegen das organisierte Verbrechen“ geschaffen zu haben. 2 Hinter dieser Idee<br />

stand die düstere Befürchtung, die Schweiz würde sich über kurz oder lang zu einem „Sultanat<br />

der Mafia“ 3 entwickeln.<br />

Obwohl Art. 260ter StGB seit dem 1. August 1994 in Kraft ist, hat sich die Bestimmung seither<br />

nicht besonders bewährt: Es gibt nur wenige Urteile <strong>und</strong> in gut drei Viertel der berücksichtigten<br />

Strafentscheide (48 von 63) erfolgten Freisprüche bezüglich der Anklage wegen<br />

Art. 260ter StGB. 4 Die Anwendung von Art. 260ter StGB gestaltet sich in der Praxis tatsächlich<br />

als schwierig. Das mag zunächst an der inhaltlichen Unschärfe des Tatbestandes liegen,<br />

welcher mit kriminologischen Merkmalen angereichert wurde <strong>und</strong> in der Literatur bereits vor<br />

Einführung des Tatbestandes bis heute verschiedentlich Anlass zu Kritik gab. 5 Zudem stellte<br />

die gesetzliche Formulierung des Organisationstatbestandes den Gesetzgeber vor Probleme<br />

<strong>und</strong> evozierte rechtspolitische Auseinandersetzungen. 6 Dennoch hat sich der Wortlaut von<br />

Art. 260ter StGB bis heute unverändert gehalten <strong>und</strong> bleibt v.a. für die Strafverfolgung des<br />

B<strong>und</strong>es tägliche Realität.<br />

1<br />

Publikation des U.S. Departement of Justice 1993 (13-14) zu den Gr<strong>und</strong>regeln eines (amerikanischen) Cosa<br />

Nostra-Mitglieds, abgedruckt <strong>bei</strong> VON LAMPE, Organized Crime, 200 f.<br />

2<br />

BBl 1993 277 ff.; zum Erfordernis der Strafbestimmung siehe <strong>bei</strong> KRAUSKOPF, ZStrR 1991, 392 f.<br />

3<br />

ARZT, OK-Kommentar, 334 (Fn. 114) unter Berufung auf MARK PIETH bzw. den ehemaligen Untersuchungsrichter<br />

CARLO PALERMO <strong>und</strong> dessen Referat „Mani pulite in Italia e la pista Svizzera“; PIETH, Situationsbericht,<br />

33 f.; DEL PONTE, ZStrR 1995, 240 ff.; NATTERER, Landesbericht, 734.<br />

4<br />

BAUMGARTNER, BSK II, 1722; weitere Hinweise auf Statistiken <strong>bei</strong> ARZT, ZStrR 2003, 371; WIPRÄCHTI-<br />

GER, NZZ; KOUMBARAKIS, Kronzeugenregelung, 92, wo<strong>bei</strong> auch kantonale Urteile mitberücksichtigt wurden<br />

<strong>und</strong> Art. 260ter StGB oft gemeinsam mit Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG (bandenmässiger Drogenhandel)<br />

angeklagt wurde.<br />

5<br />

ARZT, AJP 1993, 1187 ff.; derselbe, OK-Kommentar, 338 f. (unter Hinweis auf WIPRÄCHTIGER, NZZ);<br />

OBERHOLZER, AJP 2000, 651 ff.; derselbe, plädoyer 2001, 32 ff..<br />

6<br />

ARZT, AJP 1993, 1187 ff.; ROULET, plädoyer 1994, 25 ff.; KUNZ, plädoyer 1996, 35; VEST, ZStrR 1994,<br />

125 ff.; siehe dazu nachfolgend unter Kapitel 4.<br />

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