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Ausgewählte Abgrenzungsprobleme bei kriminellen und ...

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4.4.2. Abgrenzung am Beispiel der „Albanian National Army“ (ANA)<br />

Kriminelle <strong>und</strong> terroristische Organisationen<br />

Gleich in zwei Entscheiden mit gr<strong>und</strong>sätzlich identischem Sachverhalt hatte sich das B<strong>und</strong>esgericht<br />

mit der „Albanian National Army“ (ANA) zu befassen. 119 Es war zu prüfen, ob die<br />

Auslieferung eines Albaners im Jahre 2004 an Serbien-Montenegro zulässig war, dem von<br />

serbischer Seite vorgeworfen wurde, er habe nach Beendigung des Bürgerkriegs der ANA,<br />

einer Nachfolgeorganisation der kosovo-albanischen UCK, 120 angehört <strong>und</strong> diese logistisch<br />

sowie finanziell unterstützt <strong>und</strong> sei u.a. auch über die Tötung eines serbischen Polizisten informiert<br />

gewesen. Der Verfolgte machte geltend, sowohl <strong>bei</strong> der UCK als auch <strong>bei</strong> der ANA<br />

habe es sich um legitime Bürgerkriegsparteien gehandelt, weshalb keine Rechtshilfe wegen<br />

Art. 260ter StGB geleistet werden dürfe. Ziel des serbischen Ersuchens sei es, (u.a.) die kosovo-albanischen<br />

Bürgerkriegsgegner (namentlich die Nachfolgeorganisationen der UCK) als<br />

Terroristen zu diskreditieren. 121<br />

Im ersten Entscheid (vom 8. Juli 2004) bestätigte das B<strong>und</strong>esgericht seine bisherige (unter<br />

Kapitel 4.3.1. erwähnte) Rechtsprechung zum politischen Delikt 122 <strong>und</strong> hielt ausdrücklich<br />

fest, dass diese Praxis auch für die Prüfung der Frage gelte, ob es sich <strong>bei</strong>m Verfolgten um<br />

einen mutmasslichen Terroristen oder um einen bewaffneten politischen Widerstandskämpfer<br />

handle. 123 Bei Auslieferungen, <strong>bei</strong> denen es um die Frage ob Terrorist oder Freiheitskämpfer<br />

gehe, seien erhöhte Anforderungen an die Verlässlichkeit <strong>und</strong> Genauigkeit des Ersuchens zu<br />

stellen als <strong>bei</strong> gemeinrechtlichen Straftaten ohne politische Konnotation. Erforderlich sei auch<br />

eine „Ausleuchtung des politischen <strong>und</strong> völkerrechtlich-humanitären Kontextes“. Weder dürfe<br />

die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zu politischen Zwecken missbraucht werden,<br />

noch dürften Hinweise auf den angeblich politischen Charakter einer Strafverfolgung dazu<br />

führen, dass Schwerstkriminelle oder Terroristen von der Strafverfolgung verschont blieben.<br />

124 Gemäss Ersuchen handelte es sich <strong>bei</strong> den Angehörigen der ANA in erster Linie um<br />

serbische Polizei- <strong>und</strong> Sicherheitskräfte. Die ursprüngliche UCK könne kaum als terroristisch<br />

bezeichnet werden, da es sich da<strong>bei</strong> unbestrittenermassen um eine völkerrechtlich anerkannte<br />

Bürgerkriegspartei handelte. Da keine verlässlichen Informationen zur inneren Struktur <strong>und</strong><br />

zum Aufbau der ANA vorlagen, der Bericht des B<strong>und</strong>esamtes für Polizei (DAP) darüber auch<br />

nicht ausreichend Aufschluss gab, sonstige Berichte von internationalen Gremien (UNO, OS-<br />

119<br />

BGE 131 II 337 ff. <strong>und</strong> 131 II 235 ff.<br />

120<br />

Die UCK (Ushtria Çlirimtare e Kosovës, zu deutsch: Befreiungsarmee des Kosovo) war eine albanische<br />

paramilitärisch-freischärlerische Organisation, die für die Unabhängigkeit des Kosovo <strong>und</strong> in Teilen für die<br />

Errichtung eines Großalbanien kämpfte. Sie entstand 1994, öffentlich trat sie erstmals 1996 in Erscheinung.<br />

Ihr Ziel war die Unabhängigkeit des Kosovo, ihr Mittel war der bewaffnete Kampf. Teile der UCK strebten<br />

auf diese Weise auch den Zusammenschluss aller mehrheitlich von ethnischen Albanern besiedelten Gebiete<br />

in Serbien, Mazedonien <strong>und</strong> Montenegro mit dem Mutterland Albanien an. Mitbegründer <strong>und</strong> Anführer war<br />

bis zu seinem Tod im Jahre 1998 Adem Jashari, danach bis zur Auflösung der UCK im Jahre 1999 Hashim<br />

Thaçi. Zur ANA siehe insbes. unter http://www.verfassungsschutz-bw.de/ausl/ausl_jugo_bestr_fbksh.htm.<br />

Stand 16.06.2008 sowie BBl 2002 1861 <strong>und</strong> BISS 2003, 26 <strong>und</strong> BISS 2001, 30.<br />

121<br />

BGE 130 II 337 E. 2.<br />

122<br />

BGE 130 II 337 E. 3.2 mit Hinweisen.<br />

123<br />

BGE 130 II 337 E. 3.3; FORSTER, ZStrR 2003, 430 f. <strong>und</strong> 438 f.<br />

124<br />

BGE 130 II 337 E. 6.1.<br />

27

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