Ausgewählte Abgrenzungsprobleme bei kriminellen und ...

Kriminelle und terroristische Organisationen
kartelle Lateinamerikas gehandelt. Ohne an dieser Stelle die einzelnen Kriterien von Art.
260ter StGB näher zu prüfen, dürfte aufgrund dieser Feststellungen auch die FARC – in Anlehnung
an die bundesgerichtliche Rechtsprechung in BGE 129 IV 271 161 – ohne weiteres als
„klassisches“ kolumbianisches Drogenkartell und damit als Verbrechensorganisation im Sinne
von Art. 260ter StGB bezeichnet werden.
Seit 2004 macht die FARC vermehrt auch wieder mit terroristischen Aktivitäten von sich reden,
indem sie mehrere Anschläge auf das kolumbianische Militär und die Polizei verübte.
Weiter befinden sich zur Durchsetzung ihrer Forderungen derzeit über 700 Menschen in ihrer
Gewalt, darunter auch die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt. Als Folge
dieser Geiselnahmen ist es am 4. und 5. Februar 2008 zu weltweiten Protestmärschen gegen
die FARC gekommen, in welchen die Demonstranten „keine Entführungen, keine Lügen,
keine Toten, frei von Terrorismus und keine FARC mehr“ forderten. 162
4.6.3. Zusammenfassung und Empfehlungen für die Strafverfolgung
Terroristische Organisationen, die zwar ihren ideologischen Unterbau beibehalten haben, jedoch
über keine starken ideologischen Führungspersönlichkeiten verfügen, ihre Ideale bereits
durch Verhandlungen und Absprachen mit der Staatsgewalt kompromittiert haben 163 und sekundär
auch (oder sogar überwiegend) materielle Ziele verfolgen, sind aufgrund ihrer Wirkungsweise
heute eher einer kriminellen Organisation statt einer Terrororganisation zuzurechnen.
164
Für die Strafverfolgung und die Anwendbarkeit von Art. 260ter StGB ist es jedoch ohne Belang,
ob eine ursprünglich politisch geprägte Gruppierung zur Terrororganisation mutiert ist
und parallel dazu analog einem Verbrechersyndikat im internationalen Drogenhandel mitmischt:
Beide Formen sind von Art. 260ter Ziff. 1 StGB gleichermassen erfasst. Symbiosen
zwischen kriminellen Organisationen und Terrororganisationen stellen so besehen juristisch
keine weiteren Abgrenzungsprobleme dar. 165
Dennoch sind die zuständigen Strafverfolgungs- und Polizeibehörden gut beraten, wenn sie
althergebrachte Muster bei der getrennten Aufklärung und Bekämpfung von organisierter
161
Siehe dazu Fn. 52 hievor.
162
Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/FARC (Stand 16.06.2008), offizielle Webseite: http://www.farcep.org;
weitere Quellen: http://www.tagesschau.de/ausland/demonstrationkolumbien2.html., (Stand 16.06.2008);
SOINE, Kriminalistik 2005, 415. Kolumbien, Peru, die USA, Kanada und auch die EU bezeichnen die FARC
als terroristische Organisation, währenddem sie in Venezuela als eine „aufständische Partei mit politischen
Zielsetzungen“ und nicht als Terroristen betrachtet wird. Namentlich die USA haben im Nachgang zum 11.
September 2001 die Parteien des internen kolumbianischen Konflikts, also die FARC und die Ejército de
Libération Nacional (ELN), auf die Terrorliste des State Departement gesetzt. Die EU folgte diesem Schritt.
Siehe auch BBl 2002 1859 f.
163
SOINE, Kriminalistik 2005, 410 ff.; in der Literatur wird dieser Typus als „Fighters turned Fellons“ genannt,
siehe dazu auch CURTIS/KARACAN, The Nexus Among Terrorists, Narcotics Traffickers, Weapons
Proliferators, And Organized Crime Networks in Western Europe“, in: The Library of Congress 2002, 22 ff.
164
BBl 2002 1839.
165
Zur Abgrenzungsproblematik Bande/kriminelle Organisation siehe gleich nachfolgend unter Kapitel 5.
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