Ausgewählte Abgrenzungsprobleme bei kriminellen und ...

Kriminelle und terroristische Organisationen
organisiert sein und planmässig zusammenarbeiten und drittens müssen sie politische oder
religiöse Ziele verfolgen. 75 Das zweite Element weist eindeutig auf Art. 260ter StGB hin.
In der Botschaft wird Art. 260ter StGB denn auch als „zweifellos der wichtigste Anwendungsfall
zur Erfassung des terroristischen Umfeldes“ bezeichnet, d.h. terroristische Gruppierungen
erfüllen in aller Regel die Voraussetzungen einer kriminellen Organisation. Für die
Anwendung spreche insbesondere die Zwecksetzung von der Begehung von Gewaltverbrechen,
die für terroristische Organisationen typisch sei. Als möglicher terroristischer Akt erwähnt
der Gesetzgeber die Entführung und Sprengung eines Verkehrsflugzeuges. 76
Auch wenn der ursprünglich geplante Straftatbestand des Terrorismus (Art. 260quinquies E-
StGB) 77 für die Schweiz nie Gesetz geworden ist, hätte er in allgemeingültiger Weise (unter
Berücksichtigung der Art. 1 EÜBT und 2 IÜBFT) sämtliche terrorismustypischen Merkmale
umfasst: Es wird zunächst die Begehung eines besonders schweren Delikts, eines Gewaltverbrechens,
vorausgesetzt. Darunter fallen Verbrechen gegen Leib und Leben, Erpressung,
Freiheitsberaubung und Entführung wie auch die gemeingefährlichen Verbrechen des 7. Teils
des StGB (Brandstiftung, Verursachung einer Explosion, Gefährdung durch Sprengstoffe
etc.). Die genannten Gewaltverbrechen werden begangen, um die Bevölkerung einzuschüchtern
oder einen Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu
nötigen. Die Nötigungshandlungen müssen allerdings von einer gewissen Schwere sein: Weder
genügt blosse untergeordnete Delinquenz, noch die Nötigung eines einzelnen Amtsträgers.
Die Einschüchterung bzw. die Schaffung eines Angstklimas muss sich schliesslich auf
eine unbestimmte Anzahl von Menschen beziehen. 78
Es liegt letztlich in der gesellschaftlich-historischen Bedingtheit rechtlicher Normierungen,
dass auch der Begriff des Terrorismus in den national organisierten Rechtsordnungen je unterschiedlich
verstanden, als Rechtsbegriff legislatorisch festgelegt und letztlich auch in der
Rechtsanwendung ausgelegt wird. Organisationen, die sich dem Terrorismusvorwurf ausgesetzt
sehen, werden diesem ohnehin mit dem Argument zu begegnen versuchen, ihre Taten
seien auf die Wiederherstellung oder Herstellung demokratischer und rechtsstaalicher Verhältnisse
oder der Wahrung von Menschenrechten gerichtet; eine Anleihe für das entsprechende
Argument findet sich bekanntlich in Abs. 3 von Art. 260quinquies StGB. 79
Da es keine gefestigte Definition des Terrorismus gibt und insbesondere hier interessierende
Abgrenzungsfragen gesetzgeberisch (auch aus politischen Gründen) nicht gelöst wurden, gilt
es für Strafverfolgungsbehörden wie Rechtsanwender gleichermassen, die zu diesen Themen
seither ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichts zu konsultieren.
75 BBl 2002 1839.
76 BBl 2002 5432 f.
77 BBl 2002 5438; BBl 2002 1889.
78 BBl 2002 5439-5441; HEINE, Landesbericht, 356 f.; FORSTER, ZStrR 2003, 426.
79 Zu Art. 260quinquies StGB siehe nachfolgend unter Kapitel 4.5.
17