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Ausgewählte Abgrenzungsprobleme bei kriminellen und ...

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Kriminelle <strong>und</strong> terroristische Organisationen<br />

einer von ihm benutzten Pariser Wohnung seien (neben internen Dokumentationen der „Brigate<br />

Rosse“ wie Protokolle von konspirativen Treffen, psychologische Tests usw.) drei kugelsichere<br />

Westen sowie Munition gef<strong>und</strong>en worden. Zwar erscheine er nicht als einer der führenden<br />

„Drahtzieher“ <strong>und</strong> Organisatoren der „Brigate Rosse“. Er sei jedoch deren Mitglied<br />

gewesen, habe ihnen unterstützend zur Verfügung gestanden <strong>und</strong> sich <strong>bei</strong> seiner Verhaftung<br />

als militanter Revolutionär ausdrücklich zur Organisation bekannt. 93 Auch Bortone vertrat vor<br />

B<strong>und</strong>esgericht die Auffassung, die Kampfhandlungen der „Brigate Rosse“ seien als politisch<br />

motiviert zu qualifizieren.<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hielt dem entgegen, <strong>bei</strong> schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten,<br />

werde der politische Charakter in aller Regel verneint. Eine einigermassen verständliche<br />

Tat sei der Einsatz von illegalen Mitteln gegen diktatorische oder systematische die<br />

Menschenrechte verletzende Regimes. Dies könnte <strong>bei</strong> eigentlichen offenen Bürgerkriegsverhältnissen<br />

der Fall sein oder wenn das betreffende Delikt (etwa <strong>bei</strong>m „Tyrannenmord“) das<br />

einzige praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde. Das<br />

B<strong>und</strong>esgericht kam zum Schluss, die „Brigate Rosse“ gehöre zu den <strong>kriminellen</strong> terroristischen<br />

Organisationen <strong>und</strong> nicht zu den Gruppierungen, die sich mit angemessenen (oder zumindest<br />

noch vertretbaren) Mitteln am Kampf um die politische Macht in ihrer Heimat beteiligen.<br />

Eine Beteiligung an bzw. Unterstützung dieser Organisation könne nicht als politisches<br />

Delikt im Sinne von Art. 3 Ziff. 1 EAUe angesehen werden. 94<br />

4.3.2. Die Euskadi ta Askatasuna (ETA) 95<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hatte im Entscheid vom 21. Oktober 2002 die Auslieferung einer deutschen<br />

Staatsangehörigen an Spanien zu beurteilen, welche dem „Kommando Barcelona“ der<br />

ETA angehört habe. Diesem werden insbesondere die Ermordung eines Obersten der spanischen<br />

Armee sowie diverse Sprengstoffanschläge <strong>und</strong> versuchte Bombenattentate vorgeworfen,<br />

welche zwischen August 1993 <strong>und</strong> April 1994 verübt wurden. Die Rolle der Auszuliefernden<br />

habe sich darauf beschränkt, in Barcelona zwei Wohnungen zu mieten, die den Mit-<br />

93<br />

BGE 128 II 361 E. 2.2-2.5.<br />

94<br />

BGE 128 II 366 E. 4.2-4.3.<br />

95<br />

Euskadi ta Askatasuna bzw. ETA (baskisch für Baskenland <strong>und</strong> Freiheit) ist eine baskische Organisation.<br />

Sie wurde am 31.07.1959 – in der Zeit der Franco-Diktatur – gegründet <strong>und</strong> verfolgt als Ziel eines von Spanien<br />

unabhängigen baskischen Staates, der die spanischen autonomen Regionen Baskenland <strong>und</strong> Navarra<br />

sowie das französische Baskenland umfassen soll. Als Ziel wird die Schaffung eines sozialistisch geprägten<br />

baskischen Staates angestrebt. Nach Angaben des spanischen Innenministeriums (Ministerio del Interior)<br />

wurden <strong>bei</strong> Anschlägen zwischen 1960 <strong>und</strong> 2003 insgesamt 817 Menschen von der ETA getötet, darunter<br />

339 Zivilisten. 478 gehörten staatlichen Organen an: Guardia Civil (198 Tote), Policía Nacional (145), Militär<br />

(97), Policía Local (24), Ertzaintza (baskische Polizei, 13), Mossos d’Esquadra (katalanische Polizei, 1).<br />

Zivile Ziele sind zumeist Politiker, Gemeinderatsmitglieder, Richter, Professoren <strong>und</strong> Unternehmer. Die<br />

ETA ist nach wie vor aktiv; ihr letztes prominentes Opfer ist der am 07.03.2008 <strong>bei</strong> einem Attentat ums Leben<br />

gekommene sozialistische Politiker Isaias Carrasco in der baskischen Kleinstadt Arrasate. Am<br />

21.05.2008 wurde Francisco Javier López Peña alias „Thierry“, der Leiter des militärischen <strong>und</strong> politischen<br />

Arms der ETA, zusammen mit weiteren Führungspersönlichkeiten der ETA im Bahnhofsviertel des französischen<br />

Bordeaux verhaftet (http://de.wikipedia.org/wiki/Euskadi_Ta_Askatasuna, Stand 16.06.2008); weitere<br />

Hinweise in BISS 2002, 28; BISS 2003, 10 <strong>und</strong> 25; BISS 2004, 35; BBl 2002 1862. Von der EU wurde<br />

die ETA, aber auch Organisationen aus ihrem Umfeld wie die Batasuna-Partei, im Jahre 2002 auf die EU-<br />

Liste verbotener Terrororganisationen aufgenommen (siehe dazu BISS 2002, 28).<br />

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