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Ausgewählte Abgrenzungsprobleme bei kriminellen und ...

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Kriminelle <strong>und</strong> terroristische Organisationen<br />

3.3. Verurteilung in der Schweiz wegen Unterstützung der ’Ndrangheta<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat in konstanter Rechtsprechung, aber in allgemeiner Weise festgehalten,<br />

dass unter den Begriff der <strong>kriminellen</strong> Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB mafiaähnliche<br />

Verbrechersyndikate fallen. 43 Es hat sich bis anhin noch nicht in einem Entscheid konkret<br />

dazu äussern müssen, ob eine bestimmte Organisation als mafiös oder mafiaähnlich <strong>und</strong><br />

damit im Sinne von Art. 260ter StGB als kriminell zu qualifizieren sei. 44<br />

Dennoch ist es im Zusammenhang mit mafiösen Organisationen in der Schweiz zu einer prominenten<br />

Verurteilung gekommen: Im Jahre 2003 verurteilte ein Tessiner Geschworenengericht<br />

einen Rechtsanwalt wegen Zugehörigkeit zu einer (mafiösen) <strong>kriminellen</strong> Organisation<br />

im Sinne von Art. 260ter StGB. Das Gericht befand, der Rechtsanwalt habe verschiedene<br />

kriminelle Organisationen – namentlich die der kalabresischen `Ndrangheta zuzurechnenden<br />

Familien SERGI, MARANDO <strong>und</strong> TRIMBOLI sowie die Cosa Nostra – durch die Verwaltung<br />

derer Vermögen <strong>und</strong> ihrer aus <strong>kriminellen</strong> Handlungen stammenden Einkünfte unterstützt. 45<br />

Da dieses wegweisende, in italienischer Sprache verfasste Urteil in der Literstur zu Art.<br />

260ter StGB bis heute so gut wie keinen Niederschlag gef<strong>und</strong>en hat, wird nachfolgend näher<br />

darauf eingegangen.<br />

Das Gericht hatte zunächst die gr<strong>und</strong>legende Frage zu klären, ob die vom Rechtsanwalt unterstützten<br />

Personen <strong>und</strong> „Familien“ SERGI, MARANDO <strong>und</strong> TRIMBOLI überhaupt einer <strong>kriminellen</strong><br />

Organisation (in Italien) zugeordnet werden können. Es bezog sich da<strong>bei</strong> zunächst auf<br />

eine Aussage eines „tenente collonnello dell’Arma dei Carabinieri“, der über eine breite Erfahrung<br />

im Bereich der Bekämpfung der OK verfügte <strong>und</strong> über die Struktur der `Ndrangheta<br />

berichten konnte. Gestützt auf italienische Strafregisterauszüge verwies das Gericht mehrmals<br />

auf die Verurteilung von SERGI, MARANDO <strong>und</strong> TRIMBOLI wegen Art. 416bis des Codice Penale<br />

Italiano (CPI, associazione per delinquere di tipo mafioso). 46 Das Gericht erwähnte in<br />

seiner Begründung mehrmals das sog. Nord-Sud-Urteil, in welchem unter anderem Struktur<br />

<strong>und</strong> Merkmale der in Frage stehenden Gruppierung <strong>und</strong> die Rolle des SERGI dargelegt wurde.<br />

Schliesslich – <strong>und</strong> das dürfte wohl eher die Ausnahme bilden – machte der Angeklagte selber<br />

Aussagen, wonach SERGI der `Ndrangheta angehöre. Gestützt auf diese Beweise stand für das<br />

43<br />

Statt vieler BGE 132 IV 132 E. 4.1.2 (mit weiteren Hinweisen); FORSTER, ZBJV 2005, 220.<br />

44<br />

WIPRÄCHTIGER, NZZ; Siehe aber Fn. 52 nachfolgend.<br />

45<br />

Erstinstanzliches Urteil des Corte delle assise criminali (Kanton Tessin) vom 16. Juni 2003.<br />

46<br />

Deutscher Wortlaut von Art. 416bis CPI (Mafiaartige Vereinigung): Wer einer aus drei oder mehr Personen<br />

bestehenden mafiaartigen Vereinigung angehört, wird mit Gefängnisstrafe von drei bis zu sechs Jahren bestraft<br />

(Art. 305 Abs. 1, 306 Abs. 2, 416 Abs. 2, 416ter). Diejenigen, die die Vereinigung anregen, leiten oder<br />

organisieren, werden schon deswegen mit Gefängnisstrafe von vier bis zu neun Jahren bestraft (Art. 305<br />

Abs. 1 <strong>und</strong> 3, 306 Abs. 1 <strong>und</strong> 3, 416 Abs. 1 <strong>und</strong> 3; 275 Abs. 3 <strong>und</strong> 5, 299 Abs. 2, 380 Abs. 21 StPO). Die<br />

Vereinigung ist mafiaartig, wenn ihre Mitglieder (Art. 628 Abs. 3 Ziffer 3) sich der einschüchternden Macht<br />

der Bindung an die Vereinigung <strong>und</strong> der daraus folgenden Bedingung der Unterwerfung <strong>und</strong> der Schweigepflicht<br />

bedienen, um Verbrechen zu begehen, damit sie mittelbar oder unmittelbar die Leitung oder sonst<br />

wie die Kontrolle über wirtschaftliche Tätigkeiten, Konzessionen, Ermächtigungen, öffentliche Vergaben<br />

<strong>und</strong> Dienste erlangen oder für sich oder andere ungerechtfertigte Erträge oder Vorteile erzielen, oder damit<br />

sie <strong>bei</strong> Wahlen die freie Ausübung des Stimmrechts verhindern oder behindern oder für sich oder andere<br />

Stimmen verschaffen (Art. 416ter; 275 Abs. 3 <strong>und</strong> 5, 299 Abs. 2 StPO); siehe Originalurteil S. 55 ff. <strong>und</strong> 59<br />

ff.<br />

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