MOTORRAD 05/2016

Sie ist total motorradbegeistert, doch ihr
Mann hat keinen Führerschein.
Da blieb nur dieser Weg, gemeinsam
Zeit auf zwei Rädern zu verbringen. „Das
Entscheidende ist doch: Wir haben zusammen
Spaß!“ Die beiden, also Nicole mit
Peter – nicht umgekehrt –, gehen oft gemeinsam
mit den Fun Bikern Schleswig-Holstein
(per Facebook) auf Tour. „Da war ich
die erste selbstfahrende Frau“, sagt Nicole
ein wenig stolz. Und da gibt es wirklich keine
Lästereien über den männlichen Sozius?
„Nur manchmal“, antwortet Peter. „Aber
wenn ich erzähle, wie viele neue BHs Nicole
schon brauchte, weil ich sie ihr beim vorne
Festhalten zerrissen habe, dann verstummt
das Necken schlagartig.“ Nicole lächelt und
schweigt dazu. Sagt nur: „Mit oder ohne
Peter hinten drauf, ich habe immer richtig
viel Spaß beim Fahren!“ Von klein auf.
„Mein Vater ist schuld, er nahm mich immer
auf dem Mokick hinten drauf mit.“ Mit
16 hatte sie in ihrem Heimatdorf ein eigenes
Mofa, mit 18 einen 50er-Roller. Aber bloß
Peters Perspektive: So sieht Lübeck von hinten betrachtet aus.
Man(n) braucht Vertrauen in den Menschen vor einem, muss
sich gut festhalten. „She‘s the boss“: Nicole sitzt am Lenker (r.)
Auto-Führerschein: Die Anmeldung zum
Motorrad-Führerschein schenkte ihr erst
Peter – zu ihrem 31. Geburtstag. Und das
Motorrad gleich mit dazu: „Ich habe Nicole
erzählt, auf der Geburtstagsfeier käme eine
große Überraschung, ein männlicher Stripper.“
Doch der entpuppte sich bloß als Vorbesitzer
einer schon umgemeldeten, frisch
geTÜVten Yamaha XJ 600 N. Peter: „Die Bedingung
beim Kauf war, dass der Verkäufer
sie zur Party in den Garten fährt, ich konnte
das ja nicht.“ Allerdings habe der Vorbesitzer
auf der Party dann klipp und klar erklärt:
„Aber ausziehen tue ich mich hier nicht!“
Nicole erinnert sich: „Da war ich zum
ersten Mal sprachlos.“ Peter relativiert
sein ungewöhnliches Geschenk: „Ich habe
Nicole das Motorrad deswegen gekauft,
weil sie für mich ihren Kinderwunsch
aufgegeben hat!“ Als die beiden sich kennenlernten,
war sie erst 25, er schon 40.
Da hatte Peter bereits drei Kinder aus erster
Ehe, wollte keine weiteren mehr. Also
bekamen sie zusammen ein
Motorrad. Gedrosselt auf 34 PS wegen Nicoles
Stufenführerschein. „Nein, die XJ zog
uns beide nicht so richtig.“ Daher kam nach
zwei Jahren diese gebrauchte 1200er-Suzuki.
„Eine große Bandit drückt einfach bullig,
mit versicherungsgünstigen 98 PS im Brief“,
freut sich die 39-jährige Floristin.
Auch Peter mag die Suzuki. „Ich bin
ja größer als Nicole. Und genieße auf der
Stufensitzbank guten Überblick über das
Geschehen nach vorn.“ Und das Mitfahren
generell? „Landstraßen und durch die Dörfer
zu fahren macht mir nichts aus. Dann sitze
ich ruhig hinten drauf und filme mit einer
Full-HD-Kamera.“ Seine Frau lobt ihn: „Er ist
ein guter Beifahrer, auch beim Filmen.“ Doch
auch Peter kommt an Grenzen – „mit höherem
Tempo auf der Autobahn an der Leitplanke
vorbei, da bekomme ich dann doch
etwas Muffe, will da nicht drunter durch.“
Warum sie den Fahrspaß nicht auf zwei
eigenen Maschinen erleben, so wie es viele
andere Pärchen machen? „Ich habe nur 200
Meter zur Arbeit, einer Wellpappefabrik, da
kostet eine eigene Maschine nur unnötig“,
erklärt Peter in klangvollem nordischen
Akzent. Nicole hingegen würde die
sieben Kilometer zu ihrer Arbeit als Floristin
durchaus öfter mal mit dem Motorrad fahren.
Ist Selberfahren für Peter wirklich kein
Thema? „Na ja, wir sind öfter mal unterwegs
in geselliger Runde mit bis zu 30 Maschinen.
Da stell ich mir dann schon mal die
Frage, aber zu Hause angekommen ist es
dann kein Thema mehr für mich.“ Das Einzige,
was dem kräftigen Mann mitunter fehlt,
seien mehr Toleranz und Anerkennung.
Bei den Touren der Fun Biker geht es
gemeinsam durch die Gegend. Oft ist das
ebenfalls sehr schöne Flensburg das Ziel
oder das nahe Dänemark. Weit nach Süden
fahren sie hingegen nur selten. „Wir haben
hier wenig Kurven an der Ostsee“, sagt
Nicole. „Eventuell kommt als Nächstes ein
Chopper, hier geht es ja sowieso meist geradeaus.“
Die beiden haben extrem differierende
Helmgrößen, sie XS, er XXL. Nicole:
„Einen Helm für Peters Quadratschädel zu
finden war gar keine einfache Aufgabe.“
Fast wäre sein Mitfahren daran gescheitert.
Wäre schade gewesen. Um den Rollentausch.
Und um diesen Hintermann.
LEBEN 101