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Guatemala & Belize<br />
unterwegs, oft spielt sich das Leben direkt<br />
auf der Straße ab, hier und da ein comedor,<br />
die Frittenbude auf guatemaltekisch. Es<br />
geht stetig abwärts, wird immer grüner und<br />
wärmer, das Hochland liegt hinter uns. Die<br />
letzte steile Abfahrt, und wir sind im Tiefland<br />
des Petén angekommen, das erst in<br />
Belize und in Mexiko an der Karibik endet.<br />
In diesem riesigen Dschungelgebiet lebten<br />
zwischen 200 und 900 n. Chr. die Maya, ein<br />
selbst nach heutigen Maßstäben sehr gebildetes<br />
Volk. Die Maya konnten die Länge<br />
eines Jahres fast minutengenau berechnen,<br />
sie wussten, dass eine Mondphase 29,52<br />
Tage dauert, und beschrieben komplexe<br />
astronomische Vorgänge. Die berühmteste<br />
Stadt ihrer Hochkultur ist Tikal, deren Ruinen<br />
sich mitten im Dschungel verstecken.<br />
Es ist noch dunkel früh um halb sechs,<br />
als wir per Stirnlampe den Weg zu den<br />
Tempeln suchen. Plötzlich ein markerschütterndes<br />
Brüllen. Hat der Tyrannosaurus Rex<br />
hier überlebt? Es sind Brüllaffen, gegen die<br />
ein Löwe wie ein schnurrendes Kätzchen<br />
klingt. Längst dämmert es, als wir die letzten<br />
Stufen hinauf zum 68 Meter hohen<br />
Tempel IV keuchen. Oben angekommen,<br />
überwältig uns die Magie des Augenblicks.<br />
Geisterhafte Nebelschwaden wabern über<br />
den endlosen Hügelketten des Regenwalds,<br />
der sich bis zum Horizont nach Belize<br />
ausbreitet. Nur die Spitzen von drei Maya-<br />
Tempeln ragen aus dem grünen Meer der<br />
Bäume. Genau dahinter taucht der rote Ball<br />
der Sonne auf. Maximale Gänsehaut.<br />
Tags darauf Belize, ein völlig anderes<br />
Land. Postkoloniale englische Lebensart,<br />
gepflegter Rasen statt wilder Müllberge,<br />
Land Rover statt Land Cruiser, Tee statt<br />
Kaffee, Englisch statt Spanisch, Gallonen<br />
statt Liter, Schwarze statt Latinos. Eine<br />
Neugieriger, immer hungriger<br />
Nasenbär in den Ruinen<br />
von Tikal. Die Grenze<br />
ist geschafft: Zur Belohnung<br />
wartet in El Salvador<br />
ein „echtes Pilsener“.<br />
Gesundes „Fast Food“<br />
am Straßenrand: Wassermelonen<br />
werden in handlichen<br />
Scheiben verkauft<br />
(von oben nach unten)<br />
Der aktive Vulkan Santiaguito bricht<br />
aus. Daneben sein großer Bruder,<br />
der 3770 Meter hohe Santa Maria<br />
bunte Welt, Multikulti. Die Palmenstrände<br />
bei Dangriga vernebelt fieser Nieselregen,<br />
der unsere Klischee-Bilder der Karibik ertränkt.<br />
Karibik-Feeling? Nicht hier und heute.<br />
Trotzdem hat der Regen auch was Gutes,<br />
jedenfalls für den, der Schlamm mag. Denn<br />
als wir auf den Coastal Highway abbiegen,<br />
werden wir mit einer roten Lateritpiste<br />
belohnt, die sich durch den sattgrünen<br />
Dschungel zieht und mit Pfützen jeglicher<br />
Größe und Tiefe verziert ist. Unsere Enduros<br />
baggern sich tapfer durch den Modder,<br />
sind schon bald mit einer fetten Schlammschicht<br />
überzogen. Kein anderes Fahrzeug<br />
begegnet uns, die fahren alle den weiten<br />
Umweg über die gute Teerstraße. Sie wissen,<br />
warum. Wir spielen lieber im Dreck.<br />
Und an die morgige Grenze nach Mexiko<br />
denken wir noch lange nicht. Ob wir die<br />
Mopeds vorher noch mal waschen sollten?<br />
Vielleicht. Mañana.<br />
www.motorradonline.de/unterwegs<br />
Infoteil auf Seite 92 <br />
5/<strong>2016</strong>