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Trutzgauer Bote |

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gemeinsames Problem die Schwäche ihrer Währungen war. Der Handel mit diesen<br />

Ländern wurde auf der Grundlage des Warenaustausches geregelt, d. h. ohne Benutzung<br />

fremder Währungen. Anders gesagt, er lief nach dem Grundsatz “Waren gegen Waren“ ab,<br />

z. B. chilenische Linsen gegen deutsche Lokomotiven. Der Warenaustausch zwischen<br />

Deutschland und seinen Partnern erfolgte auf monatlicher Basis, ohne Bezahlung in<br />

fremder Valuta und ohne die Notwendigkeit, den Handel durch Darlehen und zinsbringendes<br />

Geld im Voraus zu finanzieren. Auf diese Weise schuf sich Deutschland<br />

zwischen 1933 und 1936 eine informelle wirtschaftliche Sonderzone, ein deutsches<br />

Präferenzsystem …<br />

Allerdings – und daran lag der Haken – verloren die USA, Grossbritannien und Frankreich<br />

wichtige Marktsektoren, die sie bisher dominiert hatte, insbesondere die Vereinigten<br />

Staaten in Südamerika. Ausserdem büssten New York und London ihr Kreditgeschäft<br />

durch Vorfinanzierung des Aussenhandelns in jenen Ländern ein, die jetzt Tauschhandel<br />

mit Deutschland trieben.<br />

Es machte den Anschein, als mausere sich Deutschland vom Finanzzwerg zum Finanzriesen,<br />

und zwar namentlich auf Kosten der Sieger des Ersten Weltkriegs. Der deutsche<br />

Erfolg in Südamerika, der Hand in Hand mit einem Niedergang der amerikanischen<br />

Kreditgeschäfte in jenem Weltteil gingen, bereitete Präsident Roosevelt arges Bauchgrimmen.<br />

Schliesslich wurde das deutsche Modell auch in den USA selbst attraktiv und<br />

hätte Roosevelts Popularität beeinträchtigten können. Immerhin war es dem Reichsbankpräsidenten<br />

und Handelsminister Hjalmar Schacht sowie der von Hitler betriebenen<br />

Politik gelungen, die Arbeitslosigkeit in Deutschland zum Verschwinden zu bringen und<br />

das Volkseinkommen zu verdoppeln, während Roosevelt mit seinem New Deal ungeachtet<br />

eines blühenden Aussenhandels immer noch 10,4 Millionen Arbeitslose am Hals hatte.<br />

Auch Grossbritannien wurde durch den unabhängigen Kurs Deutschlands in Mitleidenschaft<br />

gezogen. Obgleich die Ottawa-Länder(die Mitgliedsländer des Britischen Weltreichs;<br />

der Name geht auf die Wirtschaftkonferenz des Britischen Empire in Ottawa im<br />

Jahre 1932 zurück) eine protektionistische Politik betrieben und so den Freihandel verhinderten,<br />

war die deutsche Politik, die darauf abzielte, die internationalen Kapitalmärkte<br />

auszuschliessen und via Schutzgebühren Zugang zu den Märkten von 25 Ländern zu<br />

gewinnen, ihrer Ansicht nach unannehmbar. Nach dem Krieg schrieb General Fuller hinsichtlich<br />

der deutsch-englischen Beziehungen:<br />

“Hitlers Traum war somit ein Bündnis mit Grossbritannien … ein solches Bündnis<br />

war allerdings unmöglich, und zwar vor allem, weil Hitlers unmittelbar nach seiner<br />

Machtübernahme verfolgte Wirtschaftspolitik des direkten Austauschhandels sowie<br />

der Ausfuhrprämien dem britischen und dem amerikanischen Handel einen<br />

tödlichen Schlag versetzten.”<br />

US-Präsident Roosevelt drückte dasselbe kürzer aus; am Tag, an dem er beschloss, die<br />

USA an der Seite Grossbritanniens in den Krieg zu führen, sagte er zu seinem Sohn Elliot:<br />

“Kann irgendjemand denn ernstlich bestreiten, dass Deutschlands Versuch, den<br />

Handel in Mitteleuropa zu dominieren, einer der Hauptgründe für den Krieg war?”<br />

Die von den verschiedenen Nationen zwischen der Weltwirtschaftskrise und dem Krieg<br />

benutzten Methoden – Schutztarife, Abwertung, höhere Zinsraten, präferentieller Handelsstatus,<br />

Tauschhandel oder Importquoten – nützten den Verbrauchern und schadeten<br />

allen Konkurrenten. Sie waren durchwegs technische Instrumente der Finanz und des<br />

Handels. Doch die USA und Grossbritannien hüllten diese Instrumente in ein moralisches<br />

Tarnmäntelchen. Sie bezeichneten ihre eigenen Konkurrenzmethoden als ‚friedlichen und<br />

freien‘ Handel. Schliesslich wurden Pfund, Franc und Mark an den Dollar gebunden, der<br />

bis 1971 durch 0,7 Gramm Gold gedeckt war und anschliessend durch gar nichts. Von nun<br />

an konnten die USA ihre Importe mit Dollars finanzieren, die sie selber druckten, während<br />

sämtliche andere Nationen ihre Importe zuerst bezahlen mussten, und zwar meist in<br />

<strong>Trutzgauer</strong> <strong>Bote</strong> | Gerard Menuhin: Wahrheit sagen, Teufel jagen Seite 78

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