Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
schenrechtlich verbriefte Recht auf Familienleben<br />
erheblich e<strong>in</strong>geschränkt. Dabei ist die Situation<br />
<strong>der</strong> subsidiär Schutzberechtigten mit <strong>der</strong> Situation<br />
<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention (GFK)<br />
anerkannten Flüchtl<strong>in</strong>ge unter dem Gesichtspunkt<br />
<strong>der</strong> Schutzbedürftigkeit vergleichbar. Beson<strong>der</strong>s<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Situation wird dies bei Menschen<br />
deutlich, die dem syrischen Bürgerkrieg entkommen<br />
s<strong>in</strong>d. In beiden Fällen erhalten die Menschen<br />
Schutz, weil sie im Falle e<strong>in</strong>er Abschiebung<br />
gravierenden Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt<br />
wären. Auch subsidiär Schutzberechtigte aus<br />
Syrien werden auf unabsehbare Zeit <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
bleiben, weil unklar ist, wie lange <strong>der</strong> Krieg <strong>in</strong><br />
ihrem Herkunftsland dauern wird.<br />
Die Aussetzung des Familiennachzugs ist mit <strong>der</strong><br />
UN-K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechtskonvention nicht vere<strong>in</strong>bar. Denn<br />
für unbegleitete m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige Flüchtl<strong>in</strong>ge hat die<br />
Aussetzung beson<strong>der</strong>s gravierende Folgen. K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
s<strong>in</strong>d dadurch gezwungen, m<strong>in</strong>destens zwei Jahre <strong>–</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis wegen <strong>der</strong> langen Bearbeitungsdauer<br />
<strong>der</strong> Anträge noch deutlich länger <strong>–</strong> ohne e<strong>in</strong>en<br />
Elternteil zu leben. Die UN-K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechtskonvention<br />
for<strong>der</strong>t dagegen explizit, dass Anträge auf<br />
Familienzusammenführungen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n „beschleunigt“<br />
zu bearbeiten s<strong>in</strong>d (Artikel 10 UN-K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechtskonvention),<br />
wobei das K<strong>in</strong>deswohl<br />
vorrangig zu berücksichtigen ist (Artikel 3 Absatz 1<br />
UN-K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechtskonvention).<br />
3.8.2 Erschwerung des Familiennachzugs<br />
für Anspruchsberechtigte<br />
E<strong>in</strong>en Anspruch auf unmittelbaren Familiennachzug<br />
haben <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nach wie vor die nach<br />
<strong>der</strong> Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskommission anerkannten<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge sowie alle subsidiär Schutzberechtigten,<br />
<strong>der</strong>en Aufenthaltsstatus vor dem 17. März<br />
<strong>2016</strong> bewilligt wurde. Sie stoßen bei <strong>der</strong> Wahrnehmung<br />
dieses Anspruchs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis aber auf<br />
große Hürden.<br />
Das liegt e<strong>in</strong>erseits daran, dass die anspruchsberechtigten<br />
Angehörigen physisch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />
se<strong>in</strong> müssen, die entsprechenden Antragsstellen<br />
für E<strong>in</strong>reisevisa <strong>–</strong> deutsche Auslandsvertretungen<br />
zum Beispiel <strong>in</strong> Jordanien, im Libanon, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei<br />
<strong>–</strong> zu erreichen. E<strong>in</strong>zelfallberichte zeigen, dass<br />
dies nicht o<strong>der</strong> nur unter erschwerten Bed<strong>in</strong>gungen<br />
möglich ist.283 Zudem müssen Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong><br />
Griechenland, <strong>der</strong>en Familienangehörige schon <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> s<strong>in</strong>d, laut <strong>der</strong> deutschen Botschaft<br />
<strong>in</strong> Athen nach Athen reisen, um dort e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>reisevisum<br />
zu beantragen.284 Dies ist aber den neu<br />
ankommenden Schutzsuchenden auf den griechischen<br />
Inseln nicht möglich, da sie seit Geltung des<br />
EU-Türkei-Abkommens auf den Inseln festgehalten<br />
werden.<br />
Zum an<strong>der</strong>en kann es Jahre dauern, bis e<strong>in</strong> bestehen<strong>der</strong><br />
Anspruch auf Familienzusammenführung<br />
tatsächlich gewährleistet wird. E<strong>in</strong> Grund dafür ist<br />
die hohe Zahl von Visumsanträgen. Im Jahr <strong>2015</strong><br />
und im ersten Quartal <strong>2016</strong> wurden alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den<br />
Auslandsvertretungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei, im Libanon, <strong>in</strong><br />
Jordanien, Ägypten und im Irak <strong>in</strong>sgesamt 30.226<br />
Visa zur Familienzusammenführung erteilt.285<br />
Die deutschen Auslandsvertretungen kommen<br />
mit <strong>der</strong> Bearbeitung <strong>der</strong> hohen Zahl an Visumsanträgen<br />
nur langsam h<strong>in</strong>terher. So mussten im<br />
September <strong>2015</strong> Betroffene <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei bis zu<br />
e<strong>in</strong>em Jahr darauf warten, e<strong>in</strong>en Visumsantrag auf<br />
Familienzusammenführung zu stellen. In Kairo und<br />
Riad betrugen die Wartezeiten auf e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong><br />
bis zu sechs Monate.286 In den Auslandsvertretungen<br />
im Irak (Erbil) war es bis Mai <strong>2015</strong> nicht möglich,<br />
Visaanträge auf Familienzusammenführung<br />
zu stellen. Entsprechende Personen wurden nach<br />
Ankara verwiesen.<br />
Medienberichten zufolge soll es aufgrund <strong>der</strong><br />
langen Wartezeiten bei <strong>der</strong> Term<strong>in</strong>vergabe außerdem<br />
zu e<strong>in</strong>em Schwarzhandel mit Term<strong>in</strong>en zur<br />
Vorsprache <strong>in</strong> Visaangelegenheiten gekommen<br />
283 Zum Beispiel von Pro Asyl (<strong>2016</strong>): https://www.proasyl.de/news/familiennachzug-wird-systematisch-verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t/ (abgerufen am<br />
29.09.<strong>2016</strong>).<br />
284 Deutscher Bundestag (<strong>2016</strong>h), S. 1.<br />
285 Auswärtiges Amt (<strong>2016</strong>b), S. 2.<br />
286 Deutscher Bundestag (<strong>2015</strong>a), S. 1.