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Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016

Menschenrechtsbericht_2016

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Flucht: politischer und gesellschaftlicher Kontext 59<br />

Beson<strong>der</strong>s besorgniserregend ist, dass Krim<strong>in</strong>alität<br />

gegen Flüchtl<strong>in</strong>ge und Hassreden nicht nur im<br />

rechtsextremen Milieu zu verorten s<strong>in</strong>d. Soweit<br />

Täter_<strong>in</strong>nen bei Übergriffen auf Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkünfte<br />

o<strong>der</strong> geflüchtete Menschen ermittelt<br />

wurden, waren diese häufig zuvor noch nicht mit<br />

rassistisch motivierten Straftaten <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />

getreten.120 Studien zur E<strong>in</strong>stellungsforschung<br />

zeigen, dass autoritäre und rechtsextreme E<strong>in</strong>stellungen<br />

beziehungsweise Stereotype und negative<br />

E<strong>in</strong>stellungen gegen Juden, S<strong>in</strong>ti/S<strong>in</strong>tezas und<br />

Roma/Romnija, Muslim_<strong>in</strong>nen, Flüchtl<strong>in</strong>ge und<br />

Migrant_<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft weit<br />

über rechtsextreme Milieus h<strong>in</strong>aus verbreitet<br />

s<strong>in</strong>d.121 Die Partei Alternative für <strong>Deutschland</strong><br />

(AfD) war im <strong>Juni</strong> <strong>2016</strong> <strong>in</strong> acht Län<strong>der</strong>parlamenten<br />

vertreten und ihre Mitglie<strong>der</strong> treten teilweise<br />

offensiv rassistisch und menschenverachtend auf.<br />

Gruppierungen wie Patriotische Europäer gegen<br />

die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) o<strong>der</strong><br />

Hooligans gegen Salafisten (Hogesa) organisieren<br />

Veranstaltungen, auf denen es zu verbalen<br />

Attacken gegen Flüchtl<strong>in</strong>ge und Politiker_<strong>in</strong>nen<br />

kommt. Das BKA spricht von e<strong>in</strong>er „xenophoben<br />

Grundstimmung“, die gezielt „<strong>in</strong> bürgerliche Kreise“<br />

herangetragen werden solle.122<br />

Die <strong>in</strong>ternationalen Menschenrechtsverträge verpflichten<br />

<strong>Deutschland</strong>, Rassismus im politischen<br />

Raum und im öffentlichen Leben entgegenzutreten.<br />

Dies betrifft auch die strafrechtliche Verfolgung<br />

von Hasskrim<strong>in</strong>alität, <strong>in</strong>klusive Hassreden.<br />

Auf dem Justizgipfel von Bund und Län<strong>der</strong>n im<br />

März <strong>2016</strong> wurde unter an<strong>der</strong>em Folgendes beschlossen:<br />

die Bildung von Son<strong>der</strong>dezernaten zum<br />

Kampf gegen politisch motivierte Krim<strong>in</strong>alität, das<br />

verstärkte Vorgehen gegen Hasskrim<strong>in</strong>alität im<br />

Internet, die <strong>Entwicklung</strong> aussagekräftiger Statistiken<br />

zu Phänomenen <strong>der</strong> Hasskrim<strong>in</strong>alität und ihrer<br />

Strafverfolgung und die Fortbildung <strong>der</strong> Justiz.123<br />

Neben <strong>der</strong> strafrechtlichen Verfolgung ist es<br />

deshalb außerordentlich wichtig, dass sich Re-<br />

präsentant_<strong>in</strong>nen des Staates und <strong>der</strong> Politik klar<br />

und glaubwürdig gegen rassistische Äußerungen<br />

und Taten aussprechen, wie es Politiker_<strong>in</strong>nen<br />

auf allen Ebenen (Bund, Län<strong>der</strong>, Kommunen) und<br />

aller im Bundestag vertretenen Parteien getan<br />

haben. Darüber h<strong>in</strong>aus engagieren sich e<strong>in</strong>zelne<br />

Bundesbehörden verstärkt gegen die Zunahme<br />

von Hassreden. Unter an<strong>der</strong>em <strong>in</strong>itiierte das<br />

Bundesm<strong>in</strong>isterium <strong>der</strong> Justiz und für Verbraucherschutz<br />

(BMJV) im September <strong>2015</strong> zusammen mit<br />

Facebook e<strong>in</strong>en Austausch zwischen Regierungsvertreter_<strong>in</strong>nen,<br />

Internetanbietern und zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen zum Umgang mit<br />

rechtswidrigen Hassbotschaften.124 Wichtig ist,<br />

dass diese Maßnahmen Rassismus überall <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft <strong>in</strong> den Blick nehmen. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

<strong>der</strong> zunehmenden Verbreitung von Flüchtl<strong>in</strong>gsfe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

und Rassismus ist es notwendig,<br />

<strong>in</strong> Aufklärung und Bildung zu <strong>in</strong>vestieren.<br />

2.7 Das Thema Flucht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schulbildung<br />

Das Thema Flucht bestimmte die gesellschaftliche<br />

Debatte <strong>in</strong> den Jahren <strong>2015</strong> und <strong>2016</strong> wie kaum e<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>es. Ob im privaten Umfeld, <strong>in</strong> den Medien<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> politischen Stellungnahmen <strong>–</strong> überall spielten<br />

und spielen Flüchtl<strong>in</strong>ge, ihre Situation und die<br />

sehr verschiedenen Reaktionen auf sie e<strong>in</strong>e große<br />

Rolle. In zunehmendem Maße werden <strong>in</strong> diesen<br />

Diskursen rassistische E<strong>in</strong>stellungen vertreten.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund spielen Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Die Schule ist für e<strong>in</strong>e<br />

gesamtgesellschaftliche Wissensvermittlung und<br />

Sensibilisierung <strong>der</strong> zentrale Ort. Aufgabe schulischer<br />

Bildung ist es unter an<strong>der</strong>em, Themen,<br />

die <strong>in</strong> den Medien kontrovers diskutiert werden,<br />

reflektiert aufzugreifen und menschenrechtlich zu<br />

rahmen. Daher ist es wichtig und wünschenswert,<br />

120 Bundesm<strong>in</strong>isterium des Innern (<strong>2016</strong>d), S. 41.<br />

121 Küpper/Zick (<strong>2015</strong>); Decker/Kieß/Brähler (<strong>2016</strong>).<br />

122 Kampf (<strong>2016</strong>).<br />

123 Bundesm<strong>in</strong>isterium <strong>der</strong> Justiz und für Verbraucherschutz (<strong>2016</strong>a).<br />

124 Zu den konkreten Vere<strong>in</strong>barungen <strong>der</strong> Initiative siehe BMJV (<strong>2015</strong>): http://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/<strong>2015</strong>/1215<strong>2015</strong>_<br />

ErgebnisrundeTaskForce.html?nn=6705022 (abgerufen am 13.10.<strong>2016</strong>). E<strong>in</strong>e erste Auswertung <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>barten Maßnahmen fand<br />

im September <strong>2016</strong> statt: BMJV (<strong>2016</strong>): http://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/<strong>2016</strong>/0926<strong>2016</strong>_Geme<strong>in</strong>sam_gegen_<br />

Hasskrim<strong>in</strong>alitaet.html (abgerufen am 13.10.<strong>2016</strong>).

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