Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 85<br />
<strong>der</strong>n auch Menschen im Duldungsstatus. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus leben <strong>in</strong> solchen E<strong>in</strong>richtungen auch Menschen,<br />
die e<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis erhalten haben,<br />
weil sie als asylberechtigt anerkannt worden<br />
s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en subsidiären Schutzstatus erhalten<br />
haben o<strong>der</strong> aus humanitären Gründen.<br />
3.4.1 Wohnverpflichtungen<br />
Die Unterbr<strong>in</strong>gung von Flüchtl<strong>in</strong>gen nach ihrer Zeit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtung ist bundesweit<br />
sehr unterschiedlich geregelt: E<strong>in</strong>erseits gibt es<br />
Kommunen, die das Konzept <strong>der</strong> dezentralen Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
verfolgen und Flüchtl<strong>in</strong>ge vorrangig <strong>in</strong><br />
Wohnungen unterbr<strong>in</strong>gen. Die Län<strong>der</strong> überlassen<br />
hier den Kommunen die Entscheidung über die Art<br />
<strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung und verpflichten Asylsuchende<br />
nicht, <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünften zu leben<br />
(zum Beispiel Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Nie<strong>der</strong>sachsen,<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen). An<strong>der</strong>erseits gibt es Län<strong>der</strong><br />
und Kommunen, die Asylsuchende o<strong>der</strong> Menschen<br />
im Duldungsstatus dazu verpflichten, <strong>in</strong> den<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünften zu wohnen, mitunter<br />
sogar über Jahre (zum Beispiel Bayern). 215<br />
E<strong>in</strong> jahrelanger pauschaler Ausschluss vom Wohnungsmarkt<br />
kollidiert <strong>in</strong>des mit dem Recht auf diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien<br />
Zugang zum Wohnungsmarkt,<br />
das e<strong>in</strong> wesentlicher Bestandteil des menschenrechtlich<br />
verbrieften Rechts auf Wohnen (Artikel<br />
11 Absatz 1 UN-Sozialpakt) ist. Solche Regelungen<br />
s<strong>in</strong>d we<strong>der</strong> verhältnismäßig noch mit dem menschenrechtlich<br />
verbrieften Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot<br />
(Artikel 2 Absatz 2 UN-Sozialpakt) vere<strong>in</strong>bar. Das<br />
Recht, den Wohnsitz frei zu wählen, kann zwar für<br />
Menschen, die Asyl suchen o<strong>der</strong> sich nach deutschem<br />
Aufenthaltsrecht im Duldungsstatus bef<strong>in</strong>den,<br />
e<strong>in</strong>geschränkt werden. Menschen pauschal<br />
alle<strong>in</strong> wegen ihres Aufenthaltsstatus jahrelang<br />
vom Zugang zum Wohnungsmarkt auszuschließen,<br />
ist nicht zu rechtfertigen.216<br />
3.4.2 H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse beim Zugang zum<br />
Wohnungsmarkt<br />
Regelungen wie die Wohnsitzauflage, die den<br />
Zugang zum Wohnungsmarkt verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, tragen<br />
dazu bei, dass es nicht genügend freie Plätze <strong>in</strong><br />
Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünften für neu ankommende<br />
Menschen gibt. In <strong>der</strong> Praxis folgt daraus, dass<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünfte überbelegt s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong><br />
Notunterkünfte wie Turnhallen geschaffen beziehungsweise<br />
aufrechterhalten werden, die faktisch<br />
nicht nur als Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen, son<strong>der</strong>n<br />
mit teilweise fließenden Übergängen auch als<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünfte genutzt werden. Wird<br />
<strong>der</strong> Zugang zum Wohnungsmarkt forciert, könnten<br />
Plätze für die Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Unterkünften frei<br />
werden.<br />
Gegenwärtig verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n Wohnsitzauflagen und Regelungen<br />
zur Verteilung von Asylsuchenden, dass<br />
Menschen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaftsunterkunft<br />
wohnen, <strong>in</strong> leerstehende Wohnungen vor Ort o<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> benachbarte Geme<strong>in</strong>den o<strong>der</strong> Städte ziehen<br />
können. Auch <strong>der</strong> Umzug <strong>in</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Bundesland<br />
scheitert, selbst wenn sich dort Verwandte<br />
o<strong>der</strong> Bekannte aufhalten, bei denen Wohnraum<br />
vorhanden ist. Diese Problematik wird verschärft,<br />
wenn nun auch anerkannte Flüchtl<strong>in</strong>ge mit Wohnsitzauflagen<br />
belegt werden, was nach dem Inkrafttreten<br />
des Integrationsgesetzes <strong>–</strong> entgegen <strong>der</strong><br />
Vorgabe <strong>der</strong> Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention217 <strong>–</strong><br />
möglich ist.<br />
215 Siehe dazu Wendel (2014).<br />
216 Cremer (2014), S. 8 f.<br />
217 Deutsches Institut für Menschenrechte (<strong>2016</strong>c).