Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Flucht: politischer und gesellschaftlicher Kontext<br />
Überzeugungen. Sie zeigt, dass sich <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
e<strong>in</strong>e Kultur <strong>der</strong> Menschenrechte etabliert<br />
hat. Die Zivilgesellschaft leistet e<strong>in</strong>en großen<br />
Beitrag dazu, dass Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ihre<br />
Menschenrechte wahrnehmen können. Dieser<br />
Beitrag war zugleich, angesichts <strong>der</strong> hohen Zahlen<br />
schutzsuchen<strong>der</strong> Menschen und <strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung<br />
von Behörden, für Tausende <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
ankommende Flüchtl<strong>in</strong>ge überlebensnotwendig.<br />
Zu hoffen bleibt, dass dieser E<strong>in</strong>satz für die Rechte<br />
Geflüchteter von Dauer ist. Für die kommenden<br />
Jahre und <strong>in</strong> Anbetracht <strong>der</strong> s<strong>in</strong>kenden Flüchtl<strong>in</strong>gszahlen<br />
wird erwartet, dass sich ehrenamtliches<br />
Engagement von <strong>der</strong> „Ersthilfe“ auf die Integration<br />
(Arbeitsmarkt, Wohnung, Bildung) verlagert.113<br />
Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass<br />
<strong>der</strong> Schutz und die Gewährleistung von Menschenrechten<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> primären Verantwortung des<br />
Staates liegt. Bund, Län<strong>der</strong> und Kommunen haben<br />
die Aufgabe, sich um e<strong>in</strong>e nachhaltige Unterstützung<br />
und gute Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen<br />
Akteuren zu bemühen, ohne jedoch<br />
staatliche Verantwortung auf diese zu übertragen.<br />
2.6 Straftaten gegen<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />
Die Reaktionen auf die wachsende Zahl von<br />
Flüchtl<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs immer von e<strong>in</strong>er<br />
Kultur <strong>der</strong> Menschenrechte geprägt. Das Bundeskrim<strong>in</strong>alamt<br />
(BKA) registrierte im Jahre <strong>2015</strong><br />
<strong>in</strong>sgesamt 1.027 politisch motivierte Straftaten<br />
gegen Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkünfte.114 Laut BKA hat sich<br />
damit die Anzahl <strong>der</strong> Straftaten gegen Unterkünfte<br />
im Vergleich zum Vorjahr mehr als vervierfacht.115<br />
Für das erste Halbjahr <strong>2016</strong> wurden bereits 530<br />
solcher Übergriffe gezählt.116 Dazu gehören<br />
Beschädigungen im Vorfeld <strong>der</strong> Eröffnung <strong>der</strong> Unterkünfte,<br />
Ste<strong>in</strong>würfe und gesprayte Hassparolen,<br />
aber auch Schüsse mit scharfer Munition sowie<br />
Brand- und Sprengstoffanschläge. Dazu kommen<br />
Anschläge gegen Menschen, die Flüchtl<strong>in</strong>gen helfen<br />
o<strong>der</strong> für <strong>der</strong>en Rechte e<strong>in</strong>stehen, unter an<strong>der</strong>em<br />
freiwillige Helfer_<strong>in</strong>nen, Politiker_<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong><br />
Journalist_<strong>in</strong>nen. Alle<strong>in</strong> im Zeitraum <strong>Januar</strong> bis<br />
Mai <strong>2016</strong> s<strong>in</strong>d gegen diese Gruppe 245 Straftaten<br />
verübt worden.117 Laut Medienberichten warnte<br />
das BKA <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lagebericht vom April <strong>2016</strong><br />
erstmalig vor körperlichen Angriffen auf Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />
und weist darauf h<strong>in</strong>: „Neben Körperverletzungen<br />
muss <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen auch mit Tötungsdelikten<br />
gerechnet werden.“ 118 Ausdrücklich nennt das<br />
BKA als Ziel rechter Gewalt auch ehrenamtlichen<br />
Flüchtl<strong>in</strong>gshelfer_<strong>in</strong>nen, Politiker_<strong>in</strong>nen und<br />
Journalist_<strong>in</strong>nen.119 Neben rassistisch motivierten<br />
tätlichen Angriffen war vor allem e<strong>in</strong>e zunehmend<br />
rassistische Positionierung im öffentlichen Raum<br />
zu beobachten. In Reden, Interviews, bei Demonstrationen,<br />
auf Wahlplakaten o<strong>der</strong> im Internet<br />
<strong>–</strong> zunehmend wird gegen Flüchtl<strong>in</strong>ge und Vertreter_<strong>in</strong>nen<br />
an<strong>der</strong>er Gruppen gehetzt. Dennoch gibt<br />
es e<strong>in</strong>e Vielzahl von Gegenstimmen <strong>–</strong> E<strong>in</strong>zelpersonen,<br />
zivilgesellschaftliche Organisationen o<strong>der</strong><br />
Medienvertreter_<strong>in</strong>nen.<br />
Öffentliche Positionierung gegen Hassrede:<br />
Beispiele<br />
Hoaxmap<br />
Onl<strong>in</strong>e-Karte mit Gerüchten über Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />
und ihre Wi<strong>der</strong>legungen<br />
ƘƘ<br />
www.hoaxmap.org<br />
Amadeu Antonio Stiftung<br />
Chronik flüchtl<strong>in</strong>gsfe<strong>in</strong>dlicher Vorfälle<br />
ƘƘ<br />
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/service/chronik-vorfaelle<br />
Neue deutsche Medienmacher<br />
Deutsche Kampagne im Kontext <strong>der</strong> Initiative<br />
des Europarates gegen Hassreden im Netz (geför<strong>der</strong>t<br />
vom Bundesm<strong>in</strong>isterium für Familien,<br />
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ))<br />
ƘƘ<br />
www.no-hate-speech.de<br />
113 Speth/Becker (<strong>2016</strong>).<br />
114 Bundeskrim<strong>in</strong>alamt (<strong>2016</strong>a).<br />
115 Ebd., S. 3. Allerd<strong>in</strong>gs muss diese Zahl auch im Kontext <strong>der</strong> Vervielfachung <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkünfte gesehen werden.<br />
116 Bundeskrim<strong>in</strong>alamt (<strong>2016</strong>b), S. 8.<br />
117 Sanches (<strong>2016</strong>).<br />
118 Kampf (<strong>2016</strong>).<br />
119 Ebd.