Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
deckt werden können. Dies betrifft zum Beispiel<br />
die Versorgung mit Arzneimitteln bei chronischen<br />
Erkrankungen, Hörhilfen, Rollstühle o<strong>der</strong> orthopädische<br />
Hilfsmittel. Inwieweit solche Leistungen<br />
gewährt werden, ist aber laut Gesetz e<strong>in</strong>e Ermessensentscheidung<br />
<strong>der</strong> Behörden. Somit entscheiden<br />
letztlich oft Sachbearbeiter_<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Sozialo<strong>der</strong><br />
Gesundheitsämter über die Notwendigkeit<br />
e<strong>in</strong>er mediz<strong>in</strong>ischen Behandlung. Dem Bund liegen<br />
ke<strong>in</strong>e Zahlen über die Anzahl <strong>der</strong> Anträge auf<br />
Leistungen nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz<br />
vor.202<br />
3.3.4 Gewaltschutz <strong>in</strong> Unterkünften<br />
Im letzten Jahr ist Gewalt <strong>in</strong>nerhalb von Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkünften<br />
zunehmend diskutiert worden.<br />
Seriöse Zahlen über das Ausmaß existieren nicht.<br />
Die Ersche<strong>in</strong>ungsformen von sowie die Gründe<br />
für Diskrim<strong>in</strong>ierung und Gewalt <strong>in</strong> Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen<br />
und Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünften<br />
s<strong>in</strong>d vielfältig. So gab es unter an<strong>der</strong>em Berichte<br />
über geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen<br />
seitens <strong>der</strong> Bewohner_<strong>in</strong>nen, des Personals<br />
<strong>der</strong> Unterkunft sowie des Wachschutzes. Es gab<br />
H<strong>in</strong>weise auf K<strong>in</strong>desmissbrauch durch Eltern<br />
o<strong>der</strong> Mitreisende. Auch über religionsbezogene<br />
Gewalt203 <strong>–</strong> etwa gegen (konvertierte) Christ_<strong>in</strong>nen,<br />
Jesid_<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Schiit_<strong>in</strong>nen <strong>–</strong> sowie über<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung und Übergriffe gegen lesbische,<br />
schwule, bi-, trans- und <strong>in</strong>tergeschlechtliche<br />
Menschen (LSBTI) wurde berichtet. Nicht zuletzt<br />
gab es rassistisch o<strong>der</strong> antimuslimisch motivierte<br />
Übergriffe gegen Flüchtl<strong>in</strong>ge und ihre Unterkünfte<br />
von außen, das heißt <strong>der</strong> Mehrheitsbevölkerung.<br />
In vielen Bundeslän<strong>der</strong>n waren Schutzmaßnahmen<br />
für die Bewohner_<strong>in</strong>nen Gegenstand von<br />
Diskussionen <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>parlamenten.204 Die im<br />
Berichtszeitraum ergriffenen Maßnahmen hatten<br />
schwerpunktmäßig Frauen und K<strong>in</strong><strong>der</strong> als Betroffene<br />
im Fokus.<br />
Die Gründe für Diskrim<strong>in</strong>ierung und Gewalt <strong>in</strong><br />
Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkünften s<strong>in</strong>d vielfältig und nicht<br />
immer klar zu trennen. Konflikte zwischen Personengruppen<br />
unterschiedlicher Herkunft können<br />
aufgrund von Verständnisschwierigkeiten eskalieren<br />
o<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> unterschiedlichen Aussichten,<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>en Schutzstatus zuerkannt zu<br />
bekommen. Zusätzlich können psychologische<br />
Gründe (wie Traumata) e<strong>in</strong>e Rolle spielen. E<strong>in</strong> Auslöser<br />
von Gewaltvorfällen <strong>in</strong> den Unterkünften war<br />
<strong>2015</strong> die schwierige Unterbr<strong>in</strong>gungssituation: stark<br />
überbelegte E<strong>in</strong>richtungen und Notunterkünfte<br />
ohne ausreichende Koch-, Wasch- und sanitäre<br />
E<strong>in</strong>richtungen und/o<strong>der</strong> ohne Rückzugsräume.205<br />
Diese Situation hat sich mit dem Rückgang <strong>der</strong><br />
Flüchtl<strong>in</strong>gszahlen entschärft. Im Zeitraum <strong>Januar</strong><br />
bis <strong>Juni</strong> <strong>2016</strong> gab es e<strong>in</strong>en Rückgang <strong>der</strong> Straftaten<br />
<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkünften um über 30 Prozent.206<br />
Grund- und Menschenrechte verpflichten den<br />
Staat, Menschen vor Gewalt und Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
zu schützen. E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Vorbeuge- und<br />
Schutzverpflichtung besteht, wenn <strong>der</strong> Staat<br />
Menschen e<strong>in</strong>en bestimmten Wohnort zuweist und<br />
ihre Möglichkeiten e<strong>in</strong>schränkt, ihr persönliches<br />
Umfeld auszuwählen. Deshalb müssen effektive<br />
Maßnahmen ergriffen werden, Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Erstaufnahme-<br />
und Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünften etwa<br />
vor geschlechtsspezifischer o<strong>der</strong> religionsbezogener<br />
Gewalt o<strong>der</strong> vor Gewalt aufgrund <strong>der</strong> Orientierung<br />
und Geschlechtsidentität zu schützen. Auch<br />
müssen Betroffenen konkrete Schutzmaßnahmen<br />
zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Gewaltschutzrecht<br />
(Gewaltschutzgesetz, polizeirechtlicher<br />
und zivilrechtlicher Gewaltschutz) besteht<br />
dafür <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong> Instrumentarium;<br />
dieses muss auch für Flüchtl<strong>in</strong>ge effektiv<br />
umgesetzt werden. Effektiver Gewaltschutz, <strong>der</strong><br />
diese Vorgaben umsetzt, umfasst verschiedene<br />
Elemente:<br />
202 Spitzenverband <strong>der</strong> Gesetzlichen Krankenkassen (<strong>2016</strong>).<br />
203 Deutsches Institut für Menschenrechte (<strong>2016</strong>e); Open Doors e.V. (<strong>2016</strong>).<br />
204 Zum Beispiel <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sächsisches Landesparlament (<strong>2015</strong>): https://kle<strong>in</strong>eanfragen.de/nie<strong>der</strong>sachsen/17/5228-was-tut-die-rot-gruenelandesregierung-gegen-sexuelle-uebergriffe-auf-frauen-<strong>in</strong>-oeffentlichen-e<strong>in</strong>richtungen-<strong>in</strong><br />
(abgerufen am 03.10.<strong>2016</strong>) und Berl<strong>in</strong>er Senat<br />
(<strong>2015</strong>): https://kle<strong>in</strong>eanfragen.de/berl<strong>in</strong>/17/17580-schutzkonzepte-fuer-gefluechtete-frauen-zugang-zu-schutz-und-beratungsangebotenfuer-frauen.txt<br />
(abgerufen am 21.10.<strong>2016</strong>).<br />
205 Scholz (<strong>2016</strong>a), S. 154.<br />
206 Bundeskrim<strong>in</strong>alamt (<strong>2016</strong>b), S. 7.