Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 83<br />
<strong>–</strong> Prävention: zum Beispiel Informationen über<br />
und Ausbau von Beratungsangeboten, räumliche<br />
Standards<br />
<strong>–</strong> Intervention: zum Beispiel Ablaufpläne <strong>in</strong> Fällen<br />
von Gewalt<br />
<strong>–</strong> Schutz: zum Beispiel Trennung von Täter und<br />
Opfer durch schnelle Umverteilung207<br />
Bis Mitte <strong>2016</strong> war <strong>der</strong> Bereich Gewaltschutz für<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge nur wenig <strong>in</strong> Gesetzen, untergesetzlichen<br />
Normen o<strong>der</strong> normkonkretisierenden Vorgaben<br />
geregelt. In e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>n (zum Beispiel<br />
Baden-Württemberg, Bayern, Berl<strong>in</strong>) gibt es die<br />
Verpflichtung, <strong>in</strong> Unterkünften für Schutzsuchende<br />
nach Geschlecht getrennte abschließbare Sanitäranlagen<br />
vorzuhalten. In Leit- o<strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ien zur<br />
Zuweisung o<strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt<br />
und Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen ist geregelt, dass Frauen<br />
<strong>in</strong> Fällen von Gewalt umverteilt beziehungsweise<br />
aus <strong>der</strong> Verpflichtung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunterkunft<br />
zu wohnen, entlassen werden können.<br />
E<strong>in</strong>e Verpflichtung für Betreiber von Unterkünften,<br />
Gewaltschutzkonzepte vorzulegen, ist im Berichtszeitraum<br />
we<strong>der</strong> als Rahmenvorgabe im Aufenthalts-<br />
o<strong>der</strong> Asylgesetz noch <strong>in</strong> Landesgesetzen<br />
verankert worden.<br />
<strong>Entwicklung</strong> von Standards für den Betrieb<br />
von Unterkünften <strong>–</strong> Gewaltschutzkonzepte<br />
Statt e<strong>in</strong>er gesetzlichen Verankerung von Standards<br />
wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Kommunen, Län<strong>der</strong>n<br />
und im Bund e<strong>in</strong>e Vielzahl an Vorgaben für den<br />
Umgang mit Gewalt <strong>in</strong> Unterkünften entwickelt.<br />
Die folgenden Beispiele ergaben sich aus e<strong>in</strong>er<br />
telefonischen Abfrage bei den entsprechenden<br />
Behörden. Vorgaben bei Gewalt <strong>in</strong> Unterkünften<br />
wurden <strong>in</strong> unterschiedlichster Form gemacht:<br />
<strong>in</strong> sogenannten Gewaltschutzkonzepten (zum<br />
Beispiel United Nations International Children’s<br />
Emergency Fund, UNICEF, <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Familien, Senioren, Frauen<br />
und Jugend, BMFSFJ), <strong>in</strong> Standards als Annex zu<br />
Unterbr<strong>in</strong>gungskonzepten (zum Beispiel <strong>in</strong> Düsseldorf),<br />
im Kontext von Sicherheitsrahmenkonzepten<br />
(zum Beispiel <strong>in</strong> Sachsen) o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Rahmenvorgaben<br />
für Betreiberverträge (zum Beispiel <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>).<br />
E<strong>in</strong> starker Motor für die <strong>Entwicklung</strong> waren hier<br />
die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sowie<br />
die entsprechenden Verwaltungen auf Landesund<br />
Bundesebene. Entsprechend beziehen sich<br />
die Papiere ganz überwiegend auf Frauen und<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>, vere<strong>in</strong>zelt auf LSBTI-Personen. Sie adressieren<br />
die Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen auf Landesebene208,<br />
im Schwerpunkt Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünfte209<br />
o<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünfte unter<br />
beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung von Großunterkünften<br />
o<strong>der</strong> Conta<strong>in</strong>ersiedlungen210.<br />
Mitte <strong>2016</strong> gaben e<strong>in</strong>ige Bundeslän<strong>der</strong> (Hamburg,<br />
Berl<strong>in</strong>, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Bremen<br />
und Brandenburg) an, Gewaltschutzschutzkonzepte<br />
o<strong>der</strong> Leitl<strong>in</strong>ien beziehungsweise Handreichungen<br />
<strong>in</strong> Planung zu haben. Damit e<strong>in</strong>hergehend<br />
wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch angegeben, Schulungen<br />
für das Personal bereitzustellen.211 E<strong>in</strong>ige Län<strong>der</strong><br />
haben <strong>in</strong> sehr unterschiedlichem Umfang<br />
zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. So hat<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen relativ früh mit e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>ung<br />
für <strong>2015</strong> <strong>in</strong> Höhe von 900.000 und für <strong>2016</strong> <strong>in</strong><br />
Höhe von 1,75 Millionen Euro die Frauenhilfestrukturen<br />
unterstützt. In an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n wurden Mittel<br />
von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen<br />
aufgestockt, <strong>der</strong> Ausbau von mobiler Beratung<br />
f<strong>in</strong>anziert, Koord<strong>in</strong>ierungsstellen e<strong>in</strong>gerichtet o<strong>der</strong><br />
Gel<strong>der</strong> für Sprachmittlung vorgehalten.<br />
Dort, wo die Konzepte o<strong>der</strong> Vorgaben Empfehlungscharakter<br />
haben o<strong>der</strong> ohne Anb<strong>in</strong>dung an<br />
die Verträge mit Betreibern entwickelt wurden,<br />
standen die Län<strong>der</strong> und Kommunen Mitte <strong>2016</strong><br />
207 Siehe dazu Rabe (<strong>2015</strong>).<br />
208 Zum Beispiel <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachen (Geme<strong>in</strong>sames Konzept des M<strong>in</strong>isteriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) und des<br />
M<strong>in</strong>isteriums für Inneres und Sport (MI) für den K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz und Gewaltschutz für Frauen <strong>in</strong> Aufnahmee<strong>in</strong>richtungen des Landes für<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge und Asylbegehrende).<br />
209 Zum Beispiel <strong>in</strong> Gießen (Konzept zur Gewaltprävention und zum Gewaltschutz von beson<strong>der</strong>s vulnerablen Gruppen <strong>in</strong> Unterkünften für<br />
Geflüchtete).<br />
210 Zum Beispiel <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg (Gewaltschutzkonzept <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünften <strong>–</strong> Betriebskonzept. Empfehlungen unter Berücksichtigung<br />
von möglichen ethnischen und religiösen Konflikten, geschlechtsspezifischer Gewalt gegenüber Frauen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, sowie<br />
Sicherheitsbelangen von Anwohner_<strong>in</strong>nen).<br />
211 Antwort <strong>der</strong> Staatskanzleien auf Fragebogen des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Stand Mai <strong>2016</strong>).