Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
schutz.257 Und stimmt die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Datenbank abgebildete<br />
Bilanz <strong>der</strong> Teilnahme an verpflichtenden<br />
Integrationskursen nicht, steht die Verlängerung<br />
<strong>der</strong> Aufenthaltserlaubnis <strong>in</strong>frage. Auch wenn sie<br />
vermutlich die große Ausnahme darstellen, können<br />
Verwechselungen, falsche Treffer, <strong>in</strong>korrekte<br />
o<strong>der</strong> veraltete Daten nie vollständig ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Zentral s<strong>in</strong>d somit wirksame Möglichkeiten des<br />
Rechtsschutzes gegenüber rechtswidrig o<strong>der</strong><br />
fehlerhaft erhobenen o<strong>der</strong> verarbeiteten Daten.<br />
In Anerkennung dessen wurden zum Beispiel <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Eurodac-Neuverordnung von 2013 die Rechte<br />
Betroffener deutlich erweitert. Sie müssen <strong>in</strong><br />
verständlicher Weise über die Bedeutung und<br />
Konsequenzen <strong>der</strong> Datenerhebung sowie über ihre<br />
Datenschutzrechte <strong>in</strong>formiert werden.<br />
Inzwischen hält das BAMF schriftliche Belehrungen<br />
<strong>in</strong> 17 Fremdsprachen bereit.258 Auch das Bundesverwaltungsamt<br />
bietet Formulare zur Erteilung<br />
e<strong>in</strong>er Auskunft aus dem AZR <strong>in</strong> vier Sprachen<br />
an.259 An<strong>der</strong>s sieht dies jedoch bei <strong>der</strong> Datenerfassung<br />
<strong>in</strong> den Systemen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> aus:<br />
E<strong>in</strong>e Belehrung bei <strong>der</strong> Ersterfassung erfolgt<br />
häufig nur mündlich (zum Beispiel <strong>in</strong> Baden-Württemberg,<br />
Brandenburg, Bremen) und teilweise<br />
nur auf Anfrage (Saarland). Lediglich Hessen und<br />
Mecklenburg-Vorpommern geben an, dass sie die<br />
zu registrierenden Flüchtl<strong>in</strong>ge über den Zweck <strong>der</strong><br />
Datenverarbeitung und ihre Datenschutz-Rechte<br />
schriftlich aufklären.260<br />
Doch selbst wenn Geflüchtete belehrt werden,<br />
ist fraglich, <strong>in</strong> welchem Umfang sie die Bedeutung<br />
dieser Information erfassen. Als Indikator<br />
dafür kann die Zahl <strong>der</strong> Auskunftsersuche gelten:<br />
So beantragten im Jahr 2014 europaweit nur 26<br />
Personen Auskunft zu den über sie <strong>in</strong> Eurodac<br />
erfassten Daten; ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Antrag kam aus<br />
<strong>Deutschland</strong>.261 Rechtsanwält_<strong>in</strong>nen berichten,<br />
dass Geflüchtete nur <strong>in</strong> seltenen Fällen auf dem<br />
Feld Datenschutz den Konflikt mit den Behörden<br />
wagen. Die ger<strong>in</strong>ge Wahrnehmung des <strong>in</strong>dividu-<br />
ellen Rechtsschutzes wird auch von den Datenschutzaufsichtsbehörden<br />
kaum kompensiert.<br />
Mangels E<strong>in</strong>gaben von Betroffenen sehen sich die<br />
Datenschutzbeauftragten selten veranlasst, durch<br />
Vor-Ort-Prüfungen die Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> Datenhaltung<br />
und -verarbeitung zu überprüfen. Somit<br />
ist wenig bekannt über die Qualität <strong>der</strong> Daten<br />
über Geflüchtete, obwohl sie für die Betroffenen<br />
existenziell se<strong>in</strong> kann.<br />
Entsprechend sollten Betroffene und Anwält_<strong>in</strong>nen<br />
für das Thema sensibilisiert werden, um die<br />
Nutzung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Rechtsschutzmöglichkeiten<br />
zu verbessern. Verbessert werden sollte<br />
aber auch die datenschutzrechtliche Aufsicht über<br />
die großen IT-Anwendungen im Bereich Asyl und<br />
Migration. Auf diesem Wege könnten nicht nur<br />
eventuelle Missstände beseitigt und die Sicherheit<br />
für alle Beteiligten verbessert, son<strong>der</strong>n vielleicht<br />
auch umstrittene rechtliche Fragen e<strong>in</strong>er abschließenden<br />
Klärung zugeführt werden.<br />
3.7 Beschleunigte Asylverfahren<br />
Die große Zahl von Flüchtl<strong>in</strong>gen, die <strong>2015</strong> und<br />
<strong>2016</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> Schutz suchten, führten zu<br />
e<strong>in</strong>em erheblichen Rückstau bei <strong>der</strong> Registrierung,<br />
<strong>der</strong> Asylantragstellung und <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong><br />
Asylverfahren. Mehrfach wurde das Personal des<br />
Bundesamts für Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge (BAMF)<br />
aufgestockt, neue Außenstellen wurden eröffnet.<br />
Zudem nahmen Bund und Län<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />
von sogenannten Ankunfts-, Registrierungso<strong>der</strong><br />
Rückführungszentren e<strong>in</strong>e Umorganisation<br />
von Verwaltungs- und Ablaufstrukturen im Kontext<br />
des Asylverfahrens vor, um die Bearbeitungsdauer<br />
<strong>der</strong> Verfahren zu verkürzen.<br />
Neben diesen strukturellen Maßnahmen des sogenannten<br />
<strong>in</strong>tegrierten Flüchtl<strong>in</strong>gsmanagements<br />
gab es auch gesetzliche Än<strong>der</strong>ungen, <strong>der</strong>en Ziel<br />
257 Siehe Berichtsteil 3.7 zu beschleunigten Asylverfahren.<br />
258 E-Mail-Auskunft des BAMF vom 18.06.<strong>2015</strong>.<br />
259 Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Siehe Bundesverwaltungsamt (<strong>2016</strong>).<br />
260 Antwort <strong>der</strong> Staatskanzleien auf Fragebogen des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Stand Mai <strong>2016</strong>).<br />
261 eu-LISA (<strong>2015</strong>), S. 18.