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Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016

Menschenrechtsbericht_2016

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Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 79<br />

tisierter Flüchtl<strong>in</strong>ge187 <strong>–</strong> sche<strong>in</strong>en bisher nicht <strong>in</strong><br />

langfristige Konzepte überführt worden zu se<strong>in</strong>.<br />

Nach eigenen Angaben haben Mitte <strong>2016</strong> fünf<br />

Bundeslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen<br />

e<strong>in</strong>en Identifizierungsmechanismus etabliert. Drei<br />

weitere geben entsprechende Planungen an.188<br />

Bei näherer Betrachtung sieht man, dass im Rahmen<br />

dieser Identifizierung aber nicht alle beson<strong>der</strong>s<br />

schutzbedürftigen Personen erfasst werden,<br />

son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong>ige. Häufig geht es ausschließlich<br />

um unbegleitete m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige Flüchtl<strong>in</strong>ge.189 So<br />

wurde zum Beispiel <strong>in</strong> Bremen <strong>in</strong> den Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen<br />

nach eigenen Angaben e<strong>in</strong><br />

Clear<strong>in</strong>gverfahren für UMF e<strong>in</strong>gerichtet, außerdem<br />

die Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> speziellen Unterkünften sowie<br />

e<strong>in</strong>e dem K<strong>in</strong>deswohl för<strong>der</strong>liche Versorgung.<br />

Brandenburg ist Mitte <strong>2016</strong> nach eigenen Angaben<br />

im Prozess <strong>der</strong> Übertragung e<strong>in</strong>es bestehenden<br />

Konzeptes für Abschiebehafte<strong>in</strong>richtungen auf die<br />

Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen.190 Die Identifizierung<br />

Schutzbedürftiger f<strong>in</strong>det nach Angabe <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen im Rahmen <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Erstuntersuchung o<strong>der</strong> im laufenden<br />

Betrieb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung statt. Externe Fach- o<strong>der</strong><br />

Clear<strong>in</strong>gstellen s<strong>in</strong>d <strong>–</strong> außer im Fall <strong>der</strong> UMF -<br />

nicht beteiligt.<br />

Aus <strong>der</strong> Perspektive parallel befragter Nichtregierungsorganisationen,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung von<br />

Antragsteller_<strong>in</strong>nen tätig s<strong>in</strong>d, gibt es zum Teil<br />

erhebliche Defizite bei diesen Identifizierungsmechanismen.<br />

Bemängelt werden <strong>der</strong> Schwerpunkt<br />

auf M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige, das fehlende Fachwissen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

über die Auswirkungen von Folter und<br />

sexualisierter Gewalt <strong>in</strong> Form von Traumata sowie<br />

die mangelnden Konsequenzen aus e<strong>in</strong>er Identifizierung.<br />

Dies machten die Befragten überwiegend<br />

an dem fehlenden Fachpersonal <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erstaufnahme,<br />

dem fehlenden E<strong>in</strong>satz von Identifizierungs-<br />

o<strong>der</strong> Screen<strong>in</strong>g-Instrumenten191 sowie e<strong>in</strong>er hohen<br />

Anzahl von stark belasteten Bewohner_<strong>in</strong>nen fest,<br />

die sie <strong>in</strong> den Unterkünften antreffen und die e<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung sowie Versorgung<br />

benötigen.<br />

Unklar bleibt außerdem, ob und <strong>in</strong>wieweit die<br />

Informationen, die im Rahmen <strong>der</strong> Identifizierung<br />

erlangt werden und H<strong>in</strong>weise auf den Bedarf<br />

von beson<strong>der</strong>en Verfahrensgarantien geben, <strong>in</strong><br />

die Vorbereitung <strong>der</strong> Anhörung im Asylverfahren<br />

e<strong>in</strong>fließen.<br />

3.3.2 Bedarfsgerechte Unterbr<strong>in</strong>gung<br />

und Flüchtl<strong>in</strong>gssozialarbeit<br />

Auch bei <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung und Versorgung<br />

beson<strong>der</strong>s Schutzbedürftiger gibt es nach wie vor<br />

große Lücken. Dies verdeutlicht e<strong>in</strong>e vergleichende<br />

Analyse <strong>der</strong> Aufnahmegesetze <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>.192<br />

Regelungen mit Bezug zu <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung und<br />

Versorgung von Schutzbedürftigen auf <strong>der</strong> Landesebene<br />

beziehen sich bislang fast ausschließlich<br />

auf die räumliche Gestaltung <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>–</strong><br />

nicht jedoch auf e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gssozialarbeit<br />

o<strong>der</strong> auf die Klärung <strong>der</strong> Frage, was<br />

nach Feststellung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Schutzbedürftigkeit<br />

passiert.<br />

In vielen Bundeslän<strong>der</strong>n gibt es Vorgaben für die<br />

E<strong>in</strong>richtung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>räumen <strong>in</strong> Unterkünften<br />

(Baden-Württemberg, Bayern, Berl<strong>in</strong>, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Sachsen,<br />

Sachsen-Anhalt, Thür<strong>in</strong>gen), e<strong>in</strong>ige Län<strong>der</strong> sehen<br />

geschlechtergetrennte sanitäre Anlagen vor (Baden-Württemberg,<br />

Bayern, Berl<strong>in</strong>). Die vorrangige<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung Schutzbedürftiger <strong>in</strong> Wohnungen<br />

wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>n „empfohlen“ o<strong>der</strong> „ist<br />

zu berücksichtigen“. Der Verpflichtungsgrad <strong>der</strong><br />

187 Zum Beispiel Bundesweite Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Psychosozialen Zentren für Flüchtl<strong>in</strong>ge und Folteropfer (<strong>2015</strong>): http://www.<br />

baff-zentren.org/wp-content/uploads/<strong>2016</strong>/02/Modelle-zur-Fr%C3%BChfeststellung-beson<strong>der</strong>s-Schutzbed%C3%BCrftiger_01.02.pdf<br />

(abgerufen am 30.09.<strong>2016</strong>).<br />

188 Antwort <strong>der</strong> Staatskanzleien auf Fragebogen des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Stand Mai <strong>2016</strong>).<br />

189 Siehe auch Wendel (2014), S. 58.<br />

190 Antwort <strong>der</strong> Staatskanzleien auf Fragebogen des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Stand Mai <strong>2016</strong>).<br />

191 Gute Beispiele s<strong>in</strong>d an dieser Stelle das Tool zur Erkennung von Personen mit beson<strong>der</strong>en Bedarfen, erstellt von <strong>der</strong> Europäischen<br />

Asylagentur, o<strong>der</strong> Screen<strong>in</strong>g-Instrumente wie <strong>der</strong> PROTECT-Fragebogen: https://ipsn.easo.europa.eu/ und http://protect-able.eu/wpcontent/uploads/2013/01/protect-questionnaire-german.pdf<br />

(abgerufen am 20.10.<strong>2016</strong>).<br />

192 Für e<strong>in</strong>e Übersicht <strong>der</strong> Regelungen für beson<strong>der</strong>s Schutzbedürftige <strong>in</strong> den Aufnahmegesetzen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> siehe Website des Deutschen<br />

Instituts für Menschenrechte: www.<strong>in</strong>stitut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsbericht/.

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