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Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016

Menschenrechtsbericht_2016

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Flucht: politischer und gesellschaftlicher Kontext 57<br />

soll. Wichtig ist, dass diese Kommission <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

deutschen Rüstungsexportkontrolle e<strong>in</strong> klares<br />

Primat <strong>der</strong> Menschenrechte verankert und klare<br />

Abwägungsregeln formuliert. Um Entscheidungen<br />

über Rüstungsexporte nachvollziehbar zu machen,<br />

ist zudem e<strong>in</strong>e Begründung <strong>der</strong> jeweiligen Entscheidungen<br />

notwendig.<br />

2.5 Willkommenskultur <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Die hohe Zahl schutzsuchen<strong>der</strong> Menschen hat<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>e Welle <strong>der</strong> Hilfsbereitschaft<br />

ausgelöst: Klei<strong>der</strong>spenden, Deutschunterricht,<br />

Begleitung bei Behördengängen, Hilfe bei Übersetzungen,<br />

Unterstützung bei <strong>der</strong> Wohnungs- und<br />

Arbeitsplatzsuche, Kennenlern-Projekte, Patenschaften,<br />

Rechts- o<strong>der</strong> Sozialberatung. Ende <strong>2015</strong><br />

engagierten sich zehn Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

ehrenamtlich für Flüchtl<strong>in</strong>ge.108 Hun<strong>der</strong>ttausende<br />

Ehrenamtliche fanden sich <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>- und Kle<strong>in</strong>st<strong>in</strong>itiativen<br />

im gesamten Bundesgebiet zusammen,<br />

um Flüchtl<strong>in</strong>ge bei ihrer Ankunft <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

zu unterstützen. Die Jahre <strong>2015</strong> und <strong>2016</strong> verdeutlichen,<br />

dass sich <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nicht nur<br />

e<strong>in</strong>e Willkommenskultur, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Kultur <strong>der</strong><br />

Menschenrechte etabliert hat. Viele Tausende<br />

Menschen setzen sich <strong>–</strong> auf unterschiedlichste<br />

Art <strong>–</strong> dafür e<strong>in</strong>, dass Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

menschenwürdig behandelt werden und dass sie<br />

ihre Menschenrechte wahrnehmen können. Dabei<br />

unterstützt die Zivilgesellschaft nicht nur aktiv<br />

die Geflüchteten, son<strong>der</strong>n weist auch Verantwortliche<br />

<strong>in</strong> Staat und Gesellschaft auf Missstände<br />

h<strong>in</strong>. Während die Unterstützung durch Initiativen,<br />

Projekte o<strong>der</strong> selbstorganisierte Gruppen vor<br />

allem e<strong>in</strong> Phänomen <strong>der</strong> letzten beiden Jahre ist,<br />

spielen an<strong>der</strong>e Teile <strong>der</strong> Zivilgesellschaft <strong>–</strong> allen<br />

voran die Flüchtl<strong>in</strong>gsräte, Wohlfahrtsverbände<br />

und die Kirchengeme<strong>in</strong>den <strong>–</strong> bereits seit vielen<br />

Jahren e<strong>in</strong>e zentrale Rolle bei <strong>der</strong> Versorgung<br />

Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Das zivilgesellschaftliche<br />

Engagement führt nicht nur unmittelbar zur<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung und Betreuung von Flüchtl<strong>in</strong>gen,<br />

son<strong>der</strong>n hilft Flüchtl<strong>in</strong>gen auch bei <strong>der</strong> Rehabilitation<br />

und Integration. Darüber h<strong>in</strong>aus trägt es zu<br />

positiven E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Flüchtl<strong>in</strong>gen vor<br />

Ort bei.109<br />

Ehrenamtliche werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gshilfe vor<br />

allem dort tätig, wo hohe Barrieren beim Zugang<br />

zu Behördenleistungen bestehen o<strong>der</strong> staatliche<br />

Leistungen lückenhaft s<strong>in</strong>d: Die Begleitung zu<br />

Auslän<strong>der</strong>behörden, Sozialamt o<strong>der</strong> Schulen ist<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> am häufigsten angebotenen Hilfestellungen<br />

von Ehrenamtlichen. Dabei geht es darum,<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gen bei Behördenvorgängen Orientierung<br />

zu bieten und Sprachbarrieren abzubauen. E<strong>in</strong><br />

weiteres Beispiel ist die soziale, mediz<strong>in</strong>ische und<br />

psychologische Betreuung <strong>in</strong> den Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkünften.<br />

Nicht zuletzt im Bereich Sprachkurse<br />

und Sprachmittlungen fangen Ehrenamtliche den<br />

Mangel an staatlichen Angeboten auf.110<br />

Initiativen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zivilgesellschaft wurden<br />

sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene<br />

aufgelegt.111 Neben <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen För<strong>der</strong>ung ist<br />

aber auch e<strong>in</strong>e öffentlichkeitswirksame Unterstützung<br />

und Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen zentral. Studien zeigen, dass<br />

sich zivilgesellschaftliches Engagement dort am<br />

wirkungsvollsten entfalten kann, wo es vor Ort<br />

geför<strong>der</strong>t und unterstützt wird.112 Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

braucht zivilgesellschaftliches Engagement staatlichen<br />

Schutz.<br />

Die überwältigende Hilfsbereitschaft <strong>der</strong> deutschen<br />

Bevölkerung und das Engagement etablierter<br />

und neuer zivilgesellschaftlicher Akteure<br />

beruht auf humanitären Motiven, religiösen und<br />

weltanschaulichen sowie menschenrechtlichen<br />

108 Ahrens (<strong>2015</strong>). Zu Strukturen und Motiven <strong>der</strong> ehrenamtlichen Flüchtl<strong>in</strong>gsarbeit <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> siehe auch: Karakayali/Kleist (<strong>2015</strong> und<br />

<strong>2016</strong>).<br />

109 Daphi (<strong>2016</strong>).<br />

110 Karakayali/Kleist (<strong>2015</strong> und <strong>2016</strong>); Aumüller/Daphi/Biesenkamp (<strong>2015</strong>); Speth/Becker (<strong>2016</strong>); Jöris (<strong>2016</strong>).<br />

111 Zum Beispiel im Bund: Staib (<strong>2016</strong>): http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtl<strong>in</strong>gskrise/<strong>in</strong>terview-mit-<strong>der</strong>-<strong>in</strong>tegrationsbeauftragtenaydan-oezoguz-spd-14029100.html<br />

(abgerufen am 09.10.<strong>2016</strong>); zum Beispiel <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>: Parität Berl<strong>in</strong> (<strong>2016</strong>): https://www.paritaet-berl<strong>in</strong>.de/<br />

verband/aktuelles-aus-dem-verband/aktuelles-detailansicht/article/mehr-unterstuetzung-fuer-ehrenamtliche-<strong>in</strong>-<strong>der</strong>-fluechtl<strong>in</strong>gshilfe.html<br />

(abgerufen am 06.11.<strong>2016</strong>).<br />

112 Aumüller/Daphi/Biesenkamp (<strong>2015</strong>), S. 138; Speth/Becker (<strong>2016</strong>); Bundes<strong>in</strong>stitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (<strong>2015</strong>).

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