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Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016

Menschenrechtsbericht_2016

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106<br />

Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Hier von e<strong>in</strong>er freiwilligen Rückkehr zu sprechen<br />

<strong>–</strong> wie es im Rahmen <strong>der</strong> Rückkehrprogramme<br />

überwiegend geschieht <strong>–</strong> ist allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />

zutreffend. Die teilnehmenden Personen s<strong>in</strong>d<br />

überwiegend zur Ausreise verpflichtet. Sofern<br />

ihr Antrag auf Schutz abgelehnt wurde, wird die<br />

Person zur Ausreise aufgefor<strong>der</strong>t. Sie muss somit<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> gesetzten Frist (sieben bis 30 Tage)<br />

<strong>Deutschland</strong> verlassen. Kommt sie dieser Auffor<strong>der</strong>ung<br />

nicht nach, drohen Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>reisesperren,<br />

Kürzung von Sozialleistungen, Irregularität,<br />

Abschiebehaft und letztlich die zwangsweise<br />

Rückführung (Abschiebung). Die unter diesen<br />

Voraussetzungen getroffene Entscheidung zur<br />

Rückkehr kann also nicht als freiwillig bezeichnet<br />

werden. Diese E<strong>in</strong>schätzung teilen auch das<br />

UN-Flüchtl<strong>in</strong>gshilfswerk sowie Wohlfahrtsverbände<br />

und an<strong>der</strong>e Unterstützungsorganisationen von<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gen.296 Im Folgenden wird deshalb nicht<br />

von freiwilliger, son<strong>der</strong>n von unterstützter Rückkehr<br />

die Rede se<strong>in</strong>.<br />

als bei e<strong>in</strong>er zwangsweisen Rückführung. Somit<br />

bedeutet e<strong>in</strong>e unterstützte Rückkehr e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>geres<br />

Risiko für Menschenrechtsverletzungen und<br />

persönliche Härten.297<br />

In <strong>der</strong> Praxis hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>n die unterstützte<br />

Rückkehr deutlichen Vorrang vor <strong>der</strong> Abschiebung<br />

(Abbildung 8).<br />

In den meisten Bundeslän<strong>der</strong>n lag die Zahl <strong>der</strong><br />

unterstützten Rückkehrer_<strong>in</strong>nen höher als die<br />

Zahl <strong>der</strong> Abgeschobenen: Während <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

zehnmal so viele Personen mit REAG/<br />

GARP zurückkehren als abgeschoben werden,<br />

liegt die überwiegende Quote bei 2:1. In vier<br />

Län<strong>der</strong>n (Schleswig-Holste<strong>in</strong>, Sachsen, Saarland<br />

und Mecklenburg-Vorpommern) liegt die Zahl <strong>der</strong><br />

abgeschobenen Personen allerd<strong>in</strong>gs über <strong>der</strong> Zahl<br />

<strong>der</strong> Personen, die mit REAG/GARP ausreisten, im<br />

Saarland zum Beispiel ist sie um das Vierfache<br />

höher.<br />

3.9.1 Vorrang von Rückkehr vor<br />

Abschiebung<br />

Nach dem menschenrechtlichen Grundsatz <strong>der</strong><br />

Verhältnismäßigkeit soll die unterstützte Rückkehr<br />

grundsätzlich Vorrang vor <strong>der</strong> Abschiebung haben.<br />

Entsprechende Bestimmungen f<strong>in</strong>den sich zum<br />

Beispiel <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU-Rückführungsrichtl<strong>in</strong>ie (Artikel<br />

8) und im Aufenthaltsgesetz (§ 58 Absatz 1). Die<br />

Organisation und Durchführung von Abschiebungen<br />

verursacht im Übrigen erhebliche Kosten.<br />

Der Vorrang <strong>der</strong> unterstützten Rückkehr vor <strong>der</strong><br />

Abschiebung ist jedoch mehr als nur e<strong>in</strong>e Kostenfrage,<br />

er ist vor allem menschenrechtlich begründet:<br />

Bei e<strong>in</strong>er Rückkehr <strong>in</strong>s Herkunftsland ist die<br />

Würde <strong>der</strong> zur Rückkehr verpflichteten Menschen<br />

zu achten. Betroffene Personen müssen als selbstständige,<br />

eigenverantwortliche und handlungsfähige<br />

Individuen angesehen und behandelt werden.<br />

All diese Faktoren können bei e<strong>in</strong>er unterstützten<br />

Rückkehr wesentlich besser gewährleistet werden<br />

296 Diese argumentieren, dass Freiwilligkeit nur vorliegen kann, wenn e<strong>in</strong>e Person ihren gesicherten Aufenthaltsstatus aus familiären,<br />

beruflichen o<strong>der</strong> sonstigen Gründen von sich aus aufgibt und nach Beendigung ihres Aufenthaltszwecks (zum Beispiel Studium,<br />

Ausbildung) o<strong>der</strong> im Laufe e<strong>in</strong>es schwebenden Asylverfahrens von sich aus <strong>Deutschland</strong> verlässt. Siehe unter an<strong>der</strong>em UN,<br />

Hochkommissar für Flüchtl<strong>in</strong>ge (1996); S. 10; Düvell (2005), S. 63; Berthold (2005), S. 57.<br />

297 Europarat (2005).

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