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Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016

Menschenrechtsbericht_2016

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74<br />

Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Forschungsprojektes werden im Frühjahr 2017<br />

veröffentlicht.172<br />

Die Darstellung <strong>der</strong> Untersuchungsergebnisse<br />

lehnt sich an den K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechteansatz an, <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

als Teil e<strong>in</strong>es breiteren Kontextes betrachtet.<br />

Ausgehend von den Interessen des K<strong>in</strong>des steht<br />

bei dieser Betrachtung zunächst das K<strong>in</strong>d selbst<br />

im Mittelpunkt, und <strong>der</strong> Blick richtet sich dann<br />

über die Familie, die Schule und die Freizeitgestaltung<br />

auf die unterschiedlichen Kontexte, die die<br />

Lebenslagen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bestimmen.173<br />

Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst<br />

Die biografischen Erfahrungen von Krieg und<br />

Flucht bee<strong>in</strong>flussen das Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> befragten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und s<strong>in</strong>d eng verwoben mit dem<br />

Bedürfnis nach Sicherheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunterkunft.<br />

In den Erzählungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zieht sich ihr<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den als roter Faden durch alle Themen.<br />

Zunächst spiegelt sich dies <strong>in</strong> häufig alle<strong>in</strong>stehenden<br />

Aussagen wi<strong>der</strong> wie „Wir verbr<strong>in</strong>gen sehr viel<br />

Zeit zu Hause und schlafen“. Mit wachsendem<br />

Vertrauen öffnen sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zunehmend und<br />

erzählen teils unvermittelt von ihren Gefühlen und<br />

Sehnsüchten, wie sich <strong>in</strong> den folgenden Schil<strong>der</strong>ungen<br />

zeigt:<br />

„Wenn ich lerne, mache ich ruhige, traurige Musik<br />

an. Ich lerne auf dem Boden und manchmal muss<br />

ich e<strong>in</strong>fach losheulen bei manchen Lie<strong>der</strong>n, ich<br />

weiß nicht warum.“<br />

„Mir geht es heute nicht gut, weil ich viel an me<strong>in</strong>en<br />

Vater denke.“<br />

„So ohne etwas zu tun, s<strong>in</strong>d wir sehr wie zugeschnürt.<br />

Ich fühle mich irgendwie erdrückt,<br />

erstickt.“<br />

„Also ich habe e<strong>in</strong> Foto von Euch auf me<strong>in</strong>e Collage<br />

geklebt, weil ihr mich glücklich macht, weil ihr<br />

mich ablenkt.“<br />

„Ich mag das hier [die Atmosphäre im Forschungsprojekt]<br />

sehr und auch die Leute, die s<strong>in</strong>d sehr<br />

höflich und nett, so war noch nie jemand zu mir,<br />

bis auf me<strong>in</strong>e Familie.“<br />

Das Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> befragten K<strong>in</strong><strong>der</strong> hängt<br />

außerdem von ihrem Aufenthaltsstatus und von<br />

ihrem Sicherheitsgefühl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterkunft ab. Voller<br />

Sorgen und Ängste s<strong>in</strong>d die Erzählungen zum<br />

Aufenthaltsstatus: „Me<strong>in</strong> Herz ist gebrochen, weil<br />

ich nicht weiß, was aus uns wird, und wir je<strong>der</strong>zeit<br />

abgeschoben werden können.“ Vor dem Untersuchungszeitraum<br />

hatte es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterkunft Vorfälle<br />

von sexueller Belästigung von Mädchen gegeben.<br />

Die Sicherheitslage <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterkunft wurde von<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n jedoch nicht angesprochen.<br />

Familie<br />

Die Familienkonstellationen und Rollenverteilungen<br />

<strong>in</strong> den Familien <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunterkunft<br />

s<strong>in</strong>d vielfältig und unterschiedlich. Bei <strong>der</strong> Übung<br />

„Soziogramm“, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre sozialen<br />

Beziehungen malen, wird ersichtlich, dass die<br />

befragten K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwischen e<strong>in</strong> bis vier Geschwister<br />

haben. Im Kontext <strong>der</strong> Foto-Voice-Übung<br />

fotografieren e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Frage „Was ist<br />

dir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterkunft wichtig?“ ihre Eltern und ihre<br />

Geschwister. Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sprechen auch über ihr<br />

enges Verhältnis zu ihren älteren Geschwistern<br />

und darüber, wie wichtig ihnen die Geschwister<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

„Bei me<strong>in</strong>en Eltern fühle ich mich sicher. Ich<br />

selber fühle mich sicher und ich weiß auch, was<br />

ich zu tun habe, wenn jemand mir zu nahe kommt.<br />

Me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> hat mir Selbstverteidigungsgriffe<br />

gezeigt, dass ich mich, selbst wenn jemand me<strong>in</strong><br />

Leben bedroht, wehren kann.“<br />

Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> erläutern auch, dass sie von <strong>der</strong> Familie<br />

bewusst entlastet werden, um sich auf die Schule<br />

konzentrieren zu können.<br />

Schule<br />

Die befragten K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben Erfahrungen <strong>in</strong><br />

sogenannten Willkommensklassen gemacht und<br />

besuchen mittlerweile teilweise Regelklassen. Ihre<br />

172 Die Ergebnisse können nach Veröffentlichung auf <strong>der</strong> Webseite des Deutschen Instituts für Menschenrechte abgerufen werden: http://<br />

www.<strong>in</strong>stitut-fuer-menschenrechte.de.<br />

173 Vgl. Theis (2004), S. 7.

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