Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Umsetzung <strong>der</strong> UN-Leitpr<strong>in</strong>zipien Wirtschaft und Menschenrechte <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 127<br />
erstellte das Deutsche Institut für Menschenrechte<br />
e<strong>in</strong>e Basel<strong>in</strong>e-Studie zum Stand <strong>der</strong> Umsetzung<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Für die Erarbeitung <strong>der</strong> Basel<strong>in</strong>e-Studie<br />
verwendete das Institut die von <strong>der</strong><br />
UN Arbeitsgruppe, dem Th<strong>in</strong>k Tank International<br />
Corporate Accountability Roundtable (ICAR)367<br />
und dem Dänischen Institut für Menschenrechte<br />
empfohlene Methodik und befragte alle beteiligten<br />
Stakehol<strong>der</strong> nach den für sie wichtigen Fragestellungen,<br />
die im folgenden Prozess bearbeitet<br />
werden sollten.<br />
Die im Februar <strong>2015</strong> vorgelegte Basel<strong>in</strong>e-Studie<br />
wurde von den meisten Prozessbeteiligten als<br />
sehr guter Startpunkt des Prozesses begrüßt. Die<br />
Verbände <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft wünschten<br />
sich e<strong>in</strong>e umfassen<strong>der</strong>e Darstellung dessen, was<br />
durch deutsche Unternehmen bereits <strong>in</strong> diesem<br />
Bereich getan wird, und kritisierten die hohe Zahl<br />
offener Prüfaufträge, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Studie gesammelt<br />
worden waren. In <strong>der</strong> zweiten Version wurde die<br />
Darstellung von Unternehmensaktivitäten erweitert.<br />
Die Prüfaufträge wurden beibehalten, da sie<br />
als Zusammenstellung die Anliegen aller Stakehol<strong>der</strong><br />
darstellten. Im Anschluss wurden zu den<br />
zwölf wichtigsten Handlungsfel<strong>der</strong>n Expertenanhörungen<br />
durchgeführt.368 Diese wurden von den<br />
verschiedenen Verfahrensbeteiligten vorbereitet.<br />
Alle Anhörungen wurden durch das Deutsche<br />
Institut für Menschenrechte dokumentiert.369 Die<br />
Anhörungen waren nicht als Verhandlungsprozess<br />
organisiert, son<strong>der</strong>n als Diskussion offener Fragen,<br />
<strong>der</strong>en Ergebnisse die Bundesregierung beim<br />
weiteren Formulierungsprozess des Aktionsplans<br />
anleiten sollten. <strong>2016</strong> begann <strong>der</strong> Erstellungsprozess<br />
des Nationalen Aktionsplans, <strong>der</strong> länger als<br />
ursprünglich vorgesehen dauerte. Derzeit sche<strong>in</strong>t<br />
es wahrsche<strong>in</strong>lich, dass <strong>der</strong> Nationale Aktionsplan<br />
noch im November zur öffentlichen Diskussion<br />
freigegeben und zeitnah im Kab<strong>in</strong>ett verabschie-<br />
det werden wird. Insgesamt wurde das Design des<br />
Prozesses von vielen Prozessbeteiligten gelobt<br />
und auch im europäischen und <strong>in</strong>ternationalen<br />
Kontext als ausgesprochen <strong>in</strong>novativ bewertet.<br />
Der Prozess <strong>der</strong> Texterstellung erfolgte dann allerd<strong>in</strong>gs<br />
über Monate h<strong>in</strong>weg h<strong>in</strong>ter verschlossenen<br />
Türen, da es sich als schwierig erwies, <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung zu e<strong>in</strong>em Konsens zu kommen.<br />
Hauptkonfliktl<strong>in</strong>ie im Erarbeitungsprozess war<br />
die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung zwischen Wirtschaftsverbänden<br />
und Zivilgesellschaft über die Frage, ob<br />
es e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche gesetzliche Umsetzung <strong>der</strong><br />
UN-Leitpr<strong>in</strong>zipien geben müsse o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Regime<br />
freiwilliger Regelungen zu bevorzugen sei, um<br />
Unternehmen dazu zu bewegen, die UN-Leitpr<strong>in</strong>zipien<br />
umzusetzen. Befürworter e<strong>in</strong>er verb<strong>in</strong>dlichen<br />
Regelung betonten, dass dies gerade diejenigen<br />
Unternehmen entlaste und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e faire Wettbewerbssituation<br />
br<strong>in</strong>ge, die Vorreiter bei <strong>der</strong><br />
Umsetzung von Menschenrechtsstandards seien<br />
und dadurch höhere Kosten als ihre Wettbewerber<br />
hätten. Die Gegner hoben hervor, dass e<strong>in</strong>e<br />
verb<strong>in</strong>dliche Umsetzung nur <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> dazu<br />
führe, dass Unternehmen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
nachteilige Wettbewerbssituation mit Unternehmen<br />
aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n geraten würden.370 Diese<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung prägte damit nicht nur die<br />
Erarbeitung <strong>der</strong> UN-Leitpr<strong>in</strong>zipien, son<strong>der</strong>n auch<br />
die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans.<br />
John Ruggie hatte formuliert, dass für die Umsetzung<br />
se<strong>in</strong>er Leitpr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong> „smart mix“ aus<br />
freiwilligen und verb<strong>in</strong>dlichen Regelungen erstrebenswert<br />
wäre, um e<strong>in</strong> „level play<strong>in</strong>g field“ für<br />
alle Unternehmen herzustellen. Auch zwischen<br />
den beteiligten M<strong>in</strong>isterien wurde lange um e<strong>in</strong>en<br />
solchen „smart mix“ gerungen. E<strong>in</strong>e gesetzliche<br />
Grundlage für die menschenrechtliche Sorg-<br />
367 Danish Institute for Human Rights (DIHR)/ International Corporate Accountability Roundtable (ICAR) (2014).<br />
368 Die Themen <strong>der</strong> Anhörungen waren: 1. Anfor<strong>der</strong>ungen an Human Rights Due Diligence und Human Rights Impact Assessments; 2.<br />
Staatliche Schutzpflichten im eigenen Hoheitsgebiet; 3. Menschenrechtsverletzungen entlang <strong>der</strong> Liefer- und Wertschöpfungsketten;<br />
4. Unterstützung <strong>der</strong> Unternehmen; 5. Zugang zu Recht und Gerichten <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>; 6. staatliche außergerichtliche Verfahren; 7.<br />
Qualitätssicherung bei nichtstaatlichen Verfahren; 8. Berichterstattung und Transparenz; 9. Nexus zwischen Staat und Wirtschaft: (a)<br />
Instrumente <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung, (b) öffentliche Beschaffung und Auftragsvergabe; 10. Staatliche Schutzpflichten <strong>in</strong> bi- und<br />
multilateralen Wirtschaftsbeziehungen; 11. Freiwillige o<strong>der</strong> gesetzlich verb<strong>in</strong>dliche Sorgfaltspflicht? Alle Anhörungen wurden schriftlich<br />
dokumentiert und s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> Prozess-Webseite des Auswärtigen Amtes e<strong>in</strong>sehbar.<br />
369 Siehe die Website des Auswärtigen Amts mit allen Dokumentationen: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/<br />
Aussenwirtschaft/Wirtschaft-und-Menschenrechte/NAPWiMr_node.html (abgerufen am 18.11.<strong>2016</strong>).<br />
370 Die beteiligten zivilgesellschaftlichen Organisationen haben während <strong>der</strong> Ausarbeitungsphase des NAP e<strong>in</strong> mögliches Gesetz zur<br />
menschenrechtlichen Sorgfalt im Rahmen e<strong>in</strong>es Gutachtens ausarbeiten lassen: Kl<strong>in</strong>ger/Krajewski/Krebs/Hartman (<strong>2016</strong>).