Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Januar 2015 – Juni 2016
Menschenrechtsbericht_2016
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Menschenrechtslage Geflüchteter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
auf zwei Wochen. In Hamburg blieb sie mit sechs<br />
Monaten gleich.132<br />
Verlässliche Aussagen zur <strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Verweildauer<br />
<strong>in</strong> den Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d<br />
nicht möglich. Dies liegt unter an<strong>der</strong>em daran,<br />
dass viele Geflüchtete mehrere Wochen bis Monate<br />
<strong>in</strong> den Notunterkünften untergebracht wurden.<br />
Diese werden <strong>in</strong> den Statistiken zur Verweildauer<br />
teilweise berücksichtigt und teilweise nicht, was<br />
e<strong>in</strong>e Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Daten zwischen den Län<strong>der</strong>n<br />
unmöglich macht. Auch hängt die Verweildauer<br />
vom Herkunftsland ab. Seit Oktober <strong>2015</strong><br />
müssen Asylsuchende aus sogenannten sicheren<br />
Herkunftslän<strong>der</strong>n während des gesamten Asylverfahrens,<br />
möglicherweise also länger als sechs<br />
Monate, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtung bleiben<br />
(§ 47 Absatz 1a AsylG).<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus gilt während des Aufenthalts <strong>in</strong><br />
Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen für alle Asylsuchenden<br />
e<strong>in</strong>e Residenzpflicht (§ 56 AsylG). Dies bedeutet,<br />
dass die Personen sich nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von <strong>der</strong><br />
zuständigen Behörde festgelegten Bereich aufhalten<br />
dürfen. Im Oktober <strong>2015</strong> wurde die Residenzpflicht<br />
erneut verlängert, nachdem erst im Dezember<br />
2014 die Beendigung <strong>der</strong> Residenzpflicht nach<br />
drei Monaten e<strong>in</strong>geführt worden war.<br />
3.1.1 Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
Schon vor dem Anstieg <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gszahlen <strong>in</strong><br />
den Jahren 2014 und <strong>2015</strong> wiesen Wohlfahrtsverbände,<br />
Flüchtl<strong>in</strong>gsräte und an<strong>der</strong>e Nichtregierungsorganisationen<br />
(NGOs) immer wie<strong>der</strong> auf die<br />
Probleme bei <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung von Asylsuchenden<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> h<strong>in</strong>: mangelnde Hygiene, ke<strong>in</strong>e<br />
Privatsphäre, Schimmelbefall, fehlende Toiletten,<br />
undichte Dächer o<strong>der</strong> defekte Heizungen, zu<br />
wenig Essen, Misshandlungen von Flüchtl<strong>in</strong>gen<br />
durch das Sicherheitspersonal. Mit dem starken<br />
Anstieg <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gszahlen haben sich bestehende<br />
Probleme verschärft und s<strong>in</strong>d neue Probleme<br />
h<strong>in</strong>zugekommen, wie die Überbelegung von<br />
E<strong>in</strong>richtungen, vorübergehende Aufnahmestopps,<br />
die Nutzung nicht geeigneter Behelfslösungen als<br />
Notunterkünfte. Dabei sche<strong>in</strong>t es <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vergleichsweise guter und<br />
schlechter Unterkünfte zu geben.<br />
Durch die sehr hohe Zahl von neuankommenden<br />
Flüchtl<strong>in</strong>gen standen die Län<strong>der</strong> und Kommunen<br />
vor e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Herausfor<strong>der</strong>ung. Nicht nur<br />
mussten sie e<strong>in</strong>e sehr große Anzahl von Personen<br />
unterbr<strong>in</strong>gen und versorgen, son<strong>der</strong>n dies auch <strong>in</strong>nerhalb<br />
kürzester Zeit, teilweise <strong>in</strong>nerhalb weniger<br />
Stunden bewerkstelligen. Zu den Versäumnissen<br />
<strong>der</strong> letzten Jahre, die Standards <strong>in</strong> den landeseigenen<br />
Aufnahmee<strong>in</strong>richtungen auf e<strong>in</strong>em menschenrechtskonformen<br />
Niveau zu vere<strong>in</strong>heitlichen, kam<br />
e<strong>in</strong> verzögertes Reagieren auf die prognostizierten<br />
stark ansteigenden Flüchtl<strong>in</strong>gszahlen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
h<strong>in</strong>zu. Diese Faktoren trugen dazu bei, dass<br />
elementare Rechte <strong>der</strong> nach <strong>Deutschland</strong> geflohenen<br />
Menschen bei <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Not- und<br />
Behelfsunterkünften nicht e<strong>in</strong>gehalten werden<br />
konnten.<br />
Das Recht auf e<strong>in</strong>e angemessene Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
umfasst mehr als nur e<strong>in</strong> Dach über dem Kopf. Der<br />
UN-Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und<br />
kulturelle Rechte weist darauf h<strong>in</strong>, dass Menschen<br />
<strong>in</strong> Sicherheit, Frieden und Würde leben können<br />
müssen. Dazu muss Folgendes gewährleistet se<strong>in</strong>:<br />
die Rechtssicherheit <strong>der</strong> Unterkunft, die Verfügbarkeit<br />
gewisser Leistungen und Materialien (zum<br />
Beispiel wesentliche E<strong>in</strong>richtungen für die Gesundheit,<br />
Sicherheit, Wohnlichkeit und die Ernährung),<br />
die Erreichbarkeit, und die kulturelle Eignung <strong>der</strong><br />
Unterkunft.133 Auch weitere Menschenrechte müssen<br />
bei <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung Geflüchteter systematisch<br />
beachtet werden.<br />
132 Antwort <strong>der</strong> Staatskanzleien auf Fragebogen des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Stand Mai <strong>2016</strong>).<br />
133 UN, Fachausschuss zum Sozialpakt (1992), RdNr. 7, 8.