Gärtnern macht Schule - Ministerium für Ländlichen Raum und ...
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Schulgärten angeordnet. „Doch (...) war die darauffolgende<br />
Zeit nicht dazu angethan, dieses junge<br />
Unternehmen erstarken zu lassen“ (Kolb, 1880). In<br />
der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts spielte dann Württemberg<br />
eine wichtige Vorreiterrolle. In Schwäbisch-Hall<br />
wurde 1856 ein Schulgartenplan veröffentlicht,<br />
der sich über Württemberg hinaus als sehr<br />
vorteilhaft <strong>für</strong> die Schulgartenbewegung erwies.<br />
Dazu schrieb Erasmus Schwab, der „Vater“ des<br />
Arbeitsschulgartens:<br />
10<br />
„Der erste Plan eines Schulgartens, welcher<br />
in der Oeffentlichkeit Aufsehen erregte, ist<br />
der des Lehrers Häußer in Schwäbisch-Hall,<br />
welcher im Jahre 1856 in Dr. Hamm’s agronomischer<br />
Zeitschrift erschien. Viele tausend<br />
Abdrücke von Häußers Aufsatz sind durch<br />
Staatsregierungen vertheilt worden. Der Plan<br />
ist ganz einfach, er stellt einen schlichten,<br />
viereckigen Bauerngarten vor“ (Schwab,<br />
1874).<br />
Es ging Häußer hierbei um die Anlage eines Nutzgartens<br />
<strong>und</strong> die Förderung des Obstbaus,<br />
„(...).welch letzterer ja bekanntlich in Württemberg,<br />
Dank der Fürsorge der Regierung, solch ungemein<br />
großen Aufschwung erreicht hat, daß derselbe ein<br />
Beförderer des Wohlstandes geworden ist <strong>und</strong><br />
tausenden von Familien Beschäftigung <strong>und</strong> Nahrung<br />
gibt“ (Kolb, 1880). Auch in Baden spielte die<br />
Förderung des Obstbaus durch die <strong>Schule</strong> eine<br />
wichtige Rolle. In dem 1768 in Karlsruhe in Verbindung<br />
mit einer Realschule gegründeten Lehrerseminar<br />
wurden die künftigen Lehrer auch im Obstbau<br />
unterrichtet (Schulgeschichtliche Urk<strong>und</strong>en Badens,<br />
1968). Leiter dieser Realschule war damals Johann<br />
Christian Sachs, der bei Francke in Halle/Saale<br />
studiert hatte (Vierordt, 1858).<br />
Neben den auf die „Förderung des Volkswohls“<br />
bedachten Schulgärten entstanden gegen Ende<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts der so genannte Biologische<br />
Schulgarten, auch Deutscher Schulgarten<br />
genannt, der vor allem der Anschauung <strong>und</strong> Demonstration<br />
im Rahmen des naturgeschichtlichen<br />
Unterrichts diente <strong>und</strong> an die Tradition der universitären<br />
Botanischen Gärten anknüpfte, <strong>und</strong> der „Gemein-schaftliche<br />
Schulgarten“, der vor allem Pflanzen<br />
<strong>für</strong> den „naturbeschreibenden Unterricht“ bereitstellte.<br />
Dazu gesellte sich ein völlig neuer Schulgartentyp,<br />
der so genannte Österreichische Schulgarten<br />
(vgl. Abb. 1).<br />
Im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
Dieser auch als Arbeitsschulgarten bezeichnete<br />
Schulgartentyp war als „Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungsmittel“<br />
gedacht. Im Rahmen der Arbeitsschulbewegung<br />
nach dem 1. Weltkrieg gewann dieser<br />
Schulgartentyp eine große Bedeutung. „Lernen<br />
durch die Hand“, Erziehung zur Selbständigkeit,<br />
Kreativität <strong>und</strong> Produktivität waren nun die zentralen<br />
Aufgaben des Arbeitsschulgartens.<br />
Der Nationalsozialismus knüpfte äußerlich an die<br />
Arbeitsschulgartenidee an, brachte aber völlig anders<br />
geartete Aspekte ein, wie „Blut <strong>und</strong> Boden“,<br />
„Liebe zur Scholle“, „Rassenlehre“ <strong>und</strong> „rassebewußtes<br />
Handeln“ (siehe hierzu Höfer, 1937). Dieser<br />
politische Missbrauch des Schulgartens trug nicht<br />
unwesentlich zu dessen Niedergang nach 1945 bei.<br />
In der Nachkriegszeit verfolgte die Schulgartenarbeit<br />
zunächst wieder die früheren reformpädagogischen<br />
Zielsetzungen. Freude an der praktischen<br />
Arbeit, Schulung des Denkens, Pflege des<br />
Schönheitssinnes, Erholung <strong>und</strong> Selbsttätigkeit<br />
wurden angestrebt (Weisshuhn, 1951). Entgegen<br />
vieler Bemühungen verlor die Schulgartenbewegung<br />
jedoch an Bedeutung, wo<strong>für</strong> außer dem bereits<br />
erwähnten Missbrauch noch andere Gründe<br />
maßgebend waren:<br />
• Unterricht <strong>und</strong> Erziehung verlagerten sich allzu<br />
sehr zur kognitiven Seite des Lernens hin, verb<strong>und</strong>en<br />
mit einer Vernachlässigung der emotionalen<br />
<strong>und</strong> psychomotorischen Aspekte.<br />
• Lehrermangel <strong>und</strong> -fluktuation sowie große<br />
Schülerzahlen erschwerten die ohnehin organisations-<br />
<strong>und</strong> arbeitsaufwendige Tätigkeit im<br />
Schulgarten.<br />
• Das Schulgartengelände diente in vielen Fällen<br />
als willkommenes Baugelände <strong>für</strong> Schulneubauten<br />
<strong>und</strong> -erweiterungen.<br />
Es gab zwar beim Schulneubau die Konzeption der<br />
„<strong>Schule</strong> im Grünen“, die vielen <strong>Schule</strong>n eine ausgedehnte<br />
parkartige Anlage bescherte, den Schulgarten<br />
jedoch nicht berücksichtigte. In Karlsruhe<br />
z.B. gab es am Kriegsende etwa 23 Schulgärten,<br />
zu Beginn der 80er Jahre jedoch nur noch zwei.<br />
Ähnlich war es überall in Deutschland. Nur auf dem<br />
Gebiet der ehemaligen DDR blieben die Schulgärten<br />
im Zuge der polytechnischen Bildung erhalten<br />
<strong>und</strong> wurden weiter ausgebaut, aber mit überwiegend<br />
ökonomischer Zielsetzung.