UNTERWEGS IN FRANKREICH Baskenland Freude erwartet mich ein freier Parkplatz vor dem Haus. Ich nehme meinen Koffer und checke in das nur sieben Zimmer zählende Boutique-Hotel ein. Anscheinend bin ich der einzige Gast an diesem Abend. Der Rezeptionist erwartet mich bereits und zeigt mir mein Zimmer. Danach erklärt er mir, wie ich abends wieder ins Hotel gelange, sollte ich nochmals ausgehen wollen, und schließt danach die Rezeption ab. Für eine Nacht gehört mir das an einen Stadtpalast erinnernde Haus mit einem Pool auf dem Dach ganz alleine. Dies dachte ich jedenfalls, denn am nächsten Morgen sitzt der Hausherr persönlich an der Rezeption und erzählt mir, dass seine Familie ebenfalls eine Wohnung im Haus bewohnt. Gestern Abend war er nur nicht anwesend, da sich seine Enkelin auf die Abiturprüfungen am nächsten Tag vorbereitete und er und seine Frau sie dabei unterstützen wollten. Wir kommen ein wenig ins Gespräch und so erfahre ich, dass es sich bei dem Gebäude um ein Haus handelt, in dem früher wichtige Köpfe der « baskischen Sache », womit er das Streben nach baskischer Unabhängigkeit meint, trafen. Vor einigen Jahren wandelte er das Haus zusammen mit seiner Frau in ein Boutique-Hotel um, das letzten Herbst eigentlich für immer geschlossen wurde. Schließlich wollten er und seine Frau noch ein bisschen das Leben genießen. Doch dann wütete im Grand Hôtel des Ortes, das sich am gleichen Boulevard befindet, ein Feuer und die örtliche Tourismuszentrale bat ihn, sein Hotel wenigstens für eine weitere Saison wiederzueröffnen. Er traute sich nicht, sich diesem Wunsch zu verwehren und hatte deshalb wenige Tage vor meiner Ankunft das Hotel wieder für Gäste hergerichtet. So verstehe ich auch, warum ich in der letzten Nacht der einzige Gast war. Doch selbst wenn das Hotel noch ein wenig weiterbesteht, sollen mittelfristig seine Söhne das Gebäude übernehmen, die es vermutlich wieder in ein Wohnhaus umwandeln werden. Wo der Sonnenkönig heiratete Nach diesem angenehmen morgendlichen Plausch begebe ich mich auf Stadterkundungstour. Mit seinen 13.000 Einwohnern ist Saint-Jean-de-Luz ein überschaubares Städtchen, selbst wenn in der Hochsaison Touristen die Einwohnerzahl anschwellen lassen. Außerdem wirkt es sehr viel bodenständiger, aber nicht weniger charmant als das benachbarte mondäne Biarritz. Ich laufe durch die Rue Gambetta, die Hauptfußgängerzone des Ortes, in Richtung Hafen. Am Ende der Straße liegt die Place Louis XIV. Der Platz trägt nicht ohne Grund den Namen des Sonnenkönigs. Hier im Südwesten an der Grenze zu Spanien ehelichte Ludwig XIV. die spanische Infantin Maria- Theresia im Juni 1660. Die Trauung fand in der Eglise Saint-Jean-Baptiste statt, die an der Rue Gambetta nur einige Schritte von der Place Louis XIV entfernt liegt. Die Zeremonie wurde vom Bischof von Bayonne geleitet. Anschließend begab sich die Hochzeitsgesellschaft ins Haus Lohobiague, in dem der König bereits einen Monat lang logiert hatte, um sich auf seine Hochzeit vorzubereiten. Dort durften die frisch Vermählten auch ihre Hochzeitsnacht feiern. Heute trägt das Gebäude direkt am Platz den Namen « Maison Louis XIV ». Hafenatmosphäre mit Blick auf Villen Nach diesem « Ausflug » in Frankreichs Geschichte stehe ich am Rande des Hafenbeckens von Saint-Jeande-Luz. Die ganz großen Zeiten als Hafenstadt sind vorbei. Die Nachfahren der Seeräuber von einst sind längst staatstreue Bürger geworden. Auch der Walfischfang ist nur noch eine blasse Erinnerung an frühere Zeiten. Fischerboote liegen aber bis heute im malerischen Hafen von Saint-Jean-de-Luz. Der Ort ist unverändert ein wichtiger Hafen für den Fang von Thunfisch, Sardinen und Sardellen. Ich genieße den Blick auf die bunten Fischerboote, die vor mir im Hafenbecken schaukeln. Ein paar Fischer sortieren ihre Netze am Kai. Die Häuser auf der anderen Seite des Hafens gehören bereits zu Ciboure, das kleiner und weniger bekannt ist als Saint-Jean-de-Luz, sich architektonisch aber kaum unterscheidet. Am nördlichen Hafenrand fällt mir ein Haus auf, das sich durch seine Steinund Ziegelfassade von den anderen Häusern abhebt. Es handelt sich um die Maison de l’Infante. In diesem Haus eines wohlhabenden Reeders bereitete sich Maria-Theresia auf ihre Ehejahre in Versailles vor. Eine Promenade zum Flanieren Spätestens hier am Hafen habe ich mich in Saint-Jeande-Luz verliebt. Ein Gefühl, das noch stärker wird, als ich von dort aus in Richtung Meer gehe. Der breite, feinsandige Strand an der Baie de Saint-Jean-de-Luz et Ciboure, wie die durch Deiche geschützte Bucht vor dem Ort offiziell heißt, ist der perfekte Tummelplatz für Sonnenanbeterinnen und Strandcowboys. Eine erhöht angelegte Promenade lädt zum Schlendern ein. Die Villen auf den Hügeln von Ciboure im Hintergrund bilden die passende Kulisse. Ich gehe auf der Promenade in östliche Richtung, bis ich schließlich vor dem Grand Hotel stehe. Das Erdgeschoss ist noch verschlossen, aber die Handwerker sind weit vorangeschritten, aus dem durch das Feuer im Dachstuhl beschädigten Hotel wieder eine ehrwürdige Unterkunft zu machen. Für den 1. Juni <strong>2015</strong> ist die Wiedereröffnung geplant. Dann haben betuchte Gäste aus der ganzen Welt ihr Refugium im Art-Déco-Stil wieder zurück. Sicherlich werden sie dann erneut tolle Urlaubstage in Saint-Jean-de-Luz verleben können. Für mich ist jedoch der Moment gekommen, Abschied zu nehmen und meine Reise fortzusetzen. 26 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2015</strong>
Oben: Die Maison de l’Infante, in der sich Maria-Theresia auf ihre Ehe vorbereitete. Unten: In der Innenstadt von Saint-Jeande-Luz. S. 24/25: Blick über den Hafen von Saint-Jean-de-Luz nach Ciboure, das ein Ortsunkundiger kaum als eigenständige Kommune wahrnehmen würde. S. 22/23: Der Strand von Saint-Jean-de-Luz. In der Ferne erneut Ciboure mit seinen Villen. Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2015</strong> · 27