Nr. 55 - Sommer 2015

UNTERWEGS IN FRANKREICH Loire-Tal
Links: Das Schloss von Saumur, das zurzeit saniert wird. Rechts: Einer der Plätze in der Innenstadt von Saumur.
geben. Außerdem zog man ein Zwischengeschoss ein, um
möglichst viele Zellen unterbringen zu können.
Danach diente das Gebäude als Waffen- und Munitionslager.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts begann
schließlich die zivile Nutzung des Schlosses. 1906 kaufte
die Stadt das Anwesen vom französischen Staat und eröffnete
in dessen Mauern 1912 ein Museum. Heute wird
die Sehenswürdigkeit seit Jahren umfangreich restauriert,
damit sich auch zukünftige Generationen noch an der
Pracht des Gebäudes erfreuen können. Außerdem war
2001 eine Mauer eingestürzt. Dies bedeutet, dass einige
Bereiche nicht zugänglich sind und dass Gerüste teilweise
die Fassaden verdecken.
Auch wenn das Schloss von heute nicht mehr die
befestigte Burg von einst ist, so ist architektonisch im
Vergleich zu vielen anderen Loire-Schlössern ein sehr
wehrhafter Charakter erhalten geblieben. Auch die erhöhte
Lage auf einem Plateau oberhalb der Loire erinnert an
Burgen. Dieser Rundblick ist heute einer der Höhepunkte
einer Schlossbesichtigung. Die in unmittelbarer Umgebung
wachsenden Weinstöcke bilden außerdem einen sehr
idyllischen Rahmen und lassen die wehrhafte Architektur
dadurch weniger monumental wirken. Wer möchte, kann
sich im Inneren des Schlosses umsehen. Der Schlosshof
mit temporären Tribünen dient im Sommer zudem als
Veranstaltungsort.
Mit der Reitschule Cadre Noir und dem Schloss sind
aber erst zwei Trümpfe von Saumur beschrieben. Ein dritter
ist die Stadt selbst. Nicht nur ihre Lage an der sanft
dahinfließenden Loire ist bezaubernd, auch die Gassen
der Innenstadt lohnen einen Besuch. Dort spürt man noch
die unaufgeregte Atmosphäre einer typischen Kleinstadt,
in der – außer in der Hochsaison, wenn viele Touristen
die Straßen bevölkern – die Einwohner geruhsam ihrem
Alltag nachgehen.
Ein Blickfang der Innenstadt ist das Stadttheater.
Zusammen mit dem Schloss prägt es am stärksten die
Silhouette der Stadt. Es liegt direkt an der wichtigsten
Brücke von Saumur, dem Pont Cessart, und fungiert ein
wenig als Entree in die Altstadt. Die letzten sechs Jahre
lang hob sich in dem historischen Gebäude kein Theatervorhang.
Umfangreiche Sanierungsarbeiten wurden
durchgeführt. Doch seit letztem Dezember erstrahlt das
Haus wieder im alten Glanz. Die Bewohner und Besucher
von Saumur können wieder Theaterstücken in diesen ehrwürdigen
Mauern beiwohnen.
Außerdem lohnen einige Kirchen den Besuch. Zum
Beispiel Notre-Dame-de-Nantilly, eine Kirche im romanischen
Stil, deren Wurzeln bis ins 12. Jahrhundert
reichen. Die Eglise Saint-Pierre verzaubert dagegen mit
ihrer gotischen Architektur. Sie beherbergt einen Tapisseriezyklus
aus dem 16. Jahrhundert. Ebenfalls hübsch ist
das Rathaus von Saumur, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft
zum Stadttheater befindet.
Wenn man dann irgendwann seinen Besuch in Saumur
beendet, sollte man zum Abschluss auf die nördliche Uferseite
zurückkehren. Der einzigartige Blick auf die Stadt
sollte das Bild sein, das man als letztes von Saumur in Erinnerung
behält. Vielleicht neigt sich in dem Moment ein
ereignisreicher Tag bereits dem Ende zu und man hofft
für einen Moment, dass die Schlossfassade doch noch im
hellen Sonnenlicht der untergehenden Sonne erstrahlen
möge. Ein Wunsch, der unerfüllt bleiben wird. Dies ist
angesichts der Pracht auf der anderen Uferseite aber auch
nicht wirklich schlimm. Den Geruch nach Pferdemist hat
man ohnehin schon lange vergessen.
54 · Frankreich erleben · Sommer 2015