Nr. 55 - Sommer 2015

FRANKREICH HEUTE Großevents
Paris: Oympische Spiele
oder Weltausstellung?
Nachdem sich Paris in den letzten Jahren
schon einige Male um die Olympischen
Sommerspiele beworben hat und jeweils im
Auswahlprozess unterlag (1992 gegenüber
Barcelona, 2008 gegenüber Peking und 2012
gegenüber London), soll es für 2024 nun
endlich klappen. Die Stadt will sich gegen
Städte wie Rom, Hamburg und Boston als
Austragungsort durchsetzen. Doch das ist
nicht das einzige Großprojekt, das die französische
Hauptstadt fest im Visier hat. Neben
den Olympischen Spielen denkt man auch
darüber nach, sich um die Weltausstellung
2025 zu bemühen. Für manche eine ideale
Ergänzung. Für andere steht dagegen fest,
dass am Ende nur eines der beiden Ereignisse
organisiert werden sollte.
Wie viele Franzosen verfolgte auch Anne Hidalgo,
die Bürgermeisterin von Paris, am 6. November
letzten Jahres die Fernsehansprache von François
Hollande, die er, aus Anlass der Halbzeit seiner Amtszeit,
ans Volk hielt. Anne Hidalgo kennt den französischen
Präsidenten gut. Als dieser noch Generalsekretär der Sozialistischen
Partei und noch nicht Staatsoberhaupt Frankreichs
war, arbeitete sie ebenfalls im Führungsgremium der
Partei. Umso überraschter war sie deshalb über das, was sie
während der Fernsehansprache zwischen diversen politischen
Reflexionen ohne Vorwarnung hören musste. François
Hollande erklärte: « Ich bin dafür, dass sich Paris, wenn
die Stadt es will, für die Austragung der Olympischen
Sommerspiele bewirbt. Eine solche Bewerbung ist sehr
wichtig, denn die Spiele werden einen Moment der Leidenschaft
kreieren, die Infrastruktur verbessern, die Wirtschaft
ankurbeln und Jobs schaffen. »
Die Bürgermeisterin war perplex. Niemand hatte sie
zuvor über diese Ankündigung, die immerhin ihre Stadt
betraf, unterrichtet, geschweige denn, ihre Meinung dazu
eingeholt. Als langjährige Politikerin wusste sie zwar, dass
derartige nicht abgestimmte Entscheidungen des Präsidenten
für französische Verhältnisse durchaus normal,
wenn nicht gar Tradition sind. Trotzdem war sie nicht
bereit, diese Ankündigung unkommentiert zu lassen.
Als gewählte Vertreterin der Pariser gab sie danach
rasch zu verstehen, dass die Stadt die Möglichkeit einer
Bewerbung in Betracht ziehen, dass man sich aber die dafür
nötige Zeit nehmen würde und dass die Dinge noch
nicht endgültig entschieden seien. « Eine Bewerbung für
Olympische Spiele war nicht Teil meines Wahlkampfes.
Die Pariser erwarten von mir zuallererst, dass wir Probleme
wie die Wohnungsnot, infrastrukturelle Engpässe und
soziale Ungleichheiten lösen. », erklärte sie. Außerdem:
« Niemand wird meinen Zeitplan und meine Methode ändern
können. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Träume an
der Realität zerbrechen. »
Obwohl die Medien nach der Ankündigung von
François Hollande vor allem die positiven Aspekte einer
Bewerbung in den Vordergrund stellten, gerade auch im
Hinblick darauf, die Menschen in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten hinter einem Zukunftsprojekt zu vereinen,
präzisierte Anne Hidalgo ihre Forderungen: « Es steht außer
Frage, dass die Pariser Steuerzahler ein solches Vorhaben
alleine schultern. Ich will finanzielle Garantien vom
78 · Frankreich erleben · Sommer 2015