Nr. 55 - Sommer 2015

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence einmal ein bisschen hinzulegen. Anstelle der Terz um 10.00 Uhr gibt es um diese Uhrzeit die klassische Messe, an der ich wieder teilnehme. Da Sonntag ist, wird sie auch von einigen Menschen von auswärts besucht. Es ist in der Klosterkirche sehr viel voller als sonst. Um 12.15 Uhr gibt es an diesem Tag die Sext, eine der kleinen Horen wie die Terz und die Non, nur dass sie wochentags in Sénanque nicht gefeiert wird. Die Non folgt um 14.30 Uhr, doch ich merke, dass ich an diesem Tag erst einmal genug Gottesdienste hatte. Deshalb unternehme ich erneut eine schöne Wanderung in die Umgebung des Klosters. Es ist ein sonniger Sonntag. Ich genieße den Duft von Lavendel und die wärmende Kraft der Sonne. Bevor ich am Abend wieder die Vesper besuche, erkunde ich den Chauffoir. Es handelt sich um den einzigen Raum, der früher im Kloster beheizt war. Die Mönche durften sich damals in diesem Raum aufhalten, wenn sie sich zum Beispiel nach einem starken Regenguss trocknen mussten oder wenn sie medizinische Behandlungen brauchten. Der Chauffoir diente auch als Schreibstube. Ich kann mir ausmalen, wie entbehrlich das klösterliche Leben damals gewesen sein muss und mache innerlich drei Kreuze, im 21. Jahrhundert leben zu dürfen. Am nächsten Tag, meinem fünften, folgt das Leben im Kloster erneut einem anderen Rhythmus, bevor ab Dienstag wieder die üblichen Rituale gepflegt werden. Der Montag ist in gewisser Weise der Tag zum « Ausschlafen », denn die Vigil beginnt erst um 5.30 Uhr, also eine Stunde später als sonst. Mir kommt diese eine Stunde mehr Schlaf fast wie ein göttliches Geschenk vor. Auch die Laudes beginnt eine Viertelstunde später als gewohnt. Ich will an diesem, meinem letzten Tag noch einmal das ganze Programm mitmachen. An diesem Tag werden auch keine neuen Gesichter zu uns stoßen, denn eine Anreise ist an jedem Tag in der Woche, außer am Montag möglich. So bleiben wir anwesenden Gäste unter uns. Am Nachmittag suche ich noch einmal das Gespräch mit dem Mönch, der mich am ersten Tag empfangen hat. Wir reden ein wenig über sein Leben im Kloster, über den Glauben und die katholische Kirche. Er hat ein paar interessante Ansichten. Meinen grundsätzlichen Zweifel gegenüber Religionen beseitigt er aber nicht. Doch dies ist unerheblich geworden. Für mich ist der Aufenthalt in Sénanque längst zu einer Reise zu meinem eigenen Ich geworden, in einem Umfeld, das ich als abendländliches historisches Erbe empfinde. Inzwischen fällt es mir auch gar nicht mehr schwer, meinen Tag mit Nichtstun zu verbringen. So geht die Sonne schneller unter als gedacht. Ich höre ein letztes Mal die Gesänge der Mönche in der Kapelle und lege mich schlafen. Da ich am nächsten Morgen einen anstrengenden Reisetag vor mir habe, verzichte ich auf den Besuch der Vigil und schlafe etwas länger. Anschließend frühstücke ich, packe meinen Koffer und checke aus. Der für den « Hotelbetrieb » zuständige Mönch verabschiedet mich. Ich gehe zum Parkplatz des Klosters, wo mein Mietwagen seit Tagen unbewegt steht. Die ersten Touristen machen bereits Fotos vom Kloster. Frühmorgens werden die Lavendelfelder und das Kloster am besten von der Sonne angestrahlt. Die Leute ahnen vermutlich nicht, dass die Mönche hinter den Mauern schon seit Stunden auf den Beinen sind. Ich mache mich auf den Weg zurück in meinen Alltag. Nach fünf Tagen klösterlichen Lebens freue ich mich darauf, wieder ein weltliches Dasein zu führen. Die vergangenen Tage werden aber trotzdem eine bleibende Erfahrung bleiben, die ich nicht missen möchte. Eine Rückkehr nach Sénanque ist nicht ausgeschlossen. Man respektiert sich gegenseitig. Die Neuankömmlinge brauchen meist eine kurze Phase der Eingewöhnung, gerade bezüglich des neuen Tagesrhythmus. Das ist aber ganz normal. Wir sind alle derart von unserem Alltag eingenommen, dass es etwas Zeit braucht, sich zu besinnen. Für uns ist es dabei ein Geschenk Gottes, dass die Mobiltelefone hier im Tal keinen Empfang haben. Die Gäste sind gezwungen, ihre Handys zur Seite zu legen. Ein Segen für uns. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich habe nichts gegen die moderne Technik. Ich bin der Erste, der anerkennt, welchen Nutzen wir aus diesen Technologien ziehen. So kommen beispielsweise 90 Prozent unserer Buchungen über unsere Internetseite. Doch von Zeit uns Zeit ist es wichtig, dass sich die Menschen klarmachen, dass es Wichtigeres auf der Welt gibt und dass sie ihre Abhängigkeit von den neuen Kommunikationsmöglichkeiten erkennen. Sie vermitteln den Eindruck, dass es eine große Transparenz und Offenheit im Kloster gibt. Stimmt das? Ja, das ist richtig. Unsere Türen stehen alle weit offen. Wir haben nichts zu verheimlichen. Für uns ist es wichtig, dass unsere Gäste unseren Alltag sehen können, auch die Herausforderungen und seien es nur bauliche Herausforderungen. So ist die Abtei an manchen Stellen auch eine Baustelle. Die Besucher dürfen das ruhig sehen. Unsere finanziellen Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Neulich habe ich dem Dachdecker gesagt, dass er seine Arbeit gut machen soll. Das nächste Mal werde er in zwei oder drei Jahrhunderten wiederkommen. Zeit hat eine andere Bedeutung in einem Kloster. Wir arbeiten mit und für die Ewigkeit. Bruder Jean-Marie, wir danken Ihnen für das Gespräch. 38 · Frankreich erleben · Sommer 2015
Angoulême Limoges A89/E70 Clermont- Ferrand A75/E11 le Mont-Dore Puy de Dôme A72/E70 Lyon St.-Etienne A43/E70 Chambéry rdeaux 63 France 64/E80 en E5/A10 A52/E72 Pau Périgueux Tulle Aus Deutschland und der Schweiz Brive-la-Gaillarde aus Deutsch land, Österreich und der erreicht man A89/E70Sénanque über die Schweiz entweder direkt oder mit Umstei gen erreicht, ist Marseille. Beaulieu-sur-Dordogne Rhône-Tal-Autobahn, die man an Aurillac der Abfahrt 24 verlässt. Aus Sarlat-le-Canéda Österreich ist eine Anreise entweder ebenfalls durch das Rhône-Tal oder via Norditalien und entlang der Côte d’Azur möglich. Von der Auto bahnaus fahrt an nimmt man die D900 in Richt ung Apt. In Coustellet biegt man auf die D2 nach Gordes ab. Von Gordes aus führt anschließend die D177 ins Tal zum Kloster. Sénanque … Toulouse … Berlin 1.493 km … Hamburg 1.442 km … Köln 994 km … München 999 km … Wien 1.420 km … Zürich 697 km Der nächste Flughafen ist in Avignon. Er wird aus dem deutschsprachigen Raum allerdings nicht angeflogen. Auch Air France hat die Stadt in zwischen aus ihrem Flugplan gestrichen. Der nächste Flughafen, den man Andorra Der neue TGV von Frankfurt a.M. über Mann heim, Karlsruhe und Ba den-Baden nach Marseille hält in Avig non. Sénanque selbst ist nicht ans französische Bahnnetz an ge schlos sen. www.abbayedesenanque.com A75/E11 Abbaye Notre-Dame de Sénanque 84220 Gordes Ausgabe Nr. 31 Avignon: Ein Tag in der Stadt der Päpste Wo die Durance in die Rhône mündet und sich drei Departements treffen, liegt Avignon. Der monumentale Palast der Päpste erinnert an die glorreiche Vergangenheit der Stadt, die bis heute für viele ein Sehnsuchtsziel geblieben ist. Ein Rundgang durch die Altstadt einer lebendigen provenzalischen Stadt. Ausgabe Nr. 34 Mit dem Mountainbike durch die Dentelles de Montmirail In der Provence zieht nicht nur der Mont Ventoux Mountainbikefahrer an, auch die Dentelles de Montmirail, ein Höhenzug im Norden des Departements Vaucluse, unweit des legendären Berges, sind ein beliebtes Ziel für leidenschaftliche Zweiradfans. Ein schweißtreibender Selbstversuch. Telefon: +33 (0)4 90 72 17 92 Lodève Montpellier A9/E15 Die Länge des Aufenthalts ist in dividuell steuerbar. Eine Ankunft Bézier am Mon tag ist Narbonne jedoch nicht möglich. A81/E80 Wer Limoux nicht in der Abtei wohnen, sondern nur einen ersten A9/E15 Eindruck ge winnen möchte, France kann an geführten Besicht igungen teilnehmen. Im Sommer Perpignan wird empfohlen, eine Besichtigung Collioure Céret LESETIPPS FÜR AUSFLÜGE AP7/E15 IN DIE UMGEBUNG Spanien Valence A7/E15 A9/E15 Avignon Nîmes A54/E805 Arles Orange A49/E713 A7/E15 Aix-en- Provence A55 Sénanque Gordes Apt Marseille A52 A50 rechtzeitig zu reservieren. Online ist dies bis zu 48 Stunden vorher möglich. Ausgabe Nr. 42 Orange: Eine Stadt spielt Theater Das südfranzösische Orange ist mit seinen 30.000 Einwohnern nicht besonders groß, macht aber dennoch viel von sich reden. Zuallererst wegen des beeindruckenden architektonischen Erbes: Ein antikes Amphitheater und ein restaurierter Triumphbogen lohnen definitiv einen Besuch. Dieser lohnt sich auch wegen des kulturellen Angebots: Jedes Jahr findet mit den « Chorégies d‘Orange » eines der wichtigsten französischen Festivals der Oper und der klassischen Musik statt. Ausgabe Nr. 52 Roussillon: Das Colorado Frankreichs Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag in der Provence zur freien Verfügung hätten? Vielleicht touristische Höhepunkte wie Avignon oder den Mont Ventoux besichtigen? Warum nicht? Eine gute Idee wäre aber auch, einen Tag in Roussillon zu verbringen und dort neben den klassischen Sehenswürdigkeiten Restaurants, Kunstgalerien und Weingüter zu erkunden. Genießen Sie mit uns einen Tag in Roussillon! Grenoble Gap A51/E712 A8/E80 Toulon A57 INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN SIE AUF SEITE 90. Frankreich erleben · Sommer 2015 · 39
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