Nr. 55 - Sommer 2015
Provence: Sénanque, klösterliche Besinnung in der Provence Baskenland: Corniche Basque, von Saint-Jean-de-Luz nach Hendaye Ärmelkanal: Le Touquet-Paris-Plage, ein Strand für die Hauptstadt Korsika: Wenn Steine zu sprechen beginnen Loire-Tal: Saumur: Stall, Schloss, Fluss Chantals Rezept: Mes quiches favorites
Provence: Sénanque, klösterliche Besinnung in der Provence
Baskenland: Corniche Basque, von Saint-Jean-de-Luz nach Hendaye
Ärmelkanal: Le Touquet-Paris-Plage, ein Strand für die Hauptstadt
Korsika: Wenn Steine zu sprechen beginnen
Loire-Tal: Saumur: Stall, Schloss, Fluss
Chantals Rezept: Mes quiches favorites
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im Rahmen der Ministerrunde.<br />
Theoretisch hätte am 22. April also eine Liste mit den<br />
13 neuen Präfekten und den Orten, in denen sie sitzen<br />
sollen, veröffentlich werden können. Der Premierminister<br />
hätte dazu die notwendige Macht, der Staatspräsident<br />
müsste dies absegnen. Ein derart zentralistischer Ansatz<br />
hätte in den einzelnen Regionen aber sicherlich für sehr<br />
viel böses Blut gesorgt. Deshalb hat sich die Regierung<br />
am 22. April für ein behutsameres Vorgehen entschieden:<br />
Man veröffentlichte lediglich die Namen der Präfekten für<br />
die neuen Regionen. Teil ihrer Aufgabe soll es nun sein,<br />
in den Regionen zu schauen, wie die Administrationen in<br />
den fusionierten Regionen verteilt und welches die neuen<br />
Hauptstädte werden sollen.<br />
Damit will die Regierung deutlich machen, dass bezüglich<br />
der neuen Hauptstädte noch nichts entschieden<br />
ist. Dies soll gerade die Menschen wie Julie in den Hauptstädten,<br />
die vermutlich ihren Hauptstadtstatus verlieren<br />
werden, beruhigen. Man verspricht einen ausführlichen<br />
Abstimmungsprozess in den betroffenen Regionen. Die<br />
neuen Hauptstädte sollen erst im Juli 2016 endgültig feststehen.<br />
Auch die neuen Conseils Régionaux, die am 6.<br />
und 13. Dezember <strong>2015</strong> gewählt werden, sollen noch die<br />
Möglichkeit der Mitsprache erhalten.<br />
Doch trotz dieser Beteuerungen aus Paris haben viele<br />
Menschen wie Julie Zweifel daran, dass die Würfel noch<br />
nicht gefallen sind. Eine wichtige Vorentscheidung kann<br />
zum Beispiel darin gesehen werden, dass am 22. April für<br />
alle sieben neuen Regionen jeweils die Präfekten der jetzigen<br />
Teilregionen für den neuen Posten nominiert wurden,<br />
in denen die vermutlich neuen Hauptstädte liegen. Für die<br />
neue Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie ist dies beispielsweise<br />
der derzeitige Präfekt von Nord-Pas-de-Calais.<br />
Man muss nicht viel Fantasie haben, um zu unterstellen,<br />
dass sein Herz eher für Lille als für Amiens schlagen wird,<br />
auch wenn er offiziell neutral zu agieren hat.<br />
So zeichnen sich schon jetzt die neuen regionalen<br />
Hauptstädte ab. In den sechs von der Fusionswelle nicht<br />
erfassten Regionen ist die Sache ohnehin klar: Rennes<br />
wird die Hauptstadt der Bretagne bleiben, Nantes die der<br />
Pays-de-la-Loire, Orléans die der Region Centre, Paris<br />
die der Ile-de-France, Marseille die der Region Provence-<br />
Alpes-Côte d’Azur (PACA) und Ajaccio die der Insel<br />
Korsika.<br />
Aber auch in den sieben neuen Regionen sind nicht<br />
alle Hauptstädte vollkommen strittig. Teilweise ist die<br />
Dominanz einer Stadt in den neuen Superregionen schon<br />
heute so groß, dass ihre Ernennung als neue Hauptstadt<br />
kaum große Diskussionen auslöst, auch nicht bei den Bewohnern<br />
der unterlegenen Stadt.<br />
So gilt es als sehr wahrscheinlich, dass Straßburg die<br />
neue Hauptstadt der drei fusionierten Regionen Elsass,<br />
Lothringen und Champagne-Ardenne wird. Die Stadt, in<br />
der auch das Europäische Parlament seinen Sitz hat, ist<br />
bedeutend wichtiger und größer als Metz und Châlonsen-Champagne.<br />
In der zusammengelegten Region Burgund<br />
und Franche-Comté scheint man sich ähnlich einig<br />
zu sein, dass Dijon die neue Hauptstadt wird. Der Ort ist<br />
nicht nur wichtiger, sondern liegt auch zentraler als Besançon.<br />
Etwas weiter südlich wird voraussichtlich die Metropole<br />
Lyon zur Hauptstadt der zusammengelegten Regionen<br />
Rhône-Alpes und Auvergne. Clermont-Ferrand kann<br />
es mit der Strahlkraft der Rhône-Metropole nicht aufnehmen.<br />
Außerdem liegt Lyon ebenfalls zentraler. Ähnlich<br />
sicher ist, dass sich Bordeaux über den Hauptstadttitel für<br />
die Superregion aus Aquitanien, Poitou-Charentes und<br />
Limousin freuen wird. Weder Limoges noch Poitiers werden<br />
dies verhindern können.<br />
Spannender sieht es dagegen bei der Fusion von<br />
Languedoc-Roussillon und Midi-Pyrénées aus. Zwar ist<br />
Toulouse größer und wirtschaftlich stärker als Montpellier,<br />
aber Montpellier gilt von jeher als eine sehr ehrgeizige<br />
Stadt, die stark wächst, viele junge Leute anzieht<br />
und nach Höherem strebt. Dies ist einer der drei Fälle,<br />
die noch nicht ganz vorentschieden sind, auch wenn die<br />
Medien immer mehr davon ausgehen, dass Toulouse am<br />
Ende doch das Rennen machen wird.<br />
Bleiben noch zwei weitere strittige Fälle. Einer der<br />
kompliziertesten dürfte die neue Normandie werden.<br />
Denn sowohl die Hauptstadt der alten Basse-Normandie,<br />
Caen, als auch der alten Haute-Normandie, Rouen, würden<br />
gerne die zukünftige Hauptstadt der vereinigten Normandie<br />
werden. Beide Städte unterscheiden sich zudem<br />
nicht so sehr stark hinsichtlich ihrer Größe und Bedeutung.<br />
Am Ende könnte es hier sogar zu einem Kompromiss<br />
kommen, bei dem beide Städte einen Teil des Kuchens<br />
abbekommen. Caen könnte die offizielle Hauptstadt werden,<br />
Rouen aber den Sitz des Conseil Régional erhalten.<br />
Caen wäre dann die administrative Hauptstadt, Rouen<br />
die politische. Dieser Kompromiss könnte auch deshalb<br />
herauskommen, da beide Städte wichtige Fürsprecher in<br />
der aktuellen Regierung haben. Der französische Außenminister<br />
Laurent Fabius ist der ehemalige Präsident der<br />
Agglomeration von Rouen. Der Innenminister Bernard<br />
Cazeneuve wurde dagegen als Abgeordneter in der<br />
Basse-Normandie gewählt. Ob dies am Ende wirklich so<br />
eintreten wird oder ob es eher Hirngespinste politischer<br />
Kommentatoren sind, wird sich im Juli 2016 zeigen.<br />
Allerdings hat dieser Ansatz auch die Verantwortlichen<br />
im zweiten strittigen Fall im Norden des Landes<br />
auf ähnliche Ideen gebracht. Zwar scheinen alle neutralen<br />
Fakten eher für Lille als für Amiens zu sprechen. Doch<br />
in der Picardie, wo man anfänglich ohnehin gegen eine<br />
Fusion mit einer anderen Region war und unbedingt die<br />
Eigenständigkeit verteidigen wollte, ist man kampfeslustig.<br />
Die Bürgermeisterin von Amiens, Brigitte Fouré, hat<br />
jedenfalls bereits klargemacht, dass es für sie nicht notwendig<br />
sei, dass der Conseil Régional und die Präfektur<br />
in der gleichen Stadt ihren Sitz hätten. Man könne das ja<br />
auch gut zwischen Lille und Amiens aufteilen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2015</strong> · 75