Nr. 45 - Mai / Juni 2013
Côte d'Azur: Grasse, der Duft einer Hauptstadt Lothingen: Saint-Louis / Arzviller: ein Fahrstuhl für Schiffe Camping: Frankreichs außergewöhnliche Campingplätze Normandie: Heimat des Impressionismus Loire-Mündung: zwischen Nantes und Saint-Nazaire, Kunst am Fluss Pyrenäen: le Train Jaune, ein Zug als Wahrzeichen Interview: Patricia Kaas Rezept: Fondant au chocolat au cœur de framboises Wein: die Kunst der Karaffierens und Dekantierens Genuss: die AOC der Pays de la Loire
Côte d'Azur: Grasse, der Duft einer Hauptstadt
Lothingen: Saint-Louis / Arzviller: ein Fahrstuhl für Schiffe
Camping: Frankreichs außergewöhnliche Campingplätze
Normandie: Heimat des Impressionismus
Loire-Mündung: zwischen Nantes und Saint-Nazaire, Kunst am Fluss
Pyrenäen: le Train Jaune, ein Zug als Wahrzeichen
Interview: Patricia Kaas
Rezept: Fondant au chocolat au cœur de framboises
Wein: die Kunst der Karaffierens und Dekantierens
Genuss: die AOC der Pays de la Loire
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Gesellschaftsspiele<br />
Ein Markt mit Steigerungspotential<br />
Antony Groebert ist 32 Jahre alt. Ein Alter, in dem<br />
einem die Welt zu Füßen zu liegen scheint und<br />
vieles möglich ist. Der überzeugte Europäer – in<br />
Monaco als Sohn einer Finnin und eines Berliners geboren<br />
– verbesserte zunächst in Deutschland und Finnland seine<br />
Fremdsprachenkenntnisse, bevor er in Straßburg und Italien<br />
ein Handelsstudium absolvierte. Nach dem Studium<br />
arbeitete er in Paris im Personalwesen, anschließend bei<br />
einer Versicherung. Soweit sah alles nach dem klassischen<br />
Werdegang eines Mannes aus, der berufliche Ambitionen<br />
besitzt.<br />
Doch dann kam die weltweite Wirtschaftskrise. Wie<br />
bei vielen seiner Kollegen und Kolleginnen wurde sein<br />
Arbeitsvertrag nicht mehr verlängert. Antony fand sich<br />
plötzlich in der Arbeitslosigkeit wieder. Doch anstatt in<br />
eine Depression zu verfallen und sich auf der Arbeitslosenunterstützung<br />
auszuruhen, nahm er die neue Situation<br />
als Ansporn für eine berufliche Neuorientierung. Er wagte<br />
sich auf ein Terrain vor, das ihn immer schon begeisterte,<br />
dessen Kulissen ihm aber unbekannt waren: die Welt der<br />
Gesellschaftsspiele.<br />
« Wir haben einen Spieleabend mit Freunden gemacht.<br />
Es war eine gesellige Runde wie so oft zuvor », erinnert<br />
sich Antony. « Doch an diesem Abend, ohne genau erklären<br />
zu können warum, griff ich zu einem Stift und kritzelte<br />
einen Einfall auf einen Zettel. Mir war die Idee für ein<br />
eigenes Gesellschaftsspiel gekommen. »<br />
Dabei ist Antony alles andere als naiv. Er weiß, dass<br />
das Angebot und die Nachfrage nach Gesellschaftsspielen<br />
in Frankreich lange nicht so entwickelt sind wie in anderen<br />
europäischen Ländern. So wird in Deutschland, einem<br />
Land, das Antony wegen seines Vaters gut kennt, mit<br />
Gesellschaftsspielen viermal so viel Geld umgesetzt wie<br />
in Frankreich. Trotzdem reizte ihn die Vorstellung, selbst<br />
ein Spiel zu entwickeln. Schließlich bietet ein noch nicht<br />
überlaufender Markt auch Chancen. Nach Untersuchungen<br />
des im März 2012 in Cannes stattgefundenen Internationalen<br />
Spielefestivals wurden 2011 14,6 Millionen<br />
Spiele in Frankreich verkauft, die einen Umsatz von 240<br />
Millionen Euro erzielten. Eine beachtenswerte Summe.<br />
Dennoch blieb der große Boom für Gesellschaftsspiele<br />
für Erwachsene, so wie beispielsweise in Deutschland, wo<br />
sich dieses Genre längst fest etabliert hat, in Frankreich<br />
bisher aus. Das hat viel mit Psychologie und Image zu tun.<br />
Für viele Franzosen ist ein Gesellschaftsspiel das ideale<br />
Geschenk von Großeltern für ihre Enkel, oder von Eltern<br />
für ihre Kinder. Nur wenige Franzosen kämen dagegen<br />
auf die Idee, Freunden ein Spiel zu schenken. Traditionell<br />
sind Gesellschaftsspiele eben eher etwas für Kinder<br />
und keine Freizeitbeschäftigung für Erwachsene. Der<br />
klassische Spieleabend unter Freunden, wie man ihn im<br />
deutschsprachigen Raum kennt, ist kaum verbreitet.<br />
Doch nicht nur dieses Imageproblem bremst die Entwicklung<br />
des französischen Spielemarktes. Auch die beschränkte<br />
Auswahl an Spielen ist nicht gerade förderlich.<br />
Kaufen Franzosen Gesellschaftsspiele, dann sind es meist<br />
Klassiker wie Monopoly, Trivial Pursuit oder Scrabble.<br />
Das hängt auch damit zusammen, dass die meisten Spiele<br />
in den großen Handelsketten wie Auchan, Leclerc oder<br />
Carrefour über den Ladentisch gehen. Diese Ketten setzen<br />
aber meist nur auf Bewährtes und sind wenig offen für<br />
Innovatives. Dies macht es für Spieleentwickler wie Antony<br />
schwierig, ihre Produkte auf den Markt zu bringen.<br />
Die Folge: Es gibt nicht diese Dynamik für neue Spiele,<br />
wie sie beispielsweise in Deutschland existiert.<br />
Allerdings lassen sich positive Ausnahmen finden. So<br />
schaffte es das Spiel « Jungle Speed », sich durch Mundzu-Mund-Propaganda<br />
derart gut herumzusprechen, dass<br />
es eines Tages von den großen Handelsketten ins Sortiment<br />
aufgenommen wurde. Inzwischen werden von dem<br />
Spiel 200.000 Exemplare im Jahr verkauft. Nichts ist also<br />
unmöglich. Doch bisher ist dieses Beispiel die Ausnahme.<br />
Es wird noch einige Zeit und Mühe brauchen, bis die<br />
Franzosen davon überzeugt sind, dass sich Gesellschaftsspiele<br />
für mehr eignen, als an einem langweiligen regnerischen<br />
Sonntagnachmittag die Zeit totzuschlagen.<br />
Antony will an einem Sinneswandel seiner Landsleute<br />
mitwirken. Sein Spiel ist ein Wissensspiel, bei dem man<br />
eine Stadt entdeckt, in der er fünf Jahre lang lebte und<br />
die ihn bis heute fasziniert: Paris. « Ich habe meine Zeit<br />
an der Seine geliebt », erzählt er rückblickend. « Alles war<br />
so aufregend. Ich bin mit meinem Motorroller durch die<br />
Frankreich erleben · <strong>Mai</strong> / <strong>Juni</strong> <strong>2013</strong> · 77