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Nr. 45 - Mai / Juni 2013

Côte d'Azur: Grasse, der Duft einer Hauptstadt Lothingen: Saint-Louis / Arzviller: ein Fahrstuhl für Schiffe Camping: Frankreichs außergewöhnliche Campingplätze Normandie: Heimat des Impressionismus Loire-Mündung: zwischen Nantes und Saint-Nazaire, Kunst am Fluss Pyrenäen: le Train Jaune, ein Zug als Wahrzeichen Interview: Patricia Kaas Rezept: Fondant au chocolat au cœur de framboises Wein: die Kunst der Karaffierens und Dekantierens Genuss: die AOC der Pays de la Loire

Côte d'Azur: Grasse, der Duft einer Hauptstadt
Lothingen: Saint-Louis / Arzviller: ein Fahrstuhl für Schiffe
Camping: Frankreichs außergewöhnliche Campingplätze
Normandie: Heimat des Impressionismus
Loire-Mündung: zwischen Nantes und Saint-Nazaire, Kunst am Fluss
Pyrenäen: le Train Jaune, ein Zug als Wahrzeichen
Interview: Patricia Kaas
Rezept: Fondant au chocolat au cœur de framboises
Wein: die Kunst der Karaffierens und Dekantierens
Genuss: die AOC der Pays de la Loire

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gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. Dies bedeutet, dass<br />

in einem Jahr eine Million zusätzliche Besucher gezählt<br />

wurden! Auch für das Pariser Musée d’Orsay war 2012<br />

ein Spitzenjahr. In den letzten sechs Jahren stieg das Interesse<br />

an diesem Museum um beachtliche 48 Prozent.<br />

Nicht weniger positiv sieht die Bilanz außerhalb der<br />

französischen Hauptstadt aus. Das Kunstspektakel « Lille<br />

3000 » zog rekordverdächtige 1,3 Millionen Besucher<br />

an. Das Centre Pompidou Metz kann mit 1,5 Millionen<br />

Besuchern prahlen. Das ist dreimal so viel, wie vor Eröffnung<br />

der neuen Filiale des berühmten Pariser Kunstmuseums<br />

prognostiziert wurde. Grund zum Jubeln hatte<br />

auch die Ausstellung « Corps et ombres, Caravage et le<br />

caravagisme européen » letzten Sommer im Musée Fabre<br />

in Montpellier und im Musée des Augustins in Toulouse,<br />

die unerwartet über 280.000 Menschen anlockte.<br />

Doch wie typisch französisch ist dieses Phänomen?<br />

Einen Hinweis darauf könnte die weltweit gezeigte<br />

Ausstellung « Picasso und Matisse » der Kollektion Stein<br />

geben. Sie zog in Paris fünfmal mehr Besucher an als<br />

in San Francisco oder New York. Man könnte es damit<br />

erklären, dass Paris eines der meist besuchten Touristenziele<br />

der Welt ist. Aber auch New York und San Francisco<br />

sind international beliebte Weltstädte. Außerdem war der<br />

Anteil französischer Besucher erstaunlich hoch. So, als<br />

ob die Franzosen wirklich eine größere Begeisterung für<br />

Museen pflegen als andere Nationen. Doch woran könnte<br />

das liegen?<br />

Es mag auf den ersten Blick etwas paradox klingen,<br />

aber für viele Franzosen ist ein Museum keine der Vergangenheit<br />

zugewandte Einrichtung mehr, sondern ein<br />

Symbol der Modernität. Diverse Untersuchungen bestätigen,<br />

dass Frankreichs Museen das verstaubte Image, das<br />

Museen sonst allgemein gerne anhaftet, abgelegt haben<br />

und als alles andere als altmodisch wahrgenommen werden.<br />

Ganz im Gegenteil, die Museen gelten als angesagte<br />

Orte. Manche Häuser gehen sogar so weit und streichen<br />

das Wort « Museum » ganz aus ihrem Namen. Beispielsweise<br />

in Dunkerque, wo das Museum für zeitgenössische<br />

Kunst schlicht « Lieu d’Art et d’Action Contemporaine »<br />

(dt. Ort der zeitgenössischen Kunst und Aktion) bzw. abgekürzt<br />

LAAC heißt. Hier wirkt schon der Name modern<br />

und frisch.<br />

Um diesen Hype zu verstehen, gerade auch was die moderne<br />

Kunst und ihre Schaustellen angeht, muss man die<br />

Kulturpolitik des Landes kennen. Denn die Liebe des Volkes<br />

zur modernen Kunst basiert auch auf einem politischen<br />

Willen. Jack Lang, der umtriebige Kulturminister unter<br />

François Mitterrand und Erfinder der inzwischen weltweit<br />

am 21. <strong>Juni</strong> zum Sommeranfang gefeierten « Fête de la Musique<br />

», nahm vor 30 Jahren eine entscheidende Weichenstellung<br />

vor. Er schuf damals 23 kulturelle Institutionen in<br />

den Regionen des Landes, eine pro Region im Mutterland<br />

sowie eine weitere in der Überseeregion La Réunion, die<br />

sogenannten « Fonds régionaux d’art contemporain » (dt.<br />

Regionalfonds zeitgenössischer Kunst), kurz FRAC.<br />

Der Hintergrund dafür war die neue Dezentralisierungspolitik<br />

der Sozialisten. Die FRAC sollten diese Politik<br />

auf kulturellem Gebiet umsetzen. Dank dieser Institutionen<br />

sollten die Regionen in der Lage sein, eigene Sammlungen<br />

der modernen Kunst aufzubauen, und dadurch<br />

kulturell mehr Selbstbewusstsein gegenüber der Hauptstadt<br />

gewinnen. Finanziert wurden sie sowohl vom Zentralstaat<br />

als auch von den einzelnen Regionen. Allerdings glaubten<br />

damals nur wenige an diese neuen Einrichtungen, die sich<br />

irgendwo zwischen Museum und Kunstgalerie definierten.<br />

Viele hielten die FRAC für eine « sozialistische Utopie »,<br />

die ohnehin nicht funktionieren würde.<br />

Heute, 30 Jahre später, stellt niemand in Frankreich<br />

den Erfolg der FRAC infrage. Alle FRAC zusammen<br />

besitzen inzwischen über 26.000 Werke. Ein Schatz an<br />

moderner Kunst, über den nur wenige Nationen der Erde<br />

verfügen. Außerdem sind die Einrichtungen längst zu<br />

wichtigen Akteuren der Kunstszene geworden, die nicht<br />

nur mit ihren Ankäufen Künstler finanzieren und damit<br />

kreatives Schaffen ermöglichen, sondern auch über 100<br />

Ausstellungen pro Jahr organisieren, womit sie einen<br />

wichtigen Bildungsauftrag erfüllen und das Volk an die<br />

moderne Kunst heranführen. Denn dank der FRAC<br />

ist moderne Kunst nicht nur in wenigen renommierten<br />

Museen in Paris zu sehen, sondern über das ganze Land<br />

verteilt. Die moderne Kunst ist in gewisser Weise zu den<br />

Menschen gekommen.<br />

Außerdem wird ihre Präsenz immer sichtbarer. Da<br />

die Sammlungen kontinuierlich umfangreicher werden,<br />

haben sich sechs der 23 FRAC neue Gebäude geleistet,<br />

die sich konzeptionell und architektonisch nicht hinter<br />

den renommiertesten Museen des Landes verstecken<br />

müssen. Realisiert wurden sie von namhaften Architekten.<br />

So baute etwa der japanische Architekt Kengo Huma<br />

das neue FRAC-Museum der Region Franche-Comté in<br />

Besançon sowie der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur<br />

in Marseille. Die FRAC werden damit selbst zu einer Sehenswürdigkeit.<br />

Weitere solcher architektonischen Leuchttürme werden<br />

folgen: Für die Region Aquitanien wird für 52 Millionen<br />

Euro in Bordeaux ein futuristisches, 37 Meter hohes<br />

Gebäude entstehen, dessen Verwirklichung der Conseil<br />

Régional kürzlich angeschoben hat. Teil des Konzeptes ist<br />

ein Dachgarten, auf dem Skulpturen präsentiert werden<br />

und der den Besuchern gleichzeitig einen Panoramablick<br />

über die Dächer der Weinmetropole gestattet. Die Eröffnung<br />

ist für März 2015 geplant.<br />

All dies trägt dazu bei, dass die FRAC zusammen<br />

mehr als eine Million Besucher bei ihren Ausstellungen<br />

zählen. Besonders auffällig ist dabei, dass viele junge<br />

Menschen in die FRAC strömen. Es hat sich in den<br />

Regionen sogar ein gewisser Patriotismus für die eigene<br />

regionale Einrichtung und damit auch für die eigenen regionalen<br />

Künstler entwickelt. Befindet sich die Institution<br />

in einem spektakulären Gebäude, ist man noch stolzer<br />

darauf.<br />

Frankreich erleben · <strong>Mai</strong> / <strong>Juni</strong> <strong>2013</strong> · 81

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