K Ü N S T L E R MEIN VATER GEHÖRTE DER GANZEN WELT! Im August hätte Leonard Bernstein seinen 100. Geburtstag gefeiert. Wir sprachen exklusiv mit dem Sohn des legendären Dirigenten, Pianisten und Komponisten, Alexander Bernstein. VON VERENA FISCHER-ZERNIN Die Kinder Nina Bernstein Simmons, Alexander Bernstein und Jamie Bernstein crescendo: Sie sind der Sohn von Leonard Bernstein. Was war der Soundtrack Ihrer Kindheit? Alexander Bernstein: Meine Kindheit war voll von seiner Musik. Mein Vater spielte uns oft das, was er gerade geschrieben hatte, vor. Es war sehr aufregend, die Kompositionen zum ersten Mal zu hören. Und wir hatten oft spät nachts Partys, bei denen viel gesungen wurde. Ich erinnere mich an wunderbare, unglaublich komische Lieder. Manchmal spielte mein Vater auch vierhändig mit jemandem, Mozart und andere. Es war sehr viel Musik um uns. Andererseits mochte er es überhaupt nicht, wenn Musik im Hintergrund lief. Wenn meine Schwestern und ich bei den Hausaufgaben Radio hörten, fand er das komplett unverständlich. Ihre Eltern hatten so viele berühmte Freunde. Sind Jackie Kennedy, Mstislaw Rostropowitsch oder Aaron Copland manchmal in Ihr Zimmer gekommen und haben Ihnen eine Gutenachtgeschichte vorgelesen? Das wäre schön gewesen! Sie kamen zu uns, aber … … nicht bis in Ihr Zimmer! Wo war das eigentlich? Mitten in New York. In meinen ersten Lebensjahren wohnten wir in der Nähe der Carnegie Hall. Mein Vater hatte also einen sehr kurzen Weg zur Arbeit. Später zogen wir in eine sehr schicke DASS MEIN VATER BEI DEN FLINTSTONES VORKAM, BEDEUTETE, DASS ER WIRKLICH BERÜHMT SEIN MUSSTE! FOTO: STEVE J. SHERMAN Wohnung in der Park Avenue – mit zwei Etagen und einer Terrasse und einem großartigen Blick über die Stadt. Dort habe ich die längste Zeit meiner Jugend verbracht. Als Sie geboren wurden, war Ihr Vater bereits ein Star. Wann wurde Ihnen bewusst, dass er eine Berühmtheit ist? Es gab die Fernsehserie „The Flintstones“, die in der Steinzeit spielt. Da sagte eine Frau zur anderen: „Heute gehen wir zur Hollyrock Bowl. Ich kann es kaum erwarten, Leonard Bernstone zu sehen!“ Dass mein Vater bei den „Flintstones“ vorkam, bedeutete, dass er wirklich berühmt sein musste! Waren Sie stolz? Sehr! Er war eine öffentliche Person. Hatten Sie das Gefühl, ihn teilen zu müssen? Waren Sie eifersüchtig? Eifersüchtig nicht. Wir wuchsen schlichtweg in dem Bewusstsein auf, dass er der Welt gehörte – und uns. Er war sehr familienorientiert und verbrachte viel Zeit mit uns, nahm uns auf seine Tourneen und Reisen mit. Es war aufregend und lustig, mit ihm zusammen zu sein. Und als Sie ein Teenager waren – in der Zeit, wenn die Eltern peinlich werden –, dachten Sie manchmal: „Jetzt reicht’s!“? Oft! Ich frage mich manchmal, warum mein Vater nicht öfter in meine Schule gekommen ist. Warum hat er sich nicht mehr mit 14 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>18</strong>
Selbstvergessene Hingabe an die Musik: der große Leonard Bernstein FOTO: PAUL DE HUECK, COURTESY OF THE LEONARD BERNSTEIN OFFICE 15