19.05.2020 Aufrufe

CRESCENDO 5/18 September-Oktober 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Mit großer Würdigung Leonard Bernsteins und Interviews mit Martin Stadtfeld, Iveta Apkalna und Julian Prégardien.

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Mit großer Würdigung Leonard Bernsteins und Interviews mit Martin Stadtfeld, Iveta Apkalna und Julian Prégardien.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Märchenhaft:<br />

W. A. Mozarts<br />

Die Zauberflöte in<br />

der Inszenierung<br />

von Achim Freyer<br />

an der Semperoper<br />

Dresden<br />

Robert Schumanns<br />

Szenen aus Goethes<br />

Faust an der<br />

Staatsoper Unter<br />

den Linden.<br />

Bühnenbild und<br />

Kostüm von Markus<br />

Lüpertz: Künstlichkeit<br />

ist Programm!<br />

FOTOS: MATTHIAS CREUTZIGER; HERMANN UND CLÄRCHEN BAUS<br />

des Nibelungen im November auch in Seoul. Freyer ist in der Oper<br />

„Gesamtkünstler“: Inszeniert, entwirft Bühnenbild, Kostüme und<br />

Lichtkonzept, doch bevor er für die Bühne arbeitete, war er Maler.<br />

Er lernte bei Bertolt Brecht, verließ das Metier der Malerei jedoch<br />

relativ früh und hat mit fast 45 Jahren Bühnenerfahrung zu einer<br />

Theatersprache gefunden, die absolut charakteristisch ist. Er geht<br />

vom Bild aus, verwendet Skizzen der Bühne<br />

wie ein Storyboard und schreibt seine<br />

Gedanken zur Szenerie dazu. Seine Sänger<br />

wandeln durch Fantasieräume, die mal<br />

schwarz-weiß, mal komplett mit Spiegeln,<br />

mal mit Neonleuchten ausgekleidet sind<br />

und jegliche Spielmöglichkeiten offen lassen,<br />

aber sie zugleich einschränken, weil da<br />

oft kein Halt scheint in der Weitläufigkeit, in<br />

der Abstraktion. Die Figuren sind der Realität<br />

entrückt. Manchmal meint man, sich im<br />

Zirkus wiederzufinden.<br />

Fantasievolle Gewänder, exzentrische<br />

Schminke, kryptische Gesten. Realistischpsychologisch<br />

durchdrungen ist dieses Spiel<br />

nicht. Vielmehr findet das Theater hier zu<br />

einem neuen Ausdruck, einer bildhaften<br />

Sprache. Das Bildangebot ist riesig, zugleich wird die Bühne zum<br />

Spiegel, in dem sich der Zuschauer auf sich selbst zurückgeworfen<br />

sieht und sich seine eigene Interpretation zusammenpuzzeln muss.<br />

AKTUELLE TERMINE<br />

Markus Lüpertz<br />

Bühnenbild & Kostüme<br />

„Una cosa rara“, Premiere<br />

27.10., Theater Regensburg<br />

Achim Freyer Inszenierung<br />

„Der Freischütz“, Wiederaufnahme<br />

28.09., Oper Stuttgart<br />

„Messa da Requiem“, Wiederaufnahme<br />

<strong>18</strong>.10., Deutsche Oper Berlin<br />

„Die Zauberflöte“, Wiederaufnahme<br />

20.10., Semperoper Dresden<br />

„Szenen aus Goethes Faust“, Premiere<br />

28.10., Staatsoper Hamburg<br />

Denn wenn Freyer etwas ablehnt, dann sind es eindeutige Setzungen<br />

oder gar aktuelle Bezüge. Dadurch haben seine Inszenierungen kein<br />

Verfallsdatum und laufen auch Jahrzehnte später noch (sein „Freischütz“<br />

von 1980 ist seit <strong>September</strong> wieder in Stuttgart zu sehen).<br />

Doch was bringt’s unterm Strich? Theater funktioniert anders<br />

als Malerei. Manchmal mangelt es an der Dynamik, die das Theater<br />

braucht. Die Regie „malt“ Standbilder. Die<br />

Musik macht das schon. Das Bühnenportal<br />

wird zum Bilderrahmen. Aber was für<br />

Bilder! Wenn in Anselm Kiefers zerfurchten<br />

Landschaften plötzlich Trümmerfrauen<br />

umherirren, dann wird die Aufführung<br />

eher zur ästhetischen Erfahrung anstatt<br />

zu einer Erzählung, der der Zuschauer folgen<br />

soll. Diese Kunst scheint sich außerhalb<br />

des Wettkampfes um die hellsichtigste und<br />

aktuellste Interpretation zu bewegen. Sie<br />

bleibt bei sich selbst. Hier sucht das Theater,<br />

mit künstlerischen Mitteln seinen Kunstcharakter<br />

zu perfektionieren, sich ästhetisch<br />

neu zu erfinden, uns ästhetisch neu zu überwältigen.<br />

Mit dem Effekt, dass man an den<br />

Bildern klebt und bemerkt, welche Augentiere<br />

wir Menschen doch sind. Wie sehr wir uns doch in Zeiten<br />

von Instagram und Pinterest dem Visuellen hingeben. Und in dem<br />

Moment glotzen wir nicht mehr nur, wir denken. <br />

■<br />

83

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!